Katholische Kirche
Missverständnisse und Hürden
Wie umgehen mit der Frauenfrage? Das wollte die Diözese Rottenburg-Stuttgart bei einem Forum wissen. Es ging um Würde – und um fehlende Rechte.
Stuttgart/Ulm. Die Kluft zwischen der Lebenswirklichkeit der Menschen und den Angeboten der katholischen Kirche reißt immer weiter auf. Vor allem in der Frauenfrage. Weiheämter und damit verbunden viele sakramentale Dienste wie Krankensalbung oder Taufen bleiben Frauen vorbehalten. Welche mutigen Konsequenzen wären da nötig? Die Rottenburg-Stuttgarter Diözesanleitung samt Diözesan- und Priesterrat haben mit dieser Frage zum digitalen Frauenforum eingeladen. Mehr als 200 Frauen schalteten sich dazu.
Schon lange lebt die katholische Kirche mit ihrer Geschlechterungerechtigkeit. Auf der Männerseite: Macht, Gestaltung, Weihe und Amt. Auf der Frauenseite: Dienst, Gefolgschaft und Schweigen. Doch die Aufteilung funktioniert nicht mehr. Schon gar nicht nach den Ungeheuerlichkeiten sexueller Gewalt in der Kirche und ihrer strukturellen Wurzeln, die im Klerikalismus und einem überhöhten Priesterbild liegen.
Kein Randthema
Doch wie schafft man eine geschwisterliche Kirche, in der nicht mehr das Geschlecht über Berufung und Ämter entscheidet, sondern das Charisma? Das Frauenforum suchte nach Antworten und legte Missverständnisse, Hürden und Blockaden offen.
Missverständnis eins: Geschlechtergerechtigkeit ist ein Randthema für die Kirche. Irrtum. Bereits jetzt kehren junge Frauen der Kirche den Rücken. „Diese Kirche hat unseren Töchtern doch gar nichts mehr zu sagen“, formuliert eine Teilnehmerin. Dass Frauen von wichtigen Ämtern ausgeschlossen bleiben, ist der Generation „U 35“ nicht mehr vermittelbar. Junge Frauen wirken in Beruf und Gesellschaft und sollen sich in der Kirche vertrösten lassen wie ihre Mütter und Großmütter, die heute den aktiven Kern der Kirche stellen? Nur noch wenigen genügt das. „Es sind die jungen Gutausgebildeten, die jetzt gehen“, sagt der Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes. Sie verlassen eine Kirche, die nicht gelernt habe, mit modernen Freiheitsrechten klarzukommen. Mit Folgen für die Zukunft. Ohne kritische Geister können Fundamentalisten und Demokratieskeptiker erstarken.
Missverständnis zwei: Die Geschlechterfrage ist ein Luxusproblem. Falsch. Wenn sich Standards der Kirche zu weit von den Standards der Welt entfernen, führe das zu einer Glaubwürdigkeitskrise, sagt die Tübinger Dogmatikprofessorin Johanna Rahner: Es gehe nicht an, von der gleichen Würde von Männer und Frauen zu sprechen, aber nicht gleiche Rechte einzuräumen. Zurecht pfeife der Kirche Gegenwind um die Ohren. Rahner fordert Korrekturen beim Kirchenrecht. Das jetzige diskriminiere und sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Wenn der Staat an die Kirchen die gleichen Ansprüche stellen würde wie an islamische Gemeinschaften, dann „hätte die katholische Kirche erhebliche Probleme“, sagt Rahner.
Missverständnis drei: Frauen müssen die Diskriminierung in der Kirche selbst auflösen. Geht nicht. Wenn Männer alle Prozesse kontrollieren, müssen sie auch handeln. Schweigen sei Komplizenschaft, betont Rahner: „Wer jetzt nichts tut, tut trotzdem was.“
Doch wo muss gehandelt werden? Schwester Nicola Maria Schmitt fordert: bei den Berufungen von Frauen. An vielen Stellen der Kirchen arbeiten heute Frauen, als Klinikseelsorgerinnen zum Beispiel. Doch Patienten das Sakrament einer Krankensalbung geben, das dürfen sie nicht. Dazu fehlt ihnen die Weihe. Defacto verweigere die Kirche heute Sakramente, weil diese an die immer kleiner werdende Schar von Priestern gebunden seien, klagt die Ordensfrau.
Spaltung zwischen Jung und Alt
Doch lassen sich kirchliche Ämter verändern, gar neue schaffen wie das Diakonat der Frau, für das sich der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst stark macht? Es bewegt sich nichts. Ohne Segen der Weltkirche könne eine Ortskirche nicht handeln, betont Fürst. Sonderwege werden auf Diözesanebene nicht wirklich erwogen. Zu groß ist die Furcht, von Reformunwilligen in der Weltkirche der Kirchenspaltung bezichtigt zu werden. „Das verkennt, dass wir längst eine Kirchenspaltung haben“, sagt eine Teilnehmerin: „Die zwischen Jung und Alt“.