Pandemie

So lässt sich Corona heilen

Alle reden übers Impfen. Aber wie werden Corona-Erkrankte eigentlich therapiert? Antikörper-Spritzen, bald auch Pillen – es geht Schlag auf Schlag. 

13.11.2021

Von Hajo Zenker

Tägliche Neuinfektionen in Deutschland. Grafik: Scherer/Quelle: AFP

Tägliche Neuinfektionen in Deutschland. Grafik: Scherer/Quelle: AFP

Berlin. Nachdem seit Monaten gegen geimpft wird, gibt es nun Hoffnung auf wirksame Mittel zur Behandlung von Covid-19. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) spricht von 628 Medikamenten, die erprobt würden, „ob sie auf die eine oder andere Weise hilfreich gegen Covid-19 sein können“. Denn um die Entwicklung abzukürzen, werden Medikamente, die bereits gegen andere Krankheiten zugelassen sind, auf ihre Tauglichkeit getestet. Das klassische Beispiel ist Remdesivir. Ursprünglich gegen Ebola entwickelt, wird es bei der Covid-Behandlung eingesetzt und war lange als einzige Corona-Arznei in der EU offiziell zugelassen – für Patienten mit Lungenentzündung, die nicht künstlich beatmet werden müssen. Der große Erfolg ist ausgeblieben. Der Gemeinsame Bundesausschuss, der den Nutzen von Medikamenten bewertet, kommt zu dem Schluss, dass Patienten, deren Lungen­entzündung noch nicht sehr schwer ist, von Remdesivir profitieren könnten, der Zusatznutzen sei aber „nur gering“.

Zwei EU-Zulassungen

Nun aber geht es offenbar Schlag auf Schlag. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat zwei Mittel zugelassen: Ronapreve des Schweizer Pharma­riesen Roche und der US-Firma Regeneron sowie Regkirona von Celltrion aus Südkorea. Für den geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) „ein Glücksfall“. Deutschland habe sich bereits vor Monaten große Mengen gesichert. In beiden Fällen handelt es sich um im Labor hergestellte Antikörper. Diese Proteine docken an den Stacheln des Virus an und unterbinden das Eindringen des Erregers in menschliche Zellen. Das ist insbesondere bei Menschen sinnvoll, deren Immunsystem durch eine Impfung nicht ausreichend aktiviert werden kann – Hochbetagte oder Krebs-, Transplantations- oder Dialysepatienten.

Laut EMA mussten weniger als ein Prozent der Covid-Patienten nach der Behandlung mit Ronapreve stationär aufgenommen werden – bei der Vergleichsgruppe waren es 3,4 Prozent. Bei Regkirona mussten drei Prozent der Behandelten in Kliniken eingewiesen werden, ohne das Mittel waren es elf Prozent.

Ein ganz anderes Medikament wurde von Großbritannien zugelassen: Molnupiravir des US-Konzerns Merck. Es soll bei besonders Gefährdeten das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs halbieren. Auch die Tatsache, dass es sich um Tabletten handelt, ist ein Fortschritt – Remdesivir oder Antikörper müssen gespritzt werden. Die Pille ist dazu da, Fehler in den Gencode des Virus einzuschleusen. EMA und die US-Behörde FDA prüfen das Mittel noch. Ein Grund: Molnupiravir will Mutationen auslösen – im Virus. Ob sich das aber nicht auch gegen den Körper richten kann, muss untersucht werden.

Eine noch größere Wirksamkeit, sagt zumindest der Hersteller Pfizer, soll das Mittel Paxlovid haben. Es reduziere das Risiko eines schweren Verlaufs sogar um 89 Prozent. Pfizer, beim Impfstoff Partner von Biontech, hier aber mit einem eigenen Produkt, hat wegen der „überwältigenden Wirksamkeit“ den Antrag auf eine Notfallgenehmigung bei der FDA angekündigt. Pfizers Tablette blockiert die Aktivität eines Enzyms, das vom Virus zur Vervielfältigung gebraucht wird. Über beide Pillen gibt es laut Jens Spahn mit den Herstellern bereits Beschaffungsgespräche.

Hoffnung bei Long Covid

Ein seit Jahren gebräuchliches Mittel ist ebenfalls in den Fokus gerückt: Eine Studie zeigt, dass das bei Depressionen eingesetzte Fluvoxamin bei Risikopatienten in einem frühen Stadium für die Corona-Behandlung geeignet ist. Die Wahrscheinlichkeit eines Klinikaufenthaltes könne sich zumindest um ein Drittel verringern. Selbst für die Covid-Langzeitfolgen scheint es Hoffnung zu geben. Am Uniklinikum Erlangen wurde Long-Covid-Patienten das noch nicht zugelassene Medikament BC 007 des Berliner Start-ups Berlin Cures gegeben, das die Durchblutung bei Herzproblemen verbessern soll. Als es bei einem 59-Jährigen, der über Geschmacksverlust, Konzentrationsstörungen und Abgeschlagenheit klagte, eingesetzt wurde, zeigte sich laut Klinik „bereits innerhalb weniger Stunden eine Besserung“. Nach drei Wochen war der Patient nach eigenen Angaben „wieder topfit“. Nun soll eine Studie klären, ob BC 007 tatsächlich vielen Long-Covid-Patienten helfen kann.

Der vfa betont deshalb: Auch wenn die Entwicklung von Medikamenten länger dauere als die der Impfstoffe, verlaufe sie „weit schneller als je zuvor eine Therapeutika-Entwicklung in der Geschichte der Pharmazie“. Die neuen Zulassungen seien eine „wichtige Etappe“, sagt deshalb EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides.

Dramatische Lage

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Erstellt:
13.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 13.11.2021, 06:00 Uhr

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