Lot, Akku, Asbest und Satire - das ganze Podium als Video
OB-Kandidaten auf dem Prüfstand beim TAGBLATT-Podium
Ein Lot, ein Akku, ein Huhn mit Einhorn und ein Stückchen Abriss-Sünde: Am Montagabend war Phantasie gefragt bei der Kandidatin und den drei Kandidaten fürs Tübinger Oberbürgermeister-Amt. Der Andrang zum TAGBLATT-Wahlpodium im Kreissparkassen-Carré war groß. Die 520 Sitzplätze reichten nicht aus.
Tübingen. Sie war nur zur Vorstellung der Kandidaten gedacht, aber schon in der ersten Fragerunde lag Angriffsstimmung in der Luft. Sie wolle sich zu „hundert Prozent“ für Tübingen einsetzen, sagte Beatrice Soltys, und fügte als Seitenhieb in Richtung Boris Palmer hinzu: „Ich mache keinen Talkshow-Tourismus.“ Der TAGBLATT-Chefredakteur Gernot Stegert hatte die 48-jährige Baubürgermeisterin von Fellbach als Erste aufs Podium gebeten.
Um die Unentschlossenen im Publikum von sich als Oberbürgermeisterin zu überzeugen, hatte die Architektin mit Maurerlehre Handwerkszeug dabei: ein Maurer-Lot, mit dem sie für Tübingen „alles ins Lot bringen“ will, eine Kelle, um damit ein „solides Fundament für die Stadt“ zu bauen, einen Hammer, „um die Steine festzuklopfen“, und einen Meterstab. Der ist für die parteilose Soltys Symbol für „Arbeit nach Augenmaß“. Außerdem versprach die leidenschaftliche Rennradfahrerin, dass sie als OB „die Seele der Stadt wieder entwickeln wolle“.
Boris Palmer, den die TAGBLATT-Redakteurin Sabine Lohr als Zweiten befragte, sparte sich eine Retourkutsche. Der 42-Jährige, der vor acht Jahren seine Vorgängerin Brigitte Russ-Scherer im ersten Wahlgang mit 50,4 Prozent geschlagen hatte, verließ sich darauf, mit dem zu punkten, was er für Tübingen schon erreicht hat und weiter erreichen will. Als Symbol für „die Revolution des Stadtverkehrs“ hielt er den Akku seines Dienst-Pedelecs in Händen – entwickelt von der Firma Bosch, und zwar im Tübinger Teil des interkommunalen Technologieparks, wie Palmer betonte. Er wolle weiter an seinem Ziel arbeiten, einer „umweltfreundlichen Mobilität, im Interesse von Tübingen“.
Es habe „durchaus Angebote“ gegeben. Aber er wolle „aus Tübingen nicht weg“, versprach der frühere Landtagsabgeordnete der Grünen. Es gebe noch zu viele Projekte, die er weiterbringen wolle. „Ich laufe nicht vom halbaufgegessenen Tisch weg“, so Palmer.
Häns Dämpf, der eigentlich Markus Vogt heißt und jetzt für die Satire-Partei „Die Partei“ in den Tübinger Gemeinderat gewählt wurde, hatte ein Huhn dabei. Schließlich ist der 29-Jährige auch Mitglied im Tübinger Stammtisch „Unser Huhn“. Aus dem Bauch des Gummitiers zog er ein weiteres Tierchen – ein Baby-Einhorn. Das solle „für eine Zukunft mit Zukunft stehen“, flachste Vogt. Die Frage, ob sich Satire ins Amt transformieren lasse, bejahte Vogt. Das sehe man schon an „der Politik in den letzten 20 Jahren“.
Den unscheinbarsten Gegenstand hatte Hermann Saßmannshausen mitgebracht: ein winziges Stück des abgerissenen Hauses Mühlstraße 3. Es sei voller Asbest, sagte der 57-Jährige, und beweise, dass die Stadt den Schutt nicht ordentlich entsorgt habe. Den Abriss des Hauses mit der „einzigen vollfigürlichen Fassade mit Tübinger Motiven“, bezeichnete der Lagerist und Vorsitzender des Radsportverbands Achalm als „Kulturschande“. „Ich habe keine Angst vor irgendwas“, sagte Saßmannshausen. Für den Job als Automechaniker sei er zwar vielleicht nicht sofort geeignet. „Aber für diesen Beruf schon“, sagte er auf die Frage, ob er sich ohne Verwaltungserfahrung das Amt des Ob zutraue. Dass dafür nicht viel Qualifikation nötig sei, sehe man ja an „Herrn Palmer“.