Rottenburg

Repair-Café: Kabel angelötet, fertig

Mehr als 50 Leute kamen am Montagabend zur ersten nicht-kommerziellen Reparatur-Werkstatt im Rottenburger AWO-Heim.

20.03.2019

Von Michael Hahn

Hier sind eine Stereoanlage und ein Karaoke-Gerät in Behandlung. Nur um die Uhr hinten an der Wand im AWO-Heim kümmerte sich am Montagabend niemand. Die steht seit Wochen auf „Dreiviertel Neun“. Bilder: Michael Hahn

Hier sind eine Stereoanlage und ein Karaoke-Gerät in Behandlung. Nur um die Uhr hinten an der Wand im AWO-Heim kümmerte sich am Montagabend niemand. Die steht seit Wochen auf „Dreiviertel Neun“. Bilder: Michael Hahn

Es war voll im AWO-Heim in der ehemaligen Morizschule, und es war laut: Gespräche, Gelächter, Geklapper. Am Montagabend hatte das Rottenburger „Repair-Café“ zum ersten Mal geöffnet, und erst in der zweiten Stunde ließ der Andrang soweit nach, dass man sich ungehindert zwischen den Tischen bewegen konnte.

Die meisten Leute kamen mit kaputten Elektrogeräten: Wasserkocher, ein Computer-Monitor, ein Staubsauger. An den Elektro-Tischen gab es eine richtige Warteliste. Zur Überbrückung konnte man einen Kuchen essen oder eine Suppe schlürfen. Bei den anderen Gewerken kam man schneller dran. Ein Schreiner stand zwar bereit, aber ohne passende Ausrüstung. „Nur zum Nähen kam niemand“, wunderte sich Anke Hüsken von der Volkshochschule, eine der Organisator(inn)en.

Die angehende Erzieherin Marlene Kaiser hatte ihr altes Fahrrad mitgebracht. Selbst reparieren könne sie es nicht, sagte sie, im Bekanntenkreis könne ihr auch niemand helfen, und einen professionellen Fahrradmechaniker könne sie sich nicht leisten. Gleich drei ehrenamtliche Reparateure kümmerten sich darum. Bald waren der Plattfuß geflickt und die wichtigsten Teile gefettet und geölt. „Ich soll jetzt ein paar Ersatzteile kaufen und dann nochmal kommen“, erfuhr Kaiser.

Einer der Fahrrad-Experten war der Wurmlinger Andreas Niggel, der auch beim monatlichen Repair-Café im Tübinger Werk-stadthaus aushilft. Dort hat sich das nicht-kommerzielle Angebot längst etabliert, in Entringen ist es jetzt angelaufen, in Rottenburg ist es noch ganz neu. Etliche Leute kamen auch einfach so, um sich das Ganze mal anzuschauen.

Das Tübinger Werkstadthaus sei besser mit Werkzeug und Ersatzteilen ausgerüstet, sagte Niggel. Die Rottenburger Reparateure brachten am Montag ihr Werkzeug jeweils selbst mit. Nun wollen sie zumindest einen Montage-Ständer fürs Fahrrad-Reparieren anschaffen.

Hubert Wilke hatte seine alte Brotschneidemaschine mitgebracht. Sie ging nicht mehr. Rudolf Feth nahm sie auseinander, ohne Erfolg. Auch der Wasserkocher von Verena Glöggler-Wehinger war ein hoffnungsloser Fall. „Jetzt kann ich ihn wenigstens mit gutem Gewissen wegschmeißen“, sagte sie lachend. Bei einem CD-Player dagegen half schon eine gründliche Reinigung, und bei einer Kaffee-Mühle musste man nur ein loses Kabel wieder anlöten.

Mehr als zwei Dutzend so genannte Laufzettel gab Anke Hüsken am Eingang aus. Dort konnte man sich mit Name, Adresse und Fehlerbeschreibung eintragen. Nach getaner Arbeit notierte der jeweilige Reparateur (es waren fast ausschließlich Männer, viele im Rentenalter), ob er den Schaden beheben konnte, welche Ersatzteile fehlen oder ob eine Reparatur unmöglich erscheint. Oder er kreuzte eine Warnung an:
„Dieses Gerät darf nicht mehr benutzt werden.“

Repair-Cafés haben eigentlich den Anspruch, dass die Besucher/innen selbst lernen, wie man kaputte Dinge repariert. In der Praxis ist dies manchmal kaum möglich, gab Hans-Joachim Rosner vom Rottenburger BUND zu. Aber es gebe noch einen anderen Aspekt: Den Austausch der Reparateure untereinander. Auch er selbst habe an dem Abend wieder einiges Neues über das Fahrrad-Reparieren gelernt.

Am Kuchentisch und am Ausgang standen Spendengläser. Nach zwei Stunden waren sie gut gefüllt. Wenn der Andrang anhält, braucht das Café allerdings dringend größere Räume.

Almut Deus hatte eine gefühlt 100 Jahre alte und 10 Kilo schwere AEG- Schreibmaschine mitgebracht: „Da geht gar nix mehr.“ Mit Teamwork „und viel Gefummel“ war sie nach einer halben Stunde wieder einsatzbereit.

Almut Deus hatte eine gefühlt 100 Jahre alte und 10 Kilo schwere AEG- Schreibmaschine mitgebracht: „Da geht gar nix mehr.“ Mit Teamwork „und viel Gefummel“ war sie nach einer halben Stunde wieder einsatzbereit.

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Erstellt:
20.03.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 31sec
zuletzt aktualisiert: 20.03.2019, 01:00 Uhr

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