Kreis Tübingen · Corona

Plädoyer für stabile Hilfen

Soziale Einrichtungen befürchten wegen der angespannten kommunalen Haushalte Verschlechterungen für die soziale Infrastruktur und laden im Herbst zum „Seitenwechsel“ ein.

11.08.2020

Von ST

Die Vorgaben zum Gesundheitsschutz und die Kontaktbeschränkungen stellten Fachkräfte und Zielgruppen der Sozialen Arbeit in den letzten Monaten vor große Herausforderungen. Eine kleine Umfrage im Juli 2020 unter den zirka 60 Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands im Landkreis Tübingen zeigt, was viele soziale Einrichtungen aktuell umtreibt.

Trotz vieler Herausforderungen konnten die meisten Einrichtungen die letzten Monate gut meistern. Mit großer Flexibilität und hohem Einsatz waren die Fachkräfte für ihre Zielgruppen weiter da. Mehr als deutlich wurde, dass Betreuung, Beratung, Lebenshilfe und Beistand unbedingt auf Beziehungsarbeit angewiesen sind und nur sehr begrenzt aus der Distanz erfolgen können. Dort, wo es möglich war, wurden Angebote digital weitergeführt und in kürzester Zeit von den sozialen Trägern die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen geschaffen.

„Unsere Adressatinnen und Adressaten brauchen vor allem aber Möglichkeiten der persönlichen Begegnung. Die letzten Monate haben teils zu erheblichen neuen Belastungen bei den Zielgruppen geführt, die es aufzufangen gilt“, so die Rückmeldung aus einer Beratungsstelle. Vielfach wurde deshalb unter erschwerten Bedingungen des Hygieneschutzes die direkte Kontaktarbeit zum Beispiel in der aufsuchenden Familienhilfe, im Kinderschutz oder der Begleitung und Versorgung psychisch kranker Menschen weitergeführt. „Es ist beeindruckend, was in diesen Arbeitsfeldern von den Fachkräften mit einer großen Selbstverständlichkeit, in der öffentlichen Wahrnehmung aber fast unbemerkt geleistet wurde und wird“, so Andreas Karl Gschwind, Leiter der Paritätischen Regionalgeschäftsstelle Neckar-Alb.

Viele soziale Träger und Vereine befürchten – so das Stimmungsbild der Umfrage – , in den anstehenden Haushaltsberatungen mögliche Kürzungen und damit eine weitere Ausgrenzung für ohnehin benachteiligte Menschen mit Unterstützungsbedarf. Fast alle sind auf Zuschüsse der Kommunen und des Landkreises angewiesen, um den Erhalt der sozialen Infrastruktur zu sichern.

„Die psychosozialen Hilfen sind wichtig, um das gesellschaftliche Leben stabil zu halten, um als Auffangnetz für Bedürftige da zu sein, zum Beispiel auch für viele Familien, die beschädigt aus der Krise herausgehen, die psychisch belastet sind, die viel Angst haben“, sagt Hans Köpfle, Mitglied im Kreisvorstand des Paritätischen und Leiter der Tübinger Drogenhilfe des bwlv.

Der Paritätische Kreisverband legt daher im Herbst die Aktion „Seitenwechsel“ erneut auf, die bereits im Vorfeld der letzten Kommunalwahlen erfolgreich war. Mit der Aktion erhalten Kommunalpolitikerinnen und -politiker die Gelegenheit, in sozialen Einrichtungen zu hospitieren, um sich vom gesellschaftlichen Wert der Leistungen zu überzeugen und direkt mit den Fachkräften und Adressaten ins Gespräch zu kommen.

Es müsse klar sein, so Matthias Hamberger, Vorstand des Paritätischen Kreisverbands, „dass kurzsichtige Sparmaßnahmen bei den sogenannten Freiwilligkeitsleistungen nicht nur Investitionen der Vergangenheit entwerten, sondern vor allem zwei bis dreimal höhere Kosten in Form von Pflichtleistungen für die Haushalte und die Gesellschaft in der Zukunft bedeutet.

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Erstellt:
11.08.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 23sec
zuletzt aktualisiert: 11.08.2020, 01:00 Uhr

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