Videokonferenzen
Schau mir in die Augen ...
Wettlauf mit Apple & Co: Unternehmer Carsten Kraus will mit einer Software namens Casablanca die Onlinekommunikation verändern.
Das störte den Unternehmer. Kraus entwickelte eine Software, die die Blickrichtung virtuell in die Kamera verschiebt. Die Gesprächspartner schauen nach wie vor auf den Bildschirm und dennoch haben sie Augenkontakt. Die Software richtet die Augen mitsamt dem Gesicht zur Kamera aus. Um seine Idee rasch voranzubringen, hat Kraus ein Start-up gegründet. Das hat er passenderweise „Casablanca.ai“ getauft, in Reminiszenz an die legendären Filmszenen, wenn Humphrey Bogart Ingrid Bergmann zuprostet: Schau mir in die Augen, Kleines!
Kraus, in dessen Firma Omikron sich 130 Mitarbeiter mit Datenqualität und E-Commerce-Suche beschäftigen, will das Tempo hoch halten. Die Software ist fertig. Nun soll ein kleines Entwickler-Team das digitale Geschäftsmodell programmieren. Das ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Weltweit arbeiten Entwickler an der Optimierung der Videotools. Auch der US-Tech-Riese Apple hat eine Lösung angekündigt: nur die Augen, unabhängig von der eigentlichen Blickrichtung, virtuell in Richtung der Kamera auszurichten.
Von entscheidender Bedeutung ist Augenkontakt bei Bewerbungsgesprächen. Selbst die finden zu Corona-Zeiten oft online statt. Bis es eine Softwarelösung gibt, wird die Situation optimiert. Uta Weissenborn, Betriebsratsvorsitzende beim internationalen Pharmaunternehmen MSD am Standort München, sagt: „Das Wichtigste ist, dass die Kamera bei Konferenzen möglichst fokussiert und mittig vor einem steht.“ Es sei unvorteilhaft, wenn die Hälfte des Gesichts nicht richtig zu sehen ist. Generell ist sie aber von Videogesprächen überzeugt: „Vielleicht sind die Bewerber in ihrem gewohnten Umfeld sogar entspannter.“ Auch bei internen Meetings sei die Resonanz positiv. Alle 15 Betriebsräte seien mit dieser Form der Kommunikation zufrieden.
Wie wichtig die richtige Perspektive bei Videotelefonaten ist, betont auch Stefanie Vits. Die Münchnerin ist Psycholinguistin und Rhetorik-Trainerin. Bei psychologischen Themen seien Onlinetermine schwierig. „Für Selbstwerttraining ist realer Kontakt unersetzbar. Es geht um Körpergefühl.“ Rhetorikseminare seien online hingegen kein Problem. Dazu gehöre die richtige Kameraeinstellung. Deshalb steht die externe Kamera bei ihr oben im Raum, erfasst Vits sowohl am Schreibtisch als auch am Flipchart. Ihre Seminare mit bis zu 14 Teilnehmern finden wegen der Corona-Pandemie fast ausschließlich online statt. Softwarelösungen hält sie für ihren Bereich nicht für notwendig.
Lösung für große Konferenzen
Softwareunternehmer Kraus arbeitet dennoch an einer Lösung für Situationen mit mehreren Gesprächspartnern. Details will er nicht verraten. „Es gibt vielleicht noch Möglichkeiten, mein Patent zu umgehen“, befürchtet er. Offen sei zudem, ob es ein günstiges Abomodell für Endkunden geben wird, oder ob er mit einem Videokonferenz-Anbieter kooperiert. Vom Potenzial solcher Software ist er überzeugt: „Im Rennen um den riesigen Videokonferenz-Markt geht es jetzt darum, wer die beste Lösung findet.“