Interview · Energiewende
„Schub für die E-Mobilität“
Der Ausstieg aus der Kernkraft läuft planmäßig, sagt Energieexperte Frithjof Staiß, der auch die Bundesregierung berät. Damit die Energiewende gelingt, müsse man sie jedoch europäischer denken.
Berlin. Wo steht die Energiewende?
Frithjof Staiß: Bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sind wir gut aufgestellt und haben das Ausbauziel bisher übererfüllt. Probleme haben wir im Bereich der Gebäudewärme, denn Einsparerfolge wurden durch die Zunahme der Wohnfläche pro Kopf und weitere Faktoren aufgezehrt. Ähnliches gilt für den Verkehr. Hier sehen wir jetzt vor allem aufgrund staatlicher Zuschüsse aber einen erfreulichen Schub für die E-Mobilität. Die Kunst wird sein, das Wachstum in den kommenden Jahren von der Förderung zu lösen.
Sind die Ökostromziele der Umweltministerin realistisch?
Insgesamt ja, aber man muss differenzieren. Bei der Windnutzung an Land ist ein erheblicher Ausbau möglich, eine Verdoppelung bis 2030 dürfte aber schwierig werden. Die genehmigten Flächen sind begrenzt, wir haben in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen und Akzeptanzprobleme vor Ort. Andererseits bestehen hohe Ausbaupotenziale bei der Windenergie auf See. Das Doppelte oder mehr ist ebenso bei der Photovoltaik möglich. Dies hängt aber davon ab, wie viel zusätzliche Fläche wir erschließen können. Wenn mehr Gebäude verpflichtend mit Solaranlagen ausgestattet würden, kann man noch viel Potential heben.
Sie empfehlen, die Energiewende europäischer zu denken.
Der europäische Rechtsrahmen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz ermöglichen es grundsätzlich, beim erneuerbaren Strom mit dem Ausland zu kooperieren. Es gab bisher aber nur ein deutsches Projekt mit Dänemark. Man könnte das ausweiten, indem man gemeinsam mit anderen EU-Ländern mehr Ökostrom-Projekte dort vorantreibt, wo die Bedingungen aufgrund von viel Wind oder Sonne günstiger sind. Deren Erzeugung könnte man der nationalen Bilanz zuschreiben.
Brauchen die ihren Strom nicht?
In Bezug auf mögliche Knappheiten aufgrund der schwankenden Stromerzeugung aus Wind und Sonne bin ich entspannt. Denn hierfür halten wir unsere Reservekraftwerke vor. Dies kostet zwar Geld, ist aber erforderlich, um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. In den kommenden Jahren werden auch die Speicherkapazitäten für Ökostrom zunehmen, etwa in Form von Wasserstoff.