Mit der Webcam Sprachbarrieren überwinden

Neues Flüchtlings-Projekt aus Tübingen bietet Dolmetscher für Ärzte und ihre Patienten

Wenn Flüchtlinge zum Arzt müssen, kann die Sprachbarriere zu Problemen führen. Die Schweriner Firma Arztkonsultation.de – mitbegründet von einem Tübinger – hat ein Projekt ins Leben gerufen, das Arztbesuche für Flüchtlinge vereinfachen soll: Flüchtlinge verstehen. Per Videokonferenz kann ein Übersetzer zugeschaltet werden.

17.06.2016

Von Lorenzo Zimmer

Clara Schlichtenberger, Projektleiterin von „Flüchtlinge verstehen“, simuliert eine Videokonferenz mit dem Übersetzer Amir Kakish in Köln. Geschäftsführer von Arztkonsultation.de Marc Mausch mimt den Patienten. Bild: Metz

Clara Schlichtenberger, Projektleiterin von „Flüchtlinge verstehen“, simuliert eine Videokonferenz mit dem Übersetzer Amir Kakish in Köln. Geschäftsführer von Arztkonsultation.de Marc Mausch mimt den Patienten. Bild: Metz

Tübingen. Per Videokonferenz Kontakt zu den Liebsten halten: Für Familien, die in Deutschland verteilt leben, oder für Studierende, die eine auswärtige Universität besuchen, ist das längst Alltag geworden. Auch bei Firmen sind aus den klassischen Telefonkonferenzen Videokonferenzen geworden. Jetzt hält die Internettelefonie auch zunehmend Einzug in den medizinischen Sektor.

Der Tübinger Marc Mausch ist Geschäftsführer von Arztkonsulation.de. Die Plattform bietet Ärzten die Möglichkeit, dem Gespräch mit dem Patienten einen Kollegen aus einem anderen Fachbereich über eine Videokonferenz zuzuschalten. Dafür wird keine besondere Software benötigt: „Die einzige technische Voraussetzung ist ein PC, Laptop oder Tablet mit Kamera und Internetzugang“, so Mausch.

Die Firma hat jetzt ein Nebenprojekt gegründet – mit Sitz in Tübingen. Es trägt den Namen „Flüchtlinge verstehen“ und verwendet die gleiche Software wie das Kerngeschäft der Firma: Über die eigens programmierte Software können Ärzte, die Flüchtlinge behandeln, Kontakt zu einem Dolmetscher herstellen. Der soll eine bessere Verständigung ermöglichen und so Diagnose und Therapie erleichtern: „Neben der Unterbringung ist die medizinische Betreuung eine der elementaren Aufgaben“, gibt Projektleiterin Clara Schlichtenberger zu bedenken. „Häufig stoßen engagierte Mitarbeiter dabei in der Behandlung von Flüchtlingen auf Sprachbarrieren.“

Die Anmeldung ist aus Sicht von Mausch ganz simpel und intuitiv: „Der Arzt meldet sich für den Dienst an und erhält einen Zugangscode“, erklärt der studierte Physiker. Über den Code kann er Kontakt zu den Übersetzern aufnehmen. Bei der Verbindung liegt für Mausch besonderes Augenmerk auf der Sicherheit: „Natürlich ist in diesem Themenbereich Vertraulichkeit und Diskretion sehr wichtig“, sagt Mausch. Keine Anrufe oder Inhalte werden gespeichert oder archiviert.

Die Politik reagiert auf die Entwicklungen in der medizinischen Branche: Ende 2015 wurde das sogenannte E-Health-Gesetz verabschiedet, das Rahmenbedingungen für die Digitalisierung des medizinischen Sektors schafft. Die medizinische Betreuung und Behandlung per Videokonferenz bekam eine Abrechnungsziffer: „Das sind für unseren Sektor natürlich gute Nachrichten gewesen“, so Mausch.

Die junge Start-up-Firma bietet den Übersetzungsdienst zunächst kostenlos an – in Tübingen haben sich bereits zwei niedergelassene Ärzte angemeldet. In ganz Deutschland sind es über 400. Mausch kann sich auch Kooperationen mit Gemeinden, Landkreisen oder Kliniken vorstellen. Das Projekt arbeitet mit zwei Übersetzerbüros zusammen – eins in Köln, das andere in Schwerin. Zusammen bieten sie Übersetzungen in und aus 15 Sprachen an, darunter Arabisch, Russisch, Persisch oder Albanisch. Für die Finanzierung der Dolmetscher zahlt derzeit die Mutterfirma Arztkonsulation.de – sie erhält finanzielle Unterstützung von der Bertelsmann-Stiftung.

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Erstellt:
17.06.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 16sec
zuletzt aktualisiert: 17.06.2016, 01:00 Uhr

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