B 464 sollte blockiert werden

Polizei unterbindet Protest der „Letzten Generation“ in Reutlingen

Die Südwest-Gruppe der Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ startete am Montagmorgen eine Protestaktion an der Reutlinger Stadthalle – doch die Polizei griff sofort ein.

06.02.2023

Von Thomas de Marco

Die Polizei entfernt die Aktivisten von der Straße. Bild: Ulmer

Die Polizei entfernt die Aktivisten von der Straße. Bild: Ulmer

Gründlich misslungen ist am Montagmorgen eine Protestaktion von Klima-Aktivisten in Reutlingen: Bevor sich Mitglieder der Gruppe „Letzte Generation“ auf den Fußgängerüberweg beim AOK-Knoten setzen und damit die Ortsdurchfahrt blockieren konnten, hat die Polizei eingegriffen. Dabei waren rund 30 Beamte in Zivil schneller als der Sekundenkleber. Eine halbe Stunde später wird der Verkehr dann doch noch für fünf Minuten unterbrochen.

Kurz vor 8 Uhr treffen sich sieben Männer beim Parkplatz hinter der Stadthalle. Einer sagt: „Also, dann kann es losgehen“ und die Aktivisten laufen über die Brücke bei der Eichendorff-Realschule zur anderen Straßenseite. Während sie sich dort der Kreuzung nähern, herrscht überall rundherum hektischer Funkverkehr: Überall koordinieren Polizeibeamte in Zivil ihren Einsatz.

Dann, als die Aktivisten aus Reutlingen, Nürtingen und Stuttgart den Fußgängerüberweg erreichen und einige sich auf die Straße setzen wollen, rennen die Beamten von allen Seiten auf die kleine Gruppe los, rufen „halt, Polizei!“ und ziehen die Männer von der Straße. Und zwar so schnell, dass keiner sich noch festkleben kann. Mit ihrer bestens vorbereiteten Blitzaktion setzen sie die Männer auf der Verkehrsinsel fest.

Währenddessen kommt Reutlingens Ordnungsamtsleiter Albert Keppler zum AOK-Knoten. Auf die Frage, wieso die Polizei so schnell vor Ort war, sagt er: „Die Gruppe hatte Reutlinger Stadträte angeschrieben und angekündigt, dass die Protestaktionen auf ganz Deutschland ausgedehnt würde und am Montag auch eine friedliche Aktion in Reutlingen geplant sei“, sagt der Ordnungsamtsleiter. Bei der Stadt selbst sei kein solches Schreiben eingegangen, sie sei aber von Stadträten informiert worden.

Polizisten in Zivil greifen schnell ein und verhindern am Montagmorgen die Blockade der Reutlinger Ortsdurchfahrt. Bild: Horst Haas

Polizisten in Zivil greifen schnell ein und verhindern am Montagmorgen die Blockade der Reutlinger Ortsdurchfahrt. Bild: Horst Haas

Die „Letzte Generation“ hatte im Vorfeld angekündigt, die friedliche Störaktion in Reutlingen sei der Auftakt von Protestaktionen in Städten im gesamten Bundesgebiet. Als Bürgerinnen und Bürger, die erkannt hätten, dass sie Teil der letzten Generation vor den Kipppunkten seien, „fordern wir die Abgeordneten des Bundestags auf, einen Gesellschaftsrat einzuberufen. Denn die Bundesregierung kommt ihrer verfassungsmäßigen Pflicht, unsere Lebensgrundlagen, Freiheit und Demokratie zu schützen, nicht nach.“

Die Stadt habe sich dann im Vorfeld überlegt, welche neuralgischen Stellen in der Stadt dafür in Frage kommen würden, und sei auf diese Stelle gekommen. Dann wäre die Polizei informiert worden. „Offenbar haben die Aktivisten die gleiche Auffassung von Verkehrskonzept wie wir“, sagt Keppler.

Die Beamten waren bestens vorbereitet. Bild: Ulmer

Die Beamten waren bestens vorbereitet. Bild: Ulmer

Derweil sitzen die Männer, die eigentlich die Straße haben blockieren wollen, am AOK-Knoten auf der Verkehrsinsel fest zwischen den vier Spuren, die einmal in die Innenstadt und in anderer Richtung nach Tübingen führen. Einer der Aktivisten ist auf dem Gehweg geblieben, steht vor der AOK, und sagt immer wieder zu den Polizisten: „Sie haben aber gesehen, dass die Leute bei Grün über die Straße gegangen sind?“ Irgendwann sagt einer der Beamten, er solle es gut sein lassen.

Nun treffen auch informierte Beamte ein. Während die Aktivisten bedröppelt auf der Verkehrsinseln festsitzen und ihre Personalien angeben müssen, ziehen die Beamten in Zivil wieder ab. Hochzufrieden: „Das war sensationell!“, sagt einer mit einer Wollmütze.

Gegen 8.30 Uhr schaffen es dann doch noch zwei Aktivisten, sich auf die Straße zu setzen. Die Polizei hält eine Ansprache – und als sie den Platz nicht räumen, werden sie weggetragen. „Um 8.35 Uhr war der Verkehr wieder frei“, sagt Pressesprecher Martin Raff von der Polizei. Nun werde wegen des Straftatbestands der Nötigung ermittelt, sagt Raff.

Fliegende Aktivistin hat Vortrag in Reutlingen gehalten

Die „Letzte Generation“ war in der vergangenen Woche erneut heftigem Gegenwind ausgesetzt: So war ein Paar der Gruppe nicht vor dem Stuttgarter Gericht erschienen, wo sie sich wegen einer Blockade in Stuttgart verantworten sollten. Grund für die Abwesenheit: Die beiden waren nach Asien geflogen. Laut „Reutlinger Nachrichten“ hatte die junge Frau im September vergangenes Jahr noch einen Vortrag im Reutlinger „Haus der Jugend gehalten“. Im Vorfeld hatte die Zeitung mit ihr ein Interview geführt, in dem sie als eine der Maßnahmen, die jeder für den Klimaschutz ergreifen könne, nannte: keine Flugreisen. Als ihr Flug bekanntgeworden war, hatte eine Erklärung der Gruppe für Empörung gesorgt: Die beiden seien nicht als Klima-Aktivisten, sondern als Privatleute geflogen.

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Erstellt:
06.02.2023, 08:42 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 06.02.2023, 08:42 Uhr

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