Gutenachtgeschichte

Premiere im grünen Saal von Bad Niedernau

Zwei Vorleserinnen entzückten im Bad Niedernauer Klostergarten 150 Gäste mit Unterhaltungsliteratur in schönem Ambiente.

08.08.2019

Von Andreas Straub

Normalerweise ist der Klostergarten der Armen Schulschwestern nicht öffentlich zugänglich, aber Ortsvorsteher Wolfgang Merz sorgte dafür, dass er für die Gutenachtgeschichte des TAGBLATTS am Dienstagabend geöffnet wurde. Bild: Andreas Straub

Normalerweise ist der Klostergarten der Armen Schulschwestern nicht öffentlich zugänglich, aber Ortsvorsteher Wolfgang Merz sorgte dafür, dass er für die Gutenachtgeschichte des TAGBLATTS am Dienstagabend geöffnet wurde. Bild: Andreas Straub

Der weitläufige, denkmalgeschützte Park mitten in Bad Niedernau füllte sich am Dienstagabend zur Gutenachtgeschichte des SCHWÄBISCHEN TAGBLATTs rasch. Einheimische und Auswärtige mussten sich zunächst orientieren, wo der Eingang ist. Denn normalerweise ist der Klostergarten der Armen Schulschwestern nicht öffentlich zugänglich. „Ich war hier noch nie drin“, sagte Martin Ruf aus Weiler, der in Bad Niedernau aufgewachsen ist. „Tolles Ambiente.“ Immer wieder mussten Bänke herbei geschafft werden, bis schließlich 150 Zuhörerinnen und Zuhörer Platz fanden.

Die Band sprang kurzfristig ersatzlos ab

Ortsvorsteher Wolfgang Merz hatte die Öffnung des Parks möglich gemacht und die Gutenachtgeschichte erstmals nach Bad Niedernau geholt. Er freute sich, dass der „grüne Saal“ trotz gleichzeitiger Konkurrenz in Rottenburg so voll wurde. Die Bewirtung übernahm der Förderverein für die geplante Halle bei der Grundschule. Zu dessen Gunsten gingen auch die im Hut gesammelten Spenden. Musik gab es keine. Die Band sei kurzfristig abgesprungen, berichtete Moderator Ulrich Janßen vom TAGBLATT. Ein Ersatz konnte so schnell nicht organisiert werden. Deshalb kam Musik in den Pausen aus Lautsprechern, was aber auch für entspannte Stimmung sorgte.

Alena Friedrich setzte sich als erste Vorleserin in den Ohrensessel. Sie trug den Anfang der bekannten Katzengeschichte „Nero Corleone“ von Elke Heidenreich vor. Der Bestseller ist schon 1995 erschienen und inzwischen in 23 Sprachen übersetzt. Die 35-jährige Friedrich lebt seit drei Jahren in Bad Niedernau und hat im Klostergarten geheiratet. Die Psychologin, die beim Tübinger Regierungspräsidium als Schulberaterin arbeitet, outete sich wenig überraschend als Katzenliebhaberin. Sie las recht flott. „Nero“ nennen sie den kleinen Kater auf dem italienischen Bauernhof, weil er ganz schwarz ist, nur mit einer weißen Vorderpfote. Nero fürchtet sich vor nichts und niemand, nicht einmal vor Robert und Isolde, dem deutschen Ehepaar, das in den Ferien das Häuschen auf dem Hügel bewohnt. Und weil er meint, das Zeug zu einem Chef zu haben, beschließt er, den Hof zu verlassen, um mit den beiden nach Köln am Rhein zu gehen. „Diese blonde Puppe wickle ich um den Finger“, sagt der Kater über seine künftige Besitzerin. Deren Mann ist zunächst weniger begeistert über den „niedlichen“ Besuch. Schön las Friedrich vor, wie es dem Kater mit frischer Milch und Fleischwurst gut geht. Die mühsame, lange Reise im Auto, an sich ein Highlight, hätte sie etwas eindringlicher vortragen können. Insgesamt gefiel die Geschichte und es gab viel Applaus.

Auf Kater ‚Nero Corleone‘ folgte Ken Follet

Nach einer Pause trug Silvia Grote eine Geschichte aus „Sturz der Titanen“ von Ken Follett vor. Das Buch ist Teil der sogenannten Jahrhundert-Trilogie, einem weltweiten Bestseller. Die 37-jährige Vorleserin kommt aus Bad Niedernau, hat aber sieben Jahre in München gelebt. Inzwischen ist die Apothekerin in ihren Heimatort zurück gekehrt und arbeitet als Gesundheitsplanerin im Landratsamt. „Ich lese gerne Romane mit historischem Hintergrund“, sagte Grote. „Den Follett kann man nicht mehr aus der Hand legen.“

Sie trug daraus die Geschichte des 13-jährigen Billy vor, der 1911 in einem Kohlebergwerk in Südwales seine erste Schicht unter Tage antritt. Plastisch werden das Leben in der Zeche und die Gefahren geschildert. Vor allem die Angst des gläubigen Jungen brachte Grote gut zum Ausdruck, wenngleich man manchmal den Eindruck hatte, sie sei eher das Vorlesen für Kinder gewöhnt. Billy, dessen Vater Gewerkschafter im Kohlebergwerk ist, will sich vor allem nicht vor seinen neuen Kollegen blamieren. An einem Korb geht es am Stahlseil nach unten.

Die Luft in der Tiefe ist schlecht, und gleich am Anfang muss sich Billy vor einer herbeirasenden Grubenbahn in eine Ausmuldung in der Wand retten. Sein Einweiser spielt ihm böse Streiche, lässt ihn ohne Licht eine sinnlose Schaufelarbeit in einem verlassenen Teil der Grube machen. Ein Schaudern ging durchs Publikum, als Grote vorlas, wie dem Jungen die Ratten über die Füße laufen. Aber der gläubige Billy arbeitet im Dunkeln weiter und singt Choräle. Als er am Ende der Schicht gefragt wird, wie es ihm ergangen sei, gibt er zu: schlecht. Aber er sei nicht alleine gewesen. Jesus sei bei ihm gewesen. Seither nennen die Kollegen ihn „Billy with Jesus“. Eine schöne, in sich geschlossene Episode, die das Publikum kräftig beklatschte.

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Erstellt:
08.08.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 08.08.2019, 01:00 Uhr

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