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Nach Squid-Game-Skandal: So können Eltern ihre Kinder vor Gewalt-Serien und -Filmen schützen

Blutige Gewaltszenen können Kinder verängstigen. Schutzeinstellungen auf Plattformen wie Netflix sind sinnvoll – doch sie allein reichen nicht.

13.11.2021

Von Yasmin Nalbantoglu

Zuletzt sorgte eine Netflix-Serie für einen Aufschrei unter Eltern. Kinder und Jugendliche sahen dort viel Gewalt. Symbolbild: BongkarnGraphic/shutterstock com

Zuletzt sorgte eine Netflix-Serie für einen Aufschrei unter Eltern. Kinder und Jugendliche sahen dort viel Gewalt. Symbolbild: BongkarnGraphic/shutterstock com

Ulm. Zwei Minuten und 41 Sekunden braucht Nora Bünger, um Eltern zu erklären, wie sie ihren Netflix-Account kindersicher einstellen. Anmelden. Profile verwalten. Kinderprofil erstellen. Schon ist der erste Schritt geschafft. Weiter zeigt die Medienpädagogin in dem Video, wie Altersfreigaben oder spezifische Filme oder Serien blockiert werden können.

Auf der Webseite medien-kindersicher.de gibt es zahlreiche Videos wie dieses. Eltern können hier beispielsweise auswählen, ob sie ein Smartphone oder einen Smart-TV einstellen möchten, ob sie die iOS-Software oder Android verwenden und letztlich, auf welcher Plattform sie die Sicherheitsvorkehrungen einstellen wollen. Warum es wichtig ist, bei Streaming-Plattformen kindersichere Einstellungen vorzunehmen, hat vor wenigen Wochen die koreanische Netflix-Serie „Squid Game“ gezeigt. Die gewaltvolle Handlung wurde von Kindern aufgegriffen und teils auf Schulhöfen und in Kitas nachgespielt.

Wie eine Studie aus dem Jahr 2020 ergeben hat, haben 44 Prozent der Haushalte, in denen 6- bis 13-Jährige leben, einen Streaming-Dienst abonniert. „Aber ein verschwindend geringer Teil nutzt technische Schutzmöglichkeiten und weiß überhaupt, dass es diese gibt“, sagt Bünger. Die Medienpädagogin ist verantwortlich für die Inhalte auf medien-kindersicher.de, eine Initiative der Medienanstalten aus Bremen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem ist die 26-Jährige bundesweit in Schulen als Referentin tätig.

„Inhalte, die nicht für Kinder und Jugendliche geeignet sind, können sie verstören, Alpträume verursachen und letztendlich die Entwicklung beeinflussen.“ Gerade bei Streaming-Diensten wie Netflix, Amazon Prime Video oder Disney Plus gebe es aber technische Vorkehrungen, mit denen Eltern ihre Kinder schützen können.

Väter und Mütter sollten laut Medienpädagogin dabei auf drei Dinge achten. Der erste Punkt: Inhalte für das richtige Alter des Kindes. Das kann durch ein Kinder-Profil, ein Dienst, den viele Streaming-Anbieter haben, festgelegt werden. Weiter sei es sinnvoll, einen Pin einzurichten. Mit dem Zahlencode wird verhindert, dass Kinder über die Profile ihrer Eltern Sendungen anschauen. „Das Kind kann auch versehentlich im Elternprofil landen.“

Diese technischen Funktionen bieten zwar den Rahmen für mehr Schutz für Minderjährige auf Streaming-Plattformen. Doch: „Die technischen Lösungen sind immer nur ein Teil. Sie können nicht ersetzen, dass Eltern auch Gespräche mit ihren Kindern führen, sie begleiten und fragen: Ist dir etwas begegnet?“, sagt Bünger. Denn auch die konsequentesten Einstellungen in einer App können das eigene Kind nicht gänzlich vor gewaltvollen und verstörenden Inhalten schützen.

Instagram, Youtube, Tik Tok und Messenger-Apps – auf all diesen Online-Plattformen begegnen Kinder Ausschnitte aus Serien und Filmen. Im Fall „Squid Game“, sagt Bünger, haben viele Kinder die Szenen gar nicht über Netflix, sondern über soziale Medien erreicht. Deshalb sei Kommunikation notwendig. „Oft erzählen mir Kinder, sie haben etwas Gruseliges gesehen, trauen sich aber nicht, es den Eltern zu sagen, aus Angst, dass die Medienzeit verboten wird.“

Gibt es also eine Sendung, die das Kind unbedingt ansehen möchte, mache es Sinn das Kind dabei zu begleiten und den Film gemeinsam anzusehen. „Für Eltern ist es dabei wichtig, nicht nur auf den Fernseher zu schauen, sondern auf das Kind.“ Hält sich die zehnjährige Tochter die Augen zu? Wird der siebenjährige Sohn plötzlich zappelig? Oder aber die sonst immer zappelige Elfjährige plötzlich ganz still? „Das können Anzeichen für Angst und Unruhe sein.“

Der richtige Schritt ist hier die Frage, ob man den Film überhaupt zu Ende schauen will. Möchte das Kind das Ende des Filmes sehen, so könne man es auf den Schoß nehmen. Eine Einheitslösung gibt es allerdings nicht. „Für jedes Kind ist es individuell. Es gibt Kinder, die können Filme ab zwölf schon mit zehn gucken und kommen gut damit klar. Dann gibt es Kinder, die sind 15 und man kann ihnen kein Film ab zwölf zeigen, weil es sie verstört.“

Vollständiger Schutz für Kinder und Jugendliche sei trotz allem also eine „Illusion“, ist sich Bünger sicher. „Es gibt keine perfekte Erziehung, und das betrifft auch das Medienthema. Ich empfehle, mit dem Kind auf Augenhöhe zu sein.“

Empfehlungen von Pädagogen

Die Altersempfehlungen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) werden aus Jugendschutzsicht getroffen, sagt Medienpädagogin Nora Bünger. Um eine pädagogische Empfehlung zu erhalten, empfiehlt sie Webseiten wie flimmo.de, ein Projekt des Vereins Programmberatung für Eltern. „Dort kann man Empfehlungen von Pädagogen sehen.“ Flimmo bewertet TV, Streaming, Kinofilme und Youtube.

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Erstellt:
13.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 13.11.2021, 06:00 Uhr

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