Nato
Steigt Deutschland aus dem atomaren Schutzschirm aus?
Experten warnen die mögliche Ampel-Regierung davor, die Stationierung von Atomwaffen in Deutschland zu verbieten.
Berlin. Gehört Deutschlands Beitrag zur nuklearen Abschreckung bald der Vergangenheit an? An dieser Frage hat sich ein Streit entzündet, der auch auf die Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP zurückwirkt.
Ein erstes Indiz dafür waren die Reaktionen auf ein Interview der scheidenden Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Darin hatte sie zur Atomwaffenstrategie der Nato erklärt: „Wir müssen Russland gegenüber sehr deutlich machen, dass wir am Ende – und das ist ja auch die Abschreckungsdoktrin – bereit sind, auch solche Mittel einzusetzen.“
Bei Außenpolitikern aus SPD und Grünen stieß diese klare Ansage auf heftige Kritik. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf der Ministerin vor, an der Eskalationsschraube mit Russland zu drehen. „Ich appelliere an Frau Kramp-Karrenbauer, die Politik einer neuen Bundesregierung nicht zu belasten“, sagte er im „Spiegel“. Ex-Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Kramp-Karrenbauer vor, Erstschlagszenarien zu entwerfen.
Die Ablehnung der nuklearen Abschreckung durch die beiden steht im Einklang mit ihren Wahlprogrammen. In jenem der SPD ist vom „Ziel, die in Europa und in Deutschland stationierten Atomwaffen endlich abzuziehen und zu vernichten“ die Rede, bei den Grünen von den „veralteten Abschreckungsdoktrinen des Kalten Krieges“. Mützenich hatte noch 2020 erklärt: „Es wird Zeit, dass Deutschland die Stationierung zukünftig ausschließt.“
Skeptische FDP
Was das für die Koalitionsgespräche bedeutet, ist noch unklar. Die Verhandler aus den Koalitions-Arbeitsgruppen wollen sich nicht dazu äußern. Bei der FDP sieht man solche Gedankenspiele jedoch skeptisch. Sicherheitsexperten befürchten den deutschen Ausstieg aus dem nuklearen Schutzschirm der Nato. Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte: „Den Polen ziehen wir sicherheitspolitisch den Teppich unter den Füßen weg, wenn Deutschland aus der nuklearen Abschreckung aussteigt.“ Dann könnte Polen darauf bestehen, dass die 20 in Deutschland lagernden Atombomben nach Polen verlegt würden, um die Abschreckung gegenüber Moskau zu erhalten. Das wiederum würde Russland provozieren. Der bisherige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU) sagte: „Abschreckung muss glaubwürdig sein, sonst verfehlt sie ihren Zweck.“
Das Thema ist in den Koalitionsverhandlungen deshalb von Belang, weil die Bundeswehr in den kommenden Jahren Nachfolgejets für die alten amerikanischen Tornado-Kampfflugzeuge beschaffen muss. Für das Tragen der US-Atombomben müssen diese Jets spezielle Anforderungen erfüllen – oder könnten eben keine Bomben befördern.