Leitartikel

Nicht krisenfest

Eigentlich hat 2020 für Verbraucher Verbesserungen gebracht: Sie sparten einen Teil der Mehrwertsteuer, sie müssen bald keine Knebelverträge mehr zum Beispiel für Handys abschließen, und die Möglichkeit einer Musterklage hilft im Rechtsstreit gegen große Konzerne. Doch der millionenfache Ärger wegen ausgefallener (Flug-)Reisen machte diese positiven Effekte im Coronajahr zunichte.

04.01.2021

Von MICHAEL GABEL

Berlin. Kunden, die ihre Reise stornieren mussten und das dafür gezahlte Geld zurückerhalten wollten, machten eine ganz besondere Erfahrung: Ihr gutes Recht war nichts wert, denn sie wurden monatelang hingehalten – wenn überhaupt Geld kam. Damit hat sich der theoretisch gesetzlich gut verankerte Verbraucherschutz im konkreten Fall als nicht krisenfest erwiesen. Die Erfahrungen dieses Jahres sollten dabei helfen, es in Zukunft besser zu machen. Denn so kann es nicht bleiben.

Die Probleme gingen schon damit los, dass viele Unternehmen ihren Kunden weiszumachen versuchten, dass diese im Falle von Flugausfällen und coronabedingten Stornierungen nur zwei Möglichkeiten hätten: entweder umzubuchen oder sich Gutscheine ausstellen zu lassen. Viele Airlines und Reiseveranstalter fürchteten, bei einer Rückzahlungswelle in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten und hielten deshalb das Geld zurück. Den Schaden hatten aber in erster Linie die Kunden. Extrem verbraucherunfreundlich verhielten sich dabei mit der Lufthansa und TUI ausgerechnet zwei Branchenriesen, die vom Staat während der Krise mit Milliardensubventionen gepäppelt wurden.

Die Probleme im direkten Kontakt mit den Unternehmen zu lösen, erwies sich dabei in den meisten Fällen als schwierig. Natürlich war wegen der vielen Stornierungen der Andrang bei den Service-Hotlines und im Mailverkehr größer als sonst. Aber die Anbieter schienen wenig Interesse daran zu haben, die Engpässe in der Kommunikation zu beseitigen. Der Verdacht drängt sich auf, dass den Unternehmen die Probleme zupass kamen. Mancher Kunde kapitulierte angesichts der Endlos-Ansagen in Telefon-Warteschleifen.

Zwei Konsequenzen sollten deshalb dringend aus dem katastrophalen Reisejahr 2020 gezogen werden. Erstens sollten sich Airlines und Reiseanbieter verpflichten – oder per Gesetz dazu gezwungen werden – dass sie auf ihren Webseiten und in ihren Schreiben vollständig über Verbraucherrechte informieren. Das heißt: Der Hinweis, dass bei Stornierung infolge einer Reisewarnung ein Anspruch auf Erstattung des Reisepreises besteht, muss zwingend erfolgen. Zweitens muss man den Online-Anbietern Fristen vorgeben, in denen sie Beschwerden zu bearbeiten haben. Denn übermäßige Warterei ist für die Kunden nicht zumutbar.

Doch auch die Verbraucher sollten sich überlegen, ob sie Buchungen wirklich online oder nicht doch häufiger in einem Reisebüro ihres Vertrauens vornehmen wollen, wo sich manche Probleme vielleicht besser lösen lassen. Denn die günstigen Konditionen im Internet haben eben doch ihren Preis. Und der war 2020 für Reisekunden eindeutig zu hoch.

leitartikel@swp.de

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Erstellt:
04.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 11sec
zuletzt aktualisiert: 04.01.2021, 06:00 Uhr

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