Statistik des Polizeipräsidiums Reutlingen

Polizei: In der Pandemie die niedrigsten Einbruchszahlen seit 36 Jahren

Die Polizei hat am Vormittag ihre Kriminalstatistik für das Jahr 2020 herausgegeben. Die Zahl der bearbeiteten Fälle sank bei manchen Delikten deutlich – die Corona-Maßnahmen verhinderten mit ihren drastischen Einschränkungen manche Gelegenheit für Diebe und Einbrecher.

18.03.2021

Von Jonas Bleeser

Symbolbild: Dan Race - Fotolia.com

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Für das gesamte Gebiet des Polizeipräsidiums Reutlingen, das die Kreise Esslingen (mit dem Flughafen Stuttgart), Reutlingen, Tübingen und dem Zollernalbkreis umfasst, meldet die Polizei erneut weniger Straftaten als im Landesschnitt. Um die Belastung durch Straftaten für verschiedene Regionen vergleichbar zu machen, errechnen die Statistiker der Polizei eine eigene Kennziffer auf 100.000 Einwohner: Die sogenannte Häufigkeitszahl. Sie lag 2020 im Präsidiumsbereich bei 4.021Straftaten pro 100.000 Einwohner (2019: 4.471) und damit besser als im Land insgesamt (BW: 4.852).

Insgesamt registrierte das Präsidium 2020 49.867Straftaten, das entspricht im Vorjahresvergleich einem Rückgang um über neun Prozent (2019: 5 5.301) und somit der niedrigsten Fallzahl seit über 16 Jahren.

Das lag vor allem an den Rückgängen bei Diebstählen und Betrügereien. Die Zahl der Wohnungseinbrüche sank auf einen historischen Tiefstand. Sie sanken um 35 Prozent auf 456 Fälle – in einem Gebiet mit über 1,24 Millionen Einwohnern. Dies entspricht der präsidiumsweit niedrigsten Fallzahl seit 36 Jahren.

Die Aufklärungsquote stieg um 3,6 Punkte auf nunmehr 60,8 Prozent.

Entgegen allgemeiner Erwartung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und der landesweiten Entwicklung wuchsen die Fälle häuslicher Gewalt im Bereich des PP Reutlingen nicht an, sondern verringerten sich um 13,4 Prozent, von 1.128 (2019) auf 977 Straftaten. Allerdings spiegelt die Statistik nur die angezeigten Fälle wider.

Die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen war auch im vergangenen Jahr mit 8.899 (2019: 9.705) weiter rückläufig. Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen verringerte sich auf 39,9 Prozent (2019: 41,2). Ohne die Verstöße gegen das Aufenthalts -, Asylgesetz oder Freizügigkeitsgesetz EU, die fast ausschließlich nur von Ausländern begangen werden können, ist ein Rückgang der Tatverdächtigenzahlen bei Nichtdeutschen um drei Prozent auf 7.655 (2019: 7.839) festzustellen. Damit sind diese Zahlen im dritten Jahr in Folge rückläufig.

Auch die Zahlen der tatverdächtigen Flüchtlinge (ohne Verstöße gegen das Aufenthalts-, Asylgesetz bzw. dem Freizügigkeitsgesetz EU) sind rückläufig. Deren Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr um 5,5 Prozent auf insgesamt 1.855 (2019: 1.963) gesunken. Dies entspricht einem Anteil von 8,8 Prozent aller Tatverdächtigen (2019: 9,0 Prozent).

Diebstahlsdelikte bilden mit 12.105Fällen (2019: 14.318) nach wie vor den Großteil aller registrierten Straftaten, haben aber im Vorjahresvergleich um über 15 Prozent abgenommen. Beim Wohnungseinbruchsdiebstahlreduzierte sich die Zahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent auf 456 Straftaten (2019: 702). „Diese erfreuliche Entwicklung wurde natürlich auch durch die Corona-Pandemie beeinflusst. Die Bürgerinnen und Bürger waren mehr zu Hause, was die Tatgelegenheiten deutlich reduziert hat“, so Polizeipräsident Udo Vogel. Man werde in den Anstrengungen bei der Verfolgung der Täter aber nicht nachlassen: „Neben repressiven Maßnahmen und einem hohen Verfolgungsdruck, setzen wir aber auch auf Prävention. In knapp über der Hälfte aller Fälle gelang es den Tätern nicht, in die Wohnung einzudringen oder etwas zu stehlen. Daran zeigt sich, wie wichtig eine wachsame Nachbarschaft und technischer Einbruchsschutz sind. Die Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle des Polizeipräsidiums Reutlingen bietet hier kostenlose Beratungen an“, so Vogel weiter.

Bei den Betrugsdelikten bildete auch im vergangenen Jahr die Bekämpfung des sogenannten „Callcenter- bzw.Telefonbetrugs“ einen polizeilichen Handlungsschwerpunkt. Bei diesem bundesweiten Kriminalitätsphänomen werden massenhaft gezielt ältere Menschen von Kriminellen angerufen, die sich als Polizeibeamte, verdeckte Ermittler oder auch als Staatsanwälte ausgeben und mittels einer konstruierten Lügengeschichte versuchen, an Geld oder Wertsachen der Angerufenen zu gelangen. Dabei werden die Angst vieler Senioren vor Einbrechern und das hohe Vertrauen in die Polizei schamlos ausgenutzt. Die Täter treten gewandt, sicher und bestimmt aber auch zunehmend aggressiv auf und vermitteln durch geschickte Gesprächsführung den Eindruck, dass ihre Opfer ins Visier von Einbrechern geraten sind und nun schnell handeln müssten. Zum Schutz ihres Eigentums werden die Opfer aufgefordert, ihre kompletten Wertsachen der „Polizei“ zu übergeben. Auch der seit Jahren erfolgreiche Enkeltrickbetrug und die Masche mit angeblich hohen Lotteriegewinnen wird weiter erfolgreich angewendet. Dadurch entstand im vergangenen Jahr ein Gesamtschaden von über 2,2 Millionen Euro (2019: knapp 1,6 Millionen Euro).

Obwohl die allermeisten Angerufenen den Betrugsversuch erkennen, finden die Täter immer noch Opfer.

Die Polizei klärt weiter auf: Bankmitarbeiter fragen beim Abheben höherer Geldbeträge bei Senioren nach, in Apotheken wird ebenso über die Maschen informiert wie auf Bäckertüten. „Die Eindämmung dieser perfiden Straftaten hat beim Polizeipräsidium Reutlingen eine hohe Priorität. Die Polizei wird nie bei Ihnen anrufen, um Sie über Ihr Vermögen auszufragen oder Sie zur Übergabe von Geld oder Vermögenswerten auffordern. Bitte legen Sie bei solchen Anrufen sofort auf und wählen sie unter 110 den Polizeinotruf!“, appelliert Polizeipräsident Vogel.

Die Straßenkriminalität ist im dritten Jahr in Folge rückläufig. Die Zahlen belaufen sich auf insgesamt 7.089 Fälle (2019: 8.402), was einen Rückgang um 1.313 Fälle bzw. 15,6 Prozent ausmacht. Die ebenfalls die Bevölkerung stark beunruhigenden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind entgegen der landesweiten Entwicklung 2020 um nochmals fast fünf Prozent auf insgesamt 826 (2019: 869) gesunken. Bei den Sexuellen Belästigungen fiel der Rückgang mit 20,8 Prozent deutlicher aus. Sie sanken um 37 von 178 (2019) auf 141 Straftaten.

Bei den Straftaten gegen das Leben wurde mit insgesamt 55 Fällen ein Fünfjahreshoch erreicht. Zwölf Delikte mehr als im Vorjahr (43) bedeuteten eine Zunahme um 27,9 Prozent. Von den 55 Tötungsdelikten (darunter insbesondere 15 Fälle des Mordes, 28 Totschlagsdelikte, acht Fahrlässige Tötungen) wurden 16 vollendet. Über 90 Prozent der Fälle konnten aufgeklärt werden.

Seit Jahren erstmals leicht rückläufig sind die Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte. Im Vergleich zum Vorjahr (466 Fälle) wurden im Jahr 2020 mit 446 insgesamt 20 Fälle weniger (-4,3 Prozent) erfasst, somit verharren die Fallzahlen weiter auf hohem Niveau. Bei der Aufklärungsquote von 99,6 Prozent konnten bis auf zwei Fälle alle Taten geklärt werden. Vogel: „ Tätliche Angriffe auf unsere Kolleginnen und Kollegen sind Angriffe auf den Rechtsstaat und auf unsere Gesellschaft. Hiergegen gehen wir entschieden vor und werden auch künftig alle Straftaten konsequent zur Anzeige bringen – dies gilt auch für Übergriffe auf Rettungskräfte, Ordnungsdienste der Kommunen und Feuerwehrleute. Wer sich tagtäglich für die Gesundheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzt, verdient Respekt und Anerkennung.“

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Erstellt:
18.03.2021, 12:10 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 12sec
zuletzt aktualisiert: 18.03.2021, 12:10 Uhr

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