Tesla

Tesla setzt die Branche unter Strom

Der US-Autobauer ist ein Phänomen. Immer für eine Überraschung gut, treibt er die Konkurrenz vor sich her. Doch nun schlagen die traditionellen Hersteller zurück.

05.11.2021

Von Thomas Veitinger und Ina Matthes

Tesla knackte nach einer Riesenbestellung des Autovermieters Hertz den Börsewert von einer Billion Dollar. Als Tesla-Gründer Elon Musk dann twitterte, die Verträge seien noch nicht unterschrieben, fiel der Aktienkurs allerdings wieder. Foto: John Thys/afp

Tesla knackte nach einer Riesenbestellung des Autovermieters Hertz den Börsewert von einer Billion Dollar. Als Tesla-Gründer Elon Musk dann twitterte, die Verträge seien noch nicht unterschrieben, fiel der Aktienkurs allerdings wieder. Foto: John Thys/afp

Ulm. Tesla ist an der Börse rund eine Billion Dollar wert. Das ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Der Autobauer legte jüngst an einem Tag so viel zu, wie Daimler insgesamt wert ist und bringt damit mehr auf die Waage als alle deutschen Autobauer zusammen. Tesla steht für Großes, Extremes, Visionäres – und das lieben Anleger.

Das war nicht immer so. Als Gründer Elon Musk einst seinen Bau reiner Elektroautos ankündigte, lachten ihn Auto-Bosse hierzulande aus und ergötzten sich an Qualitätsproblemen und Produktionschaos. Jetzt ist er Vorbild, selbst 300 Milliarden Dollar schwer, spricht vor VW-Managern und wird gleichermaßen bestaunt und gefürchtet.

Vor elf Jahren in Tesla zu investieren, war entsprechend nicht die schlechteste Idee. Als der US-Autobauer am 29. Juni 2010 an die Börse ging, betrug der Ausgabepreis der Aktie 17 Dollar, nun liegt er bei knapp 1200 Dollar. Rein wirtschaftlich ist diese Entwicklung irrational: VW hat im Corona-Jahr 2020 knapp 10 Millionen Autos verkauft, Tesla knapp eine halbe Million. Allerdings macht das US-Unternehmen Boden gut. Weltweit hat der Autobauer in diesem Jahr VW bei E-Autos und Hybriden bislang knapp überflügelt. Teslas Modell 3 liegt bei Neuzulassungen in Europa vor dem VW Golf.

Die Börse liebt solche Erfolgsgeschichten und sieht jede Menge Potenzial. So muss das US-Unternehmen keine Umwandlung vom Verbrenner-Bauer zum E-­Auto-Anbieter stemmen. Tesla ist auch mehr als ein Konzern, der Autos mit Akkus und E-Motoren baut. Das Unternehmen versteht sich als eine „Silicon Valley Software Company“, wie Musk vor ein paar Jahren twitterte. Teslas sind Computer auf Rädern, die Daten über ihre Nutzung zwecks Selbstoptimierung sammeln. Verbesserungen erfolgen per Funk wie beim Smartphone. Neue Software zur Leistungssteigerung des Autos oder Infotainment-System kann tausende Euro kosten. „Tesla bricht mit der Idee, dass das Auto als fertiges Produkt ausgeliefert wird“, schreiben die Münchner Forscher Andreas Boes und Alexander Ziegler in einer aktuellen Studie zum Umbruch der Automobilindustrie.

Der US-Autohersteller agiert wie ein IT-Unternehmen, die Teslas wurden von Anfang an um ein Betriebssystem konzipiert. IT-Experten wie der Berliner Unternehmer Christoph Bornschein sehen die deutsche Autoindustrie hier im Hintertreffen. Eigene Betriebssysteme und Software zu entwickeln, ist kostspielig. Kaufen die deutschen Auto-Hersteller bei Google oder Apple ein, verlieren sie die Datenhoheit und machen sich abhängig. VW-Chef Herbert Diess hat deshalb vor kurzem Zusammenarbeit angeboten – selbst mit Konkurrenten wie BMW oder Daimler.

Wenn es um die Innovationsstärke in der Fahrzeugtechnik geht, sieht die „Connected Car Innovation Studie“ VW, Daimler und BMW klar vor Tesla. Aber bei Services wie Infotainment, Parken und autonomem Fahren hat der US-Autobauer laut der Branchenanalyse die deutsche Konkurrenz schon deutlich abgehängt. Allerdings schießt Tesla beim Selbstfahren übers Ziel hinaus: Der Autopilot ist trotz seines Namens kein System, das die Führung des Fahrzeuges vollständig übernimmt, während der Fahrer ein Nickerchen macht.

Tesla ist nicht nur ein IT-Unternehmen, das Autos bauen kann, sondern auch ein Netzwerk. Die Fahrzeuge sind integriert in Services wie Ladesäulen, Solardächer, Batteriespeicher und sogar Stromlieferung. Musk treibt das autonome Fahren voran. Im kommenden Jahr will er sein neues Selbstfahrassistenzsystem auf den europäischen Markt bringen – wenn die Gesetzgeber ihn lassen, sagte er im September auf einem Fest in seiner Gigafactory in Grünheide.

Laut Stefan Reindl ist Tesla für deutsche Autobauer „Wettbewerber, Inspiration und Veränderungtreiber“ in einem. „Ich vermute, dass ohne Tesla das Interesse an batterieelektrischen Fahrzeugen nicht so rasch gewachsen wäre wie wir es heute wahrnehmen“, sagt der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft.

Das Unternehmen sei dabei „immer für eine Überraschung gut“. Etwa bei Batterien, die sich deutsche Hersteller zuliefern lassen wollten. „Aktuell werden Aktivitäten zum Aufbau eigener Entwicklungs- und Produktionsstätten für Batteriezellen und -module massiv vorangetrieben – und dies ist richtig und wichtig“, sagt Reindl.

Allerdings sei die Dynamik des Unternehmens sehr stark von seinem charismatischen Unternehmenslenker abhängig, der auch mal einen Joint während eines Radiogesprächs raucht und fragwürdige News twittert, die den Aktienkurs abstürzen lassen. „Solange er die Lust an diesem Unternehmen nicht verliert – und sofern er nicht gravierende Managementfehler macht – wird Tesla wohl selbstständig bleiben und weiterwachsen“, ist Reindl überzeugt.

Dennoch werde Tesla kurz- und mittelfristig Gegenwind von Automobilherstellern zu spüren bekommen. Denn etablierte – allen voran deutsche – Hersteller strebten mittlerweile wieder in agiler Weise die Technologieführerschaft auch im Bereich der Elektroautomobile an. Alle Autobauer seien auf dem E-Weg.

Innovationen schnell auf den Markt bringen und optimieren – so baut Tesla aber derzeit seine Fabrik eine halbe Bahnstunde vom Berliner Zentrum entfernt auf. Ständige Veränderungen in den Plänen sind ein wesentlicher Grund dafür, dass es die endgültige umweltrechtliche Genehmigung noch nicht gibt. Was Tesla nicht sonderlich stört – das Unternehmen baut die sechs Milliarden Euro teure Autofabrik mit Vorabgenehmigungen und dem vollen Risiko eines Rückbaus.

Neuer Hype an der Börse möglich

Dass der US-Autobauer sich das leisten kann, hat viel mit dem Verkaufsrekord trotz Halbleiter- und Rohstoffmangels zu tun. Tesla könne sich inzwischen auf eine gewaltige Finanzkraft stützen, schreiben Boes und Ziegler. Außerdem hat Tesla im Coronajahr 2020 erstmals in drei aufeinanderfolgenden Quartalen Gewinn eingefahren. Ende Dezember will der reichste Mann der Welt bei Berlin die ersten Autos produzieren. Zwar hat sich das Genehmigungsverfahren erneut verzögert, weil eine Öffentlichkeitsbeteiligung wiederholt werden muss. Dass die Tesla-Autos in Grünheide bald vom Band rollen, daran gibt es aber kaum Zweifel. Analysten glauben, dass der Start der Gigafactory in Grünheide und der gleichfalls fast fertigen Fabrik in Texas einen neuen Hype an der Börse auslösen können.

„Hersteller aus München“

Deutsche Autobauer sind zurückhaltend, wenn es um die Einschätzung von Konkurrenten geht. Vor nicht allzu langer Zeit sprachen Chefs die Namen eines Mitwettbewerbers nur widerwillig aus und umschrieben BMW etwa als „Hersteller aus München“. Entsprechend wenig ist auch von Daimler und BMW zu Tesla zu hören. BMW übt sich „grundsätzlich in vornehmer Zurückhaltung“. Porsche will sich „nicht aktiv äußern“.

Audi teilt dagegen mit: „Generell gilt: Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Bei neuen Wettbewerbern gebe es eine „enorme Dynamik“ als „Impuls für die traditionellen Autobauer, ihre Transformation zu beschleunigen und insbesondere beim Thema Software mehr Tempo zu machen“. Die Ansiedlung von E-Auto-Produktion in Deutschland begrüßt Audi ausdrücklich, „denn sie ist ein Beleg dafür, dass Deutschland mittlerweile ein attraktiver Standort für E-Mobilität geworden ist“.

Der reichste Mann der Welt: Tesla-Gründer Elon Musk.

Der reichste Mann der Welt: Tesla-Gründer Elon Musk.

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Erstellt:
05.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 17sec
zuletzt aktualisiert: 05.11.2021, 06:00 Uhr

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