Nachruf

SÜDWEST PRESSE-Verleger Eberhard Ebner ist tot

Der Ulmer Verleger Eberhard Ebner ist am Karfreitag im Alter von 94 Jahren gestorben. Ebner war nicht nur der Vater der SÜDWEST PRESSE, er prägte die gesamte Zeitungslandschaft im Südwesten. Ein Nachruf.

31.03.2024

Von Ulrich Becker

Verleger Eberhard Ebner ist am Karfreitag im Alter von 94 Jahren gestorben.© Foto: Lars Schwerdtfeger

Verleger Eberhard Ebner ist am Karfreitag im Alter von 94 Jahren gestorben.© Foto: Lars Schwerdtfeger

Verleger – zumindest jene alten Schlags – sind nicht nur Unternehmer, sie sind Persönlichkeiten. In der alten Bundesrepublik waren es Männer, die für guten Journalismus, für die publizistische Kraft ihrer Zeitungen und die Unabhängigkeit ihrer Verlage kämpften. Axel Springer gehörte in diese Reihe, Alfred Neven DuMont aus Köln, Henri Nannen. Aber sie waren auch eitel, zeigten sich gerne öffentlich, sie suchten die Nähe der Mächtigen und der Macht.

Eberhard Ebner war anders. Er gehörte selbstverständlich in diese Reihe der großen Verleger, er war ein Grand Seigneur im besten Sinne. Ein Mann, der Zeitung liebte und lebte, der seine Journalisten schätzte und für sie eintrat. Aber er war niemals einer, der mehr Schein als Sein verbreitete, der das Licht der Scheinwerfer und die roten Teppiche suchte. Ganz im Gegenteil – er mied die Öffentlichkeit geradezu, lehnte jedes Aufsehen um seine Person ab.

Zu seinem 80. Geburtstag am 5. Dezember 2009 teilte er per Hausmitteilung mit: „Um mich jeglichem Rummel zu entziehen, nehme ich eine mehrwöchige Auszeit bis 20. Januar.“ Verlegerkollegen ließen aus diesem Anlass Festzelte und riesige Bühnen für sich aufbauen, Eberhard Ebner lehnte sogar jede Berichterstattung ab. Er verstand sich und seine verlegerische Aufgabe ganz im Sinne unseres Grundgesetzes: freie Bürger so zu informieren, dass sie Demokratie leben können. Übertriebene Selbstdarstellung gehörte aus seiner Sicht dabei nicht zu den notwendigen verlegerischen Tugenden.

Anachronistisch mutete diese Einstellung beinahe an, doch sein Credo, das er 2019 im Interview zum 90. Geburtstag bekräftigte, machte ihn auch geschäftlich außerordentlich erfolgreich: „Geld verdient man nur mit exzellenten journalistischen Leistungen.“ Über Jahrzehnte verfolgte Ebner diese Strategie, entsprechend seiner Einstellung fast im Verborgenen. „Der stille Riese aus Ulm“ lautete einst Ende der 80er Jahre die Zeile im Spiegel in einem Porträt über Eberhard Ebner. Seinen Medienkonzern, die „Neue Pressegesellschaft“, hatte er nahezu lautlos geformt, die SÜDWEST PRESSE mit ihren Mantelpartnern zu einer der größten Regionalzeitungen Deutschlands gemacht, ohne großes Gewese und Gehabe.

Das Geheimnis dahinter? Vielleicht konnte man ihm am besten auf die Spur kommen, wenn man Eberhard Ebner mittags in seinem italienischen Lieblingslokal in Ulm traf. Noch weit bis ins vergangene Jahr hinein saß er fast täglich dort – trotz der immer stärker werdenden Gebrechen -, nippte an der Weinschorle und genoss seine geliebte Minestrone. Ein freundlicher Herr alter Schule, stets korrekt gekleidet, mit einem Schal über der blauen Anzugjacke.

Den Gesprächspartner musterte er mit einem Schmunzeln, ein bisschen amüsiert, ein bisschen schelmisch. Für einen Chefredakteur waren diese Treffen stets ein großes Glück – weil Eberhard Ebner ein Verleger war, der nicht nur das eigene Blatt in- und auswendig kannte, sondern über einen messerscharfen politischen Verstand verfügte. Dies dann doch gelegentlich zum Leidwesen des anwesenden Journalisten: Fehler bemerkte er sofort, ein ausweichendes Hinwegdiskutieren ließ er nicht gelten. Doch wenn er kritisierte, machte er es stets feinfühlig, nachdenklich und immer wertschätzend.

Wertschätzung für Menschen als Schlüssel zum Erfolg

Diese Wertschätzung für Menschen, das Gespür für sein Gegenüber und dessen Gefühle, begleitete ihn über sein ganzes Berufsleben und war ohne Zweifel der Schlüssel zu seinem Erfolg. Sein Elternhaus habe ihn in diesem Sinne geprägt, sagte er im Interview zum 90. Geburtstag: „Vor allem, dass man sich aufeinander verlassen kann – auch im geschäftlichen Bereich.“

Dieses Geschäftsleben begann für Eberhard Ebner früh, es war ihm in die Wiege gelegt. Seit 200 Jahren war und ist die Familie Ebner – zunächst in Stuttgart und später in Ulm – verlegerisch tätig. Nach dem Krieg kam die Chance, wieder Zugang zu einer Zeitung zu erhalten, nachdem 1933 bei der Machtübernahme durch die Nazis der alte Titel verloren gegangen war. 1954 übernahm die Familie 50 Prozent der „Schwäbischen Donauzeitung“. Eberhard Ebner hatte zuvor schon Verlagsluft geschnuppert: Der gebürtige Ulmer absolvierte eine Buchhändlerlehre in Stuttgart, danach ging es zum Betriebswirtsstudium in Köln und München. In Köln machte er unter anderem ein Praktikum im Verlag Neven DuMont und lernte Alfred Neven DuMont kennen, mit dem ihm eine jahrzehntelange Freundschaft verband.

Doch den jungen Mann zog es mehr in die Praxis als in den Hörsaal. Das Studium brach er ab und wurde im Januar 1955 Assistent des geschäftsführenden Gesellschafters der „Schwäbischen Donauzeitung“, Paul Thielemann. 1961 kam die Verlagsleitung hinzu, nach dem Tod des Vaters Carl Ebner wurde Sohn Eberhard geschäftsführender Gesellschafter und Mitherausgeber der „Schwäbischen Donauzeitung“.

Sicherlich eine seiner größten verlegerischen Leistungen war 1968 die Zusammenführung zahlreicher selbstständiger schwäbischer Verlage zur damals größten Zeitungskooperation im Südwesten. Der Name „Schwäbische Donauzeitung“ wechselte in „SÜDWEST PRESSE“. Jahrzehnte bevor große Medienkonzerne wie Funke oder Madsack deutschlandweit eigene Verbünde gründeten, existierte in Ulm bereits ein solches Netzwerk auf regionaler Ebene. Jeder Einzelne für sich ist schwach, alle gemeinsam im Verbund aber stark – dieser Überlegung folgte Eberhard Ebner schon damals.

Eine Kooperation, die wiederum nur möglich war, weil er die sehr unterschiedlichen Verlegercharaktere mit seiner Person zusammenhielt. Ohne persönliche Eitelkeiten. „Man muss die Beziehungen in einer solchen Gemeinschaft pflegen. Sie ist im Lauf der Jahrzehnte fast zu einer Art Familie geworden, in der man sich nicht gegenseitig im Stich lässt“, sagte Ebner noch vor wenigen Jahren. Er hat sicher wie kein zweiter die Zeitungslandschaft in Baden-Württemberg nach dem Krieg geprägt – und darüber hinaus. „Ich hatte schon immer den Drang, aus der Stadt herauszukommen“, sagte er rückblickend. 16 Jahre lang, von 1980 bis 1996, war er als Vizepräsident des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger (BDZV) eine gewichtige Stimme in ganz Deutschland. Man hörte auf Eberhard Ebner, weil er nach vorne dachte, sich mit dem damals aufkommenden Privatrundfunk und den neuen Medien beschäftigte. Der BDZV machte ihn später zum Ehrenmitglied im Präsidium – und schätzte seinen Rat bis ins hohe Alter.

Seine Heimat blieb aber die Stadt an der Donau: „Ulm war immer mein Ort“, betonte er stets. Mit einer klaren Absage an jede Kungelei: „Allerdings braucht ein Verleger auch die Stärke, einen vorsichtigen Abstand gegenüber den örtlichen Institutionen zu halten, um nicht vereinnahmt zu werden.“ Das war sein Verständnis der eigenen Aufgabe, die immer die Rolle im Hintergrund war. Ohnehin war für ihn der lokale Journalismus eine prägende Säule des Gemeinwesens. Es gehe um das „Wir-Gefühl“, die Möglichkeit, dass auch eine kleinere Region eine Stimme habe und eine Identität entwickeln könne. Man könne den Nutzen einer Lokalzeitung gar nicht genug rühmen, brach er eine Lanze für den Lokaljournalismus.

Leidenschaft für Kunst und Kultur

Seine Leidenschaft in Ulm galt vor allem der HfG, der berühmten Hochschule für Gestaltung. Auf dem Kuhberg hatte sich in den 50er und 60er Jahren diese weltweit stilprägende Hochschule etabliert. Ihr Grundgedanke der Reduktion, der Konzentration auf das Wesentliche entsprach dem Wesen Ebners – bis hin zum Zeitungslayout. Dem Grundsatz „Die Form folgt der Funktion“ blieb er auch bei seinen Titeln treu und diese Einstellung prägte über Jahrzehnte das Aussehen der Veröffentlichungen. Kunst und Kultur waren seine Leidenschaft bis zuletzt – er förderte und unterstützte, blieb aber auch dabei stets im Verborgenen.

Privat hatte seine Sehnsucht eine Farbe – blau, die Farbe des Meeres und des Himmels in der griechischen Ägäis. Dort feierte er in seinem Haus auf einer Insel, die kaum ein Tourist kannte, das Leben. Einfach und frei mit Freunden. Als die Redaktion im Jahr 2016 der SÜDWEST PRESSE ein neues Layout gab, suchten wir nach der richtigen Leitfarbe. „Blau“, sagte Eberhard Ebner. „Blau wie das Meer in Griechenland.“ Erst mit fast 90 Jahren, 2018, zog er sich aus seiner aktiven Rolle als Beiratsvorsitzender der Neuen Pressegesellschaft zurück. Nun könne er ja mal in Rente gehen, scherzte er.

Für uns Journalisten war dieser Verleger ein Glück – eben, weil er ein Menschenfreund war und zugleich die eigene Person nicht in den Mittelpunkt stellte. Sein Zitat, dass „ein freiheitliches Klima in einer Redaktion besseren Journalismus ermöglicht als ein Übermaß an Kontrolle“ war keine leere Formel, diese Haltung war gelebte Realität. Der große Kurt Kister, ehemaliger Chefredakteur der „Süddeutsche Zeitung“, schrieb über Eberhard Ebner zu seinem 90. Geburtstag: „Eberhard Ebner hat sich immer für das Leben, die Welt und die Zeitung interessiert. Er könnte ohne Zeitung nicht leben, und das ist nicht ökonomisch gemeint. Etwas viel Besseres kann ein Journalist nicht über einen Verleger sagen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Eberhard Ebner starb im Alter von 94 Jahren am Karfreitag in Ulm.

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Erstellt:
31.03.2024, 17:43 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 25sec
zuletzt aktualisiert: 31.03.2024, 17:43 Uhr

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