Krankheiten

Rasanter Anstieg von Keuchhustenfällen: „Nestschutz“

Säuglingen macht die Kinderkrankheit Keuchhusten gerade schwer zu schaffen. Für sie kann eine Infektion tödlich ausgehen. Kinderärzte empfehlen einen „Nestschutz“.

22.05.2024

Von dpa

Ein Arzt trägt ein Stethoskop um den Hals. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/Symbolbild

Ein Arzt trägt ein Stethoskop um den Hals. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/Symbolbild

Der Keuchhusten ist in Baden-Württemberg auf dem Vormarsch. Anders als bei anderen Kinderkrankheiten wie Masern oder Röteln ist die Entwicklung bei dieser Tröpfcheninfektion alarmierend. Das Landesgesundheitsamt (LGA) spricht angesichts von 2500 Fällen im Land von einer Epidemie. „Das ist der höchste seit Beginn der Meldepflicht 2013 zwischen Januar und Anfang März gemessene Wert“, erläuterte LGA-Abteilungsleiter Stefan Brockmann. Dagegen lagen zwischen 2016 und 2019 die Infektionszahlen im Vergleichszeitraum zwischen 700 und 1200. Im Jahr 2023 waren es nur 29 Fälle.

Bei Jugendlichen und Erwachsenen wie auch bei vielen geimpften Kindern verläuft eine Keuchhusten-Erkrankung oftmals lediglich als lang andauernder Husten. Hingegen ist der wegen nachlassender Immunität der Bevölkerung virulente Pertussis-Erreger für Säuglinge lebensbedrohlich; sie können den Schleim nicht abhusten, was zu Atemnot und schließlich zum Ersticken führen kann.

Das Landesgesundheitsamt zählt bislang 122 Fälle bei Unter-Einjährigen und 251 bei Ein- bis Vierjährigen. Der Reutlinger Kinderarzt Till Reckert empfiehlt deshalb schwangeren Frauen, sich impfen zu lassen, um den Neugeborenen einen gewissen „Nestschutz“ zu gewähren, bis sie selbst geimpft werden können. Zwei Drittel der infizierten Babys müssten im Krankenhaus behandelt werden. Da die Impfung teilweise nur die Symptomschwere verringert und Keuchhusten auch bei Geimpften nicht ganz ausgeschlossen werden kann, gilt eine Abstandsempfehlung für möglicherweise und nachweislich Infizierte, insbesondere gegenüber Neugeborenen auch für Geimpfte.

Bisher kein Todesfall gemeldet

In der Gruppe der Fünf- bis Neunjährigen gibt es nach LGA-Auskunft 370 Pertussis-Fälle, bei den 10- bis 19-Jährigen 1209. Die Inzidenz der Krankheit liegt bei den Babys mit 108,2 am höchsten. Das heißt laut LGA, jedes tausendste Kind im Alter bis zu einem Jahr in Baden-Württemberg hat dieses Jahr einen im Labor bestätigten Keuchhustennachweis. Ein Todesfall war in diesem Jahr noch nicht verzeichnet. Zuvor habe es vereinzelte Fälle gegeben, so Brockmann.

Auch wenn die Inzidenz bei Erwachsenen niedriger ist, treten inzwischen rund 60 Prozent aller Erkrankungen bei Menschen über 18 Jahren auf, weil sie Appelle für Auffrischimpfungen ignorierten, teilt das Robert Koch-Institut für Gesundheitsschutz mit. Übertragen wird der Erreger durch engen Kontakt mit einem infektiösen Menschen innerhalb eines Abstandes von bis zu einem Meter durch Husten, Niesen oder Sprechen.

Reckert, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte*innen in Baden-Württemberg, sieht auch einen Zusammenhang mit Covid-19. Die soziale Distanzierung in der Coronazeit habe ein sehr deutliches „Infektwellental“ erzeugt, auf das nun ein ebenso deutlicher „Infekttsunami“ folge. „Das ist bei eigentlich allen relevanten Infektionskrankheiten so. Da Keuchhusten eher weniger ansteckend ist, erfolgt dieser im Vergleich zu anderen Wellen mit etwas Zeitverzug.“

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Erstellt:
22.05.2024, 05:26 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 19sec
zuletzt aktualisiert: 22.05.2024, 05:26 Uhr

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