Wintersport

Sorgen um Nachwuchs

DSV-Präsident Franz Steinle gibt die Hoffnung auf WM und Weltcups nicht auf.

28.11.2020

Von HARALD BETZ

Präsident des Deutschen Skiverbandes und Vizepräsident der Internationalen Biathlon-Union: Franz Steinle. Foto: Eibner

Präsident des Deutschen Skiverbandes und Vizepräsident der Internationalen Biathlon-Union: Franz Steinle. Foto: Eibner

Kreis Göppingen. Seit 2013 lenkt Franz Steinle die Geschicke des Deutschen Skiverbandes (DSV) als Präsident, vor kurzem wurde der 70-Jährige, als junger Mann Trainer des Skiclubs Wiesensteig, in seinem Amt bestätigt. Seit zwei Jahren redet der Jurist auch als Vizepräsident bei der Internationalen Biathlon-Union (IBU) ein gewichtiges Wort mit.

Sie sind als DSV-Präsident vor kurzem für vier Jahre wiedergewählt worden. Was sind Ihre Ziele für diese Amtszeit?

Franz Steinle: Es steht zunächst der kommende Winter im Fokus mit all seinen Herausforderungen. Wir möchten unsere Weltmeisterschaft in Oberstdorf und die Weltcups in Deutschland wie geplant durchführen, wir haben Konzepte mit und ohne Zuschauer vorbereitet. Angst habe ich vor allem um die Veranstaltungen auf der Ebene der zweiten, dritten Liga und im Nachwuchsbereich. Da könnte viel ausfallen.

Was bedeutet das?

Die Entwicklung unseres Nachwuchses würde natürlich darunter leiden, gerade für die Kinder und Jugendlichen ist der Wettkampf das Salz in der Suppe. Darauf trainieren sie Tag für Tag hin.

Beim Wintersport spielt sich auch in der Vorbereitung viel im Freien ab. Ist das ein Vorteil?

In der Tat sehen wir uns da etwas im Vorteil. Gerade im nordischen Bereich und im Biathlon gab es durch Mattenschanzen und Rollerstrecken keine großen Einschränkungen. Allerdings war das Training im alpinen Bereich schwieriger, da die Athletinnen und Athleten auf Schnee angewiesen sind und Deutschland keinen Gletscher vorweisen kann. In den anderen Alpenländern hatten die einheimischen Sportler natürlich Priorität, aber gerade die Schweiz hat sich uns gegenüber kompromissbereit gezeigt.

Corona überlagert letztlich trotzdem gerade alles andere?

Das ist so und wir haben nach engem Austausch mit dem Deutschen Olympischen Sportbund DOSB das gemeinsam mit einer Agentur erarbeitete Hygienekonzept als Grundmodell übernommen. Darin sind auch einige wesentliche Inhalte aus dem Konzept der Fußball-Bundesliga eingeflossen, das ebenfalls von dieser Agentur erstellt wurde. Darauf aufbauend, haben wir dann die Vorlage für unsere Belange spezifiziert.

Das gilt auch für die Nordische Ski-WM, die vom 23. Februar bis 7. März in Oberstdorf stattfinden soll?

Ja. Das Konzept wurde auf die Bedürfnisse angepasst. Das ist freilich mit hohen Kosten verbunden, die in den ursprünglichen Budgets nicht enthalten waren.

Findet die WM auf jeden Fall statt?

Wir gehen aktuell davon aus und planen pro Veranstaltung im Skistadion mit 2500, im Langlaufstadion mit 2000 Zuschauern auf Sitzplätzen. Aber bis zur Eröffnung sind es noch fast drei Monate. Keiner weiß, wie sich die Situation im Februar darstellt. Ich hoffe, dass es eine Besserung bei den Corona-Zahlen gibt.

Oberstdorf hat viel investiert. Wie ordnen Sie die Anlagen ein?

Es sind rund 40 Millionen Euro investiert worden und damit ist eine der besten Anlagen für den nordischen Skisport auf der Welt entstanden. Dabei gab es kaum Umweltdiskussionen, weil alles in die Natur eingebunden wurde und mittlerweile die Eingriffe fast nicht mehr sichtbar sind. Es wäre alles vorbereitet für ein Wintermärchen wie im Jahr 2005.

Bleibt die Frage, wie die Kosten gedeckt werden können?

Wir haben das Glück, dass die Einnahmenseite weitgehend über die Versicherung abgedeckt ist, allerdings sind die Ausgaben nicht versichert. Allein der Hygienebereich liegt im Millionenbereich, den die vier WM-Träger DSV, Marktgemeinde, Landkreis und Skiclub stemmen müssen. Es wird schwierig, eine schwarze Null zu erreichen. Wir versuchen, über staatliche Zuschüsse und Geld vom internationalen Skiverband das Defizit aufzufangen.

Der Kartenvorverkauf. Welches Risiko gehen die Käufer ein?

Wir haben 50 000 Tickets, 30 000 sind verkauft. Sollte ein WM-Besuch nicht möglich sein, erhalten die Fans ihr Geld zurück.

Zurück zum Sport. Welche heißen Eisen hat der DSV im Feuer?

Uns fehlen die Vergleiche aus dem Sommer, aber bei der Deutschen Meisterschaft im Herbst haben wir ein hohes Niveau gesehen, das die Springer beim Weltcup in Wisla eindrucksvoll bestätigt haben. Bei der erstmals ausgetragenen Kombination der Frauen stellen wir in Jenny Nowak die Junioren-Weltmeisterin.

Sie sind seit 2018 auch Vizepräsident der Internationalen Biathlon-Union IBU. Wie wichtig ist das?

Wir sind einer der wichtigsten Verbände, das Mitspracherecht ist von elementarer Bedeutung. Zugleich ist mein beruflicher Hintergrund als Jurist von Vorteil. So konnte ich an der neuen Satzung der IBU mitarbeiten.

Die IBU war mit Korruptions- und Dopingvorwürfen ins Zwielicht geraten und hat sich neu aufgestellt...

Wir sind inzwischen in ruhigerem Fahrwasser. Wir haben eine eigene Abteilung, Biathlon Integrity Unit, die Themen wie Korruption und Doping unabhängig untersucht. Ich stelle die Verbindung zum Präsidium her und kann mitgestalten. Das alles erfordert Zeit, die ich nun als Pensionär habe.

Sind die Vorwürfe gegen ehemalige IBU-Funktionäre aufgearbeitet?

Sie wurden von einer unabhängigen Kommission mit Jonathan Taylor von der Welt-Antidoping-Agentur Wada untersucht, der Bericht liegt seit wenigen Tagen vor. Die neue Abteilung wird daraus Folgerungen ableiten.

Im Biathlon werden immer zwei Weltcups an einem Ort ausgetragen. Der richtige Weg in Corona-Zeiten?

Ich habe jedenfalls dafür plädiert, um die Reisen zu minimieren. Wir mussten uns deshalb zwischen zwei hervorragenden Standorten entscheiden und werden in Oberhof die neue Anlage testen, auf der 2023 die WM stattfindet. Ruhpolding bekommt die World Team Challenge.

In Sotschi hat die Männerstaffel Olympia-Silber hinter Russland gewonnen. Es könnte nachträglich Gold werden, wenn der Russe Ustjugov endgültig des Dopings überführt wird. Wie steht die Sache?

Wir von der IBU haben Anklage beim internationalen Sportgerichtshof erhoben, Ustjugov ist in erster Instanz für vier Jahre gesperrt. Er hat aber Berufung eingelegt. Deshalb ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Wie gut haben Dopingkontrollen in den Corona-Monaten funktioniert?

In Deutschland wurde wie üblich kontrolliert, auch von der IBU weiß ich, dass normal kontrolliert wurde.

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Erstellt:
28.11.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 51sec
zuletzt aktualisiert: 28.11.2020, 06:00 Uhr

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