Pandemie
Spahn bringt Strafen für Impf-Vordrängler ins Spiel
Angesichts der vielen Berichte über Lokalpolitiker, die sich ungerechtfertigt immunisieren ließen, wächst der Druck für neue Regeln zwischen Bund und Ländern.
Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will sich angesichts der Meldungen darüber, dass sich Lokalpolitiker oder auch Kirchenobere impfen lassen, obwohl sie noch längst nicht an der Reihe waren, mit den Ländern über strikte Regeln verständigen. Es sei zu prüfen, ob man das „ein Stück verbindlicher regeln“ müsse. Es sei zudem zu prüfen, ob Strafen für Impf-Vordrängler Sinn machen könnten, so Spahn am Freitag. Dies solle gemeinsam mit dem Bundestag im Zuge der Beratung über das Infektionsschutzgesetz geschehen.
Er sei eigentlich davon ausgegangen, dass es ohne solche Maßnahmen gehe, „aber die Diskussion ist angesichts der Vorfälle der letzten zwei, drei, vier Wochen, die bekannt geworden sind, schon nachvollziehbar“. Der Minister hält es zwar für absolut richtig, am Abend übrig gebliebene Impfdosen, weil etwa einige Termine von Berechtigten nicht wahrgenommen wurden, nicht wegzuwerfen, sondern zu nutzen. Dafür müssten aber klare Regeln gelten. So könne man medizinisches Personal einer benachbarten Klinik impfen. Wenn sich aber Politiker auf diese Weise eine Immunisierung verschafften, sei das „kein gutes Beispiel für Solidarität“.
Hintergrund sind Berichte, nach denen sich etwa in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern Landräte und Bürgermeister hatten impfen lassen, obwohl sie noch längst nicht an der Reihe waren. In Augsburg ließen sich der Bischof und sein Generalvikar impfen.
Nach der Impfverordnung sollen zunächst Menschen über 80 Jahre sowie Mitarbeiter in der Pflege Hochbetagter und Gesundheitspersonal mit sehr hohem Infektionsrisiko – etwa in Intensivstationen, Notaufnahmen und Rettungsdiensten – immunisiert werden. Das am häufigsten verimpfte Vakzin von Biontech muss vor der Verwendung mit einer Kochsalzlösung verdünnt werden und ist dann nur wenige Stunden haltbar. In vielen Impfzentren allerdings gibt es Wartelisten, etwa mit Hochbetagten oder medizinischem Personal, die im Falle einer übrig gebliebenen Dosis schnell versorgt werden können.
Die von den Ministerpräsidenten gewünschte frühere Impfung von Grundschullehrern und Kita-Erziehern hält Spahn erst im Frühjahr für möglich. Zunächst müsse der ersten Gruppe ein Angebot gemacht werden. In den Pflegeheimen seien 80 Prozent der Bewohner einmal, die Hälfte zweimal geimpft worden. Laut Statistischem Bundesamt haben 5,7 Millionen über 80-Jährige mit als erste Anspruch auf Immunisierung. Laut Spahn sind 3,8?Millionen Impfdosen verabreicht worden. Das entspreche mehr als drei Prozent der Bevölkerung, anderthalb Prozent hätten die zweite Injektion und damit den vollen Schutz erhalten. Hajo Zenker