Extremismus

Nach Wasen-Prozess: Antifa will „aktiv bleiben“

Nach dem sogenannten Wasen-Prozess blickt der Verfassungsschutz mit Sorge auf die Szene in Stuttgart.

26.10.2021

Von Theo Westermann

Sympathisanten der linken Szene demonstrierten am 13. Oktober vor der Urteilsverkündung gegen zwei Männer vor dem Gerichtsgebäude in Stuttgart-Stammheim für die Freilassung der Angeklagten.

Sympathisanten der linken Szene demonstrierten am 13. Oktober vor der Urteilsverkündung gegen zwei Männer vor dem Gerichtsgebäude in Stuttgart-Stammheim für die Freilassung der Angeklagten.

Stuttgart. Ein verwüstetes Anwaltsbüro, Flaschen- und Böllerwürfe, verschmierte Fassaden: Die linksradikale und linksautonome Szene nimmt jüngste Gerichtsurteile gegen zwei Antifa-Aktivisten, aber auch weitere Prozesse in Stuttgart gegen Angehörige der linksextremen Szene zum Anlass, um in Teilen gewaltsam zu protestieren – oder um ihnen missliebige Personen ins Visier zu nehmen. Bei Polizei und Verfassungsschutz wächst die Sorge.

Auf einer linksextremen Internetseite bekannte sich die Antifa zu einem Anschlag mit Buttersäure auf die Kanzlei des Anwalts und CDU-Landtagsabgeordneten Reinhard Löffler in der Nacht zum 22. Oktober.

Löffler hatte zwei der Opfer der Attacken von Antifa-Aktivisten auf Mitglieder der rechten Gruppierung „Zentrum Automobil“ vor Gericht als Nebenkläger vertreten. Bei dem Angriff im Mai 2020 war ein Mann lebensgefährlich verletzt worden. Am 13. Oktober verurteilte das Landgericht Stuttgart im „Wasen-Prozess“, benannt nach dem Tatort, zwei Antifa-Aktivisten zu mehrjährigen Haftstrafen. Seither ist die linksextreme Szene in Aufruhr: Bereits der Prozess war von Kundgebungen begleitet. Auch eine Demonstration am Samstag in Stuttgart wurde von Unterstützern angemeldet. 600 Personen kamen, es wurde Pyrotechnik gezündet, Flaschen und Farbbeutel flogen.

Nach der Demonstration hieß es auf einer Antifa-Seite: „Die Demonstration war ein Ausdruck als Antwort auf die Repression gegen die linke Bewegung.“ Dabei wird gedroht: „Wir haben das Urteil nicht vergessen und werden weiterhin aktiv bleiben.“ Bei der Stuttgarter Polizei laufen die Ermittlungen nach den Geschehnissen, auch in Sachen Anwaltskanzlei. Der „Wasen-Prozess“ und seine Folgen veranlasst zur Vorsicht: „Wir sind auf alles gewappnet, wenn die entsprechenden Erkenntnisse vorliegen“, so eine Polizeisprecherin.

Im Jahresbericht 2020 registrierte das Landesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Demonstrationen eine sinkende Hemmschwelle, was Gewalt gegen politisch Andersdenkende angeht. Speziell in Stuttgart wurde eine Zunahme linksradikaler Militanz verzeichnet. „Wer mit Flaschen aus einer Gruppe heraus auf Einsatzkräfte und Passanten wirft und damit Verletzungen in Kauf nimmt, begeht eine Straftat“, betonte Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Montag.

Ein Sprecher des Landesamts sagte: „Die aktuellen Reaktionen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene verdeutlichen, dass neben Sachbeschädigungen auch weiterhin ein ,militanter Antifaschismus’ befürwortet wird, der sich im Einzelfall auch gegen Personen richten kann, die dem ,politischen Gegner’ zugerechnet werden.“ Die Sachbeschädigungen seien im Rahmen der „solidarischen Prozessunterstützung“ der Szene zu sehen. Gleichzeitig schienen verstärkte polizeiliche Maßnahmen und eine konsequente Strafverfolgung Wirkung zu zeigen. Die Sorge der linksextremistischen Szene, dass sich bis zum Abschluss der Revision gewaltorientierte Aktionen zum Nachteil der beiden Verurteilten auswirken könnten, spreche eher gegen solche Aktionen, so der Sprecher weiter. Gänzlich auszuschließen seien sie aber nicht.

Unterschiede im Umgang mit Andersdenkenden

Die Verfassungsschützer in Baden-Württemberg beobachten, dass die Positionen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene in der Region Stuttgart und der dort agierenden linksextremistischen Gruppen nicht einheitlich sind, was die Anwendung und Legitimierung von Gewalt gegen politisch Andersdenkende anbelangt. In der Vergangenheit habe sich hier vor allem das gewaltorientierte linkextremistische Bündnis „Perspektive Kommunismus“ mit gewaltbefürwortenden Veröffentlichungen in Szenemedien hervorgetan, heißt es.

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Erstellt:
26.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 31sec
zuletzt aktualisiert: 26.10.2021, 06:00 Uhr

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