Schauspieler

Ulrich Tukur: „Mir tut die Glühbirne leid, die für niemanden brennt“

Ulrich Tukur hat nicht nur schwäbische Wurzeln – er entdeckt auch schwäbische Eigenschaften an sich. Sein neuer Film „Meeresleuchten“ spielt aber an der Ostsee.

16.02.2021

Von CORNELIA WYSTRICHOWSKI

In „Meeresleuchten“ krempelt der erfolgreiche Unternehmer Thomas Wintersperger (Ulrich Tukur) sein bisheriges Leben um. Foto: Lukas Salna/WDR/KJ Entertainment/dpa

In „Meeresleuchten“ krempelt der erfolgreiche Unternehmer Thomas Wintersperger (Ulrich Tukur) sein bisheriges Leben um. Foto: Lukas Salna/WDR/KJ Entertainment/dpa

Berlin. Nicht nur seine Auftritte als „Tatort“-Kommissar sind jedes Mal ein Ereignis: Schauspieler Ulrich Tukur macht aus jeder Rolle ein Kabinettstück. Im Fernsehfilm „Meeresleuchten“ (Mittwoch, 17. Februar, 20.15 Uhr, ARD) spielt er jetzt einen erfolgreichen Geschäftsmann, der den Tod seiner Tochter bei einem Flugzeugabsturz nicht verkraftet: Um seine Trauer zu verarbeiten, zieht er in ein Ostsee-Dorf in der Nähe des Unglücksorts und eröffnet eine kleine Kneipe.

Herr Tukur, Sie haben schwäbische Wurzeln, zu Ihren Vorfahren zählt der Stuttgarter Dichter Gustav Schwab. Gibt es irgendetwas an Ihnen, das typisch schwäbisch ist?

Ulrich Tukur: Ich bin nicht geizig, aber vorsichtig, und wenn ich heute Geld mit vollen Händen ausgebe, spare ich morgen an ganz idiotischen Ecken. Ich habe zum Beispiel ein Problem damit, dass meine norddeutsche Frau immer alle Lichter andreht in der Wohnung – ich lösche das Licht, wenn ich ein Zimmer verlasse. Mir tut die Glühbirne leid, die für niemanden brennt.

Was verbindet Sie konkret mit der Gegend?

Meine Familie stammt fast ausnahmslos aus dem Württembergischen. Aus Oberschwaben, Stuttgart, dem Tübinger Raum, von der Schwäbischen Alb. Dieses Land lebt in meiner Seele. Der Rhythmus der Landschaft, die alten Dörfer, die barocken Städte, die geschichtliche Tiefe – ich bin ein Teil davon. Ich liebe die schwäbische Küche und auch den Dialekt. Meine Eltern haben ihn sehr stark gesprochen. Als ich in den späten 70er Jahren zum Studieren nach Tübingen kam, weg von Hannover, wo wir damals lebten, begann die schönste Zeit meines Lebens.

Ihr neuer Film „Meeresleuchten“ dreht sich um das Thema Trauer. Wie soll man dereinst um Sie trauern?

Erst neulich habe ich mich mit Freunden darüber unterhalten, wo und wie man uns dereinst verscharren soll. Ich konnte es nicht sagen. Nur will ich mich auf keinen Fall verbrennen lassen. Ich habe einen solchen Vorgang einmal beobachtet und fand ihn infernalisch. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ich hätte schon gern, dass alle am Boden zerstört sind, wenn ich tot bin (lacht).

In dem Film spielen Sie einen Mann, dessen Tochter bei einem Flugzeugabsturz stirbt. Ging Ihnen das Thema unter die Haut?

Ich selbst habe noch nicht erlebt, dass mir jemand unerwartet von der Seite gerissen wurde. Aber Trauer ist mir wohlbekannt – mein Leben ist voll davon. Nichts bleibt, alles ist flüchtig, und diese Erkenntnis tut manchmal weh. Man darf, man soll sogar trauern, denn die Melancholie ist dem Leben ja nicht abgewandt, sie verleiht uns Würde in diesem absurden Theater.

Der Protagonist des Films beginnt ein völlig neues Leben. Haben Sie sich auch schon gefragt, ob Ihr Leben ganz anders aussehen könnte?

Ja, natürlich, aber ich hadere nicht mit meinem Leben. Ich habe tolle Dinge machen können, ich habe interessante Menschen kennengelernt, ich habe an den schönsten Orten der Welt gelebt. Aber nach fast 90 Filmen und den vielen Jahren am Theater, denke ich manchmal: Eigentlich ist die Arbeit getan. Was mache ich denn jetzt noch? In 16 Jahren werde ich 80.

Ihre Filmfigur eröffnet ein Strandlokal. Wäre das was für Sie?

Bei mir wäre es eine kleine Wirtschaft, ein dunkler, gemütlicher Raum, und natürlich würde ein Klavier drinstehen. Es wäre ein verwunschener Ort, an dem man sich von der sogenannten Wirklichkeit verabschiedet, um zu träumen. Kunst und übrigens auch gute Gastronomie sind immer Verzauberung! Sie sind dazu da, das Leben reicher und erträglicher zu machen.

Wie geht es Ihnen denn in der Corona-Zeit?

Mein Immunsystem ist top, ich bin bisher gesund geblieben. Am Anfang habe ich diese Auszeit tatsächlich genossen, weil ich einmal anhalten konnte. Aber dann wurde es irgendwann immer unwirklicher, weil diese allgegenwärtige Paralyse einfach nicht mehr aufhörte. Inzwischen fühlt es sich an wie ein in Watte gepackter Albtraum.

Aber Sie haben doch trotz der Pandemie einige Filme gedreht?

Ja, ich hatte ein Riesenglück. Nicht als Musiker, alle Konzerte sind abgesagt. Aber ich konnte in dieser Pandemie vier Filme hintereinander drehen. Nur ist jetzt auf einmal scheinbar Schluss. Alle sind in Wartestellung, niemand weiß, wie es weitergeht.

Wie geht es mit dem „Tatort“ weiter?

Wir haben im Herbst den zehnten Fall gedreht, unter der Regie von Rainer Kaufmann, mit großartiger Besetzung: Angela Winkler, Karoline Eichhorn, Lars Eidinger. Martin Rauhaus hat das Drehbuch geschrieben, das wieder einen großen Haken schlägt. In diesem Fall geht es um die Ermordung eines Philosophieprofessors und um seine kaputte Familie. „Murot und das Prinzip Hoffnung“ ist der Titel. Passt sehr gut in unsere Zeit.

Also sind Sie der Rolle als Felix Murot noch nicht überdrüssig?

Solange der HR so mutig bleibt, mache ich weiter. Filme sollen unterhalten, aber auch fordern. Entgegen der dezidierten Meinung vieler Fernsehmacher ist es wichtig, sich hin und wieder auch mal anzustrengen. Substanz ist kein Übel.

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Erstellt:
16.02.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 29sec
zuletzt aktualisiert: 16.02.2021, 06:00 Uhr

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