Extremismus
Sind „Querdenker“ ein Verdachtsfall?
Der Verfassungsschutz in Thüringen sieht Anhaltspunkte für eine Radikalisierung der Bewegung.
Berlin. Der Präsident des Thüringer Verfassungsschutz, Stephan Kramer, sieht inzwischen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die bundesweite „Querdenken“-Bewegung als Verdachtsfall eingestuft werden könnte. Er begründet das unter anderem mit einem Treffen von führenden Organisatoren der Corona-Skeptiker und der „Reichsbürger“-Szene, an der mehr als 100 Personen aus dem ganzen Bundesgebiet teilgenommen hätten.
Kramer beobachtet, dass bundesweit „Rechtsextremisten, Reichsbürger, Impfgegner und Verschwörungsphantasten“ in der Bewegung „das Regiment übernehmen“. Das sei auch die Erkenntnis von anderen Verfassungsschutzämtern. Der Thüringer Präsident spricht von einem „Schulterschluss“ zwischen „Querdenkern“, Corona-Leugnern und Reichsbürgern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte den Thüringer Vorstoß auf Nachfrage nicht kommentieren.
Nachdem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kürzlich den Verfassungsschutz aufforderte, bei den „Querdenkern“ genau hinzuschauen, hält sich die Politik derzeit allerdings zurück. „Ich glaube, die Politik ist gut beraten, dem Verfassungsschutz in diesen Fragen keine Ratschläge zu erteilen“, sagt der CDU-Innenpolitiker Thorsten Frei dieser Zeitung. Der Verfassungsschutz müsse eine freie Sachentscheidung treffen.
Sein FDP-Kollege Benjamin Strasser sagt: „Wir haben durchaus Erkenntnisse, dass sich ,Querdenken' in einer gefährlichen Radikalisierungsspirale befindet“, betont aber auch, dass die Beobachtung durch den Verfassungsschutz keine Entscheidung sei, die Politiker treffen würden. Die SPD-Innenpolitikerin Ute Vogt verweist auf das Bundesverfassungsschutzgesetz, das klare Vorgaben mache. „Das Ganze muss auch rechtlich überprüfbar sein.“ Dominik Guggemos