Nachruf

„Ich hatte ein cooles Leben“: Rock-of-Ages-Macher Horst Franz ist tot

Der Festival-Macher und Metal-Fan Horst Franz starb im Alter von 60 Jahren. Familie, Fans und Musiker trauern um ihn.

09.04.2024

Von Angelika Bachmann

Das schwarze Käppi auf dem grauen wallenden Haar war das Markenzeichen von Horst Franz. Das Bild entstand beim Festival im Jahr 2023, da war der Ergenzinger schon schwer gezeichnet von seiner Krankheit. Archivbild: Klaus Franke

Das schwarze Käppi auf dem grauen wallenden Haar war das Markenzeichen von Horst Franz. Das Bild entstand beim Festival im Jahr 2023, da war der Ergenzinger schon schwer gezeichnet von seiner Krankheit. Archivbild: Klaus Franke

Ein Kerl wie ein Schrank, grau-blondes langes Haar, im Bart eine Perle in Form eines Totenkopfs: So werden ihn viele in Erinnerung behalten. Auf dem Kopf die schwarze Schirmmütze, im Kopf tausend Ideen – das war Horst Franz: Metal-Fan, Festival-Macher, einer, der das Herz auf dem rechten Fleck und im Herzen eine große Liebe zur Musik hatte. Wenn er beim Festival zu den Bands auf die Bühne stieg, inmitten der Zuschauer auf die Bühne schaute, mit Stars und Fans sprach: Da war er glücklich.

Tausende von Rock- und Metal-Fans pilgerten zu den Open-Air-Festivals, die Horst Franz organisiert hat: seit 1999 das „Bang your Head“ in Balingen, bei dem die Stars der Heavy-Metal-Szene aufliefen. Seit 2006 stieg zudem jeden Sommer das „Rock of Ages“-Festival beim Seebronner Festplatz – für das etwas gesetztere Publikum, das nicht so auf Lederkutten und tätowierte Oberarme steht, wie es Horst Franz einmal formuliert hat. Dort wurde vor allem den Altstars der Rock-Szene die Bühne bereitet.

Geboren und aufgewachsen ist Horst Franz in Ergenzingen (wo er auch heute noch wohnte). Led Zeppelin, Deep Purple, The Who: Das waren die Bands seiner Jugend, als er noch Horst Odermatt hieß. Schon früh wurde ihm klar, dass die Musik nicht nur sein Leben war, sondern er mit der Musik auch seinen Lebensunterhalt verdienen wollte. 1991 erschien die erste Ausgabe seines Metal-Magazins „Heavy oder was?“. „Es war schon immer ein Traum von mir, mit Musikern zu reden“, berichtete er einmal im Gespräch mit dem TAGBLATT. Er interviewte Stars wie Alice Cooper oder die Band Kiss. Lemmy von Motörhead saß auch schon bei ihm im Wohnzimmer.

Über die Jahre baute sich Horst Franz ein immenses Netzwerk in der Musikszene auf. Zu den Stammgästen bei seinen Festivals gehörten Sweet, Doro Pesch oder Suzi Quatro. Von vielen Musikerinnen und Musikern hatte er nicht nur die Telefonnummern, er war auch mit ihnen befreundet. Dee Snider, ehemaliger Frontsänger der Heavy-Metal-Band Twisted Sister, ist Trauzeuge seiner zweiten Ehe: Seit 2005 ist er mit Ines Franz verheiratet, der er auf der Bühne beim Balinger Festival, vor 22 000 Zeugen und im Regen von Rosenblütenblättern einen Heiratsantrag gemacht hatte. „Die Metaller haben halt ein weiches Herz“, sagte Franz. Genau dafür liebte ihn auch die Festival-Fan-Gemeinde. Einige von ihnen waren mittlerweile selbst in die Jahre gekommen und kamen nun mit Kind und Kegel zu den Konzerten.

„Ich hatte ein cooles Leben“, sagte Franz 2022 in einem Interview – als wäre sein Leben schon vorbei. Tatsächlich ahnte der damals 58-Jährige, dass er seinen 60. Geburtstag nur mit viel Glück erreichen würde. Der einstige 130-Kilo-Koloss war auf 65 Kilo abgemagert. Statt über die Bands des kommenden Festivals sprach er nun über Knochenmarktransplantation, neuste Medikamente aus den USA und darüber, dass er sich einen Rollator besorgt hatte, weil ihm die Kraft fehlte, mehr als zehn Schritte zu gehen. Kurz nach Beginn der Corona-Pandemie hatten die Ärzte bei ihm erst eine schwere Herzinsuffizienz festgestellt, dann eine besonders aggressive Form von Leukämie.

Noch einmal schaffte er ein Wunder. Obwohl ihm über die Corona-Jahre seine Festival-Crew abhanden gekommen war, brachten er und einige Helfer im Juli 2023 bei Rock of Ages 20 Bands an drei Tagen auf die Bühne. Der Organisator verfolgte die Konzerte backstage auf einem Stuhl und erholte sich zwischendurch im Festival-Container auf einer Liege. „Soll es weitergehen“, fragte er damals beim Abschluss von der Bühne. Als die Menge johlte und Handy-Taschenlampen schwenkte, habe er „Gänsehaut gehabt“, erzählte er. Also machte er sich nach dem Sommer daran, das Festival 2024 zu organisieren. Doch seit Weihnachten wurde es ganz still um ihn. Nichts tat sich mehr auf der Homepage. Manchem Fan schwante Schlimmes.

Wieder lag Horst Franz auf der Intensivstation, nun mit Lungenentzündung, von der er sich nicht mehr erholte. Seine langjährige Lebenspartnerin Ines Franz veröffentlichte am Dienstagfrüh die Todes-Nachricht auf ihrem Facebook-Account. „Die Leere, die du hinterlassen hast, ist unaussprechlich“, schreibt sie. Schwarze Herzen und Rosen zieren die Beileidsbekundungen von Freunden und Fans. „Rest in power“, schreibt einer von ihnen. „Rock the heaven“ ein anderer. Horst Franz wurde 60 Jahre alt.

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Erstellt:
09.04.2024, 10:42 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 09.04.2024, 10:42 Uhr

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