Schule

Masken im Unterricht: Warum das Kultusministerium weiter abwartet

Die Corona-Zahlen steigen drastisch, doch im Unterricht sind Masken im Südwesten weiter keine Pflicht. Das Kultusministerium verteidigt den Kurs. Von Alfred Wiedemann

13.11.2021

Von Alfred Wiedeman

Im Kreis Biberach muss die Maske im Unterricht wieder drauf. Im Rest des Landes wird das erst mit der Alarmstufe wieder vorgeschrieben. Bild: Marijan Murat/dpa

Im Kreis Biberach muss die Maske im Unterricht wieder drauf. Im Rest des Landes wird das erst mit der Alarmstufe wieder vorgeschrieben. Bild: Marijan Murat/dpa

Stuttgart. Seit vier Wochen darf die Maske weg am Platz im Klassenzimmer. Inzwischen steigen aber die Infektionszahlen massiv, besonders unter den Kindern und Jugendlichen. 3967 Covid-Fälle meldet das Landesgesundheitsamt bei den 10- bis 19-Jährigen aktuell. Vor vier Wochen waren es 1891. Auf 1158 kletterte der aktuelle Inzidenzwert unter 5- bis 14-Jährigen im Kreis Biberach, im Stadtkreis Heilbronn liegt der Wert bei 1008.

Der Streit ist heftig: Virologen wie vom Robert-Koch-Institut dringen auf Schutz der Jüngsten, fordern Abstand und Maske in Schulen. Lehrer-, Eltern- und Schülerverbände kritisierten Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) heftig für den Maskenverzicht. Aber auch andere Elternvertretern machten Druck – gegen die Maske.

Schopper bleibt dabei: Pflicht wird die Maske erst, wenn die Alarmstufe gilt. Das dürfte bald soweit sein: Am Freitag wurden 380 Corona-Patienten auf Intensiv gemeldet, bei 390 kommt die Alarmstufe. Falls nötig, könnten die Kreise die Maskenpflicht am Platz eigenständig einführen, teilte ein Sprecher der Ministerin mit. Biberach hat das gemacht. Ab Samstag gelten im Landkreis neben der Schul-Maskenpflicht 2G-Regeln der Alarmstufe mit Einschränkungen für Ungeimpfte. Sollten die Zahlen trotzdem weiter steigen, könnten auch Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte kommen, sagte Uwe Lahl, Amtschef des Sozialministeriums. Die sind in der Alarmstufe nicht vorgesehen. Entwickelt sich das Infektionsgeschehen in anderen Kreisen so wie in Biberach, würden dort ebenfalls Beschränkungen veranlasst. „Wir beobachten das genau.“

Die Landesregierung habe extra für eine solche Entwicklung das Stufensystem „als durchdachten Sicherheitsmechanismus entwickelt“, sagte der Sprecher des Kultusministeriums, mit festen Grenzwerten, das für alle transparent zeige, wann was gilt. Jeder Schüler und jede Schülerin sowie jede Lehrkraft, die freiwillig auch am Platz die Maske aufsetzen möchte, „darf das selbstverständlich auch tun“, so der Sprecher.

Das reicht nicht, sagte Monika Stein, die Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW am Freitag. „Alle sind alarmiert, wie die Zahlen in die Höhe schießen. Besser heute als morgen muss die Maskenpflicht auch im Unterricht wieder gelten.“ Das sei nötig, um den Präsenzunterricht nicht zu gefährden.

„Wir alle würden lieber auf die Masken verzichten, gerade beim Unterrichten im Klassenzimmer“, sagte Stein. Präsenzunterricht, das Lernen in der Schule, sei aber so wichtig für die Schülerinnen und Schüler, dass das Kultusministerium nicht weiter abwarten dürfe. „Besser mit Maske in die Schule als ohne Maske keine Schule.“

Auch von den Lehrergewerkschaften werde anerkannt, dass die Masken aus pädagogischer Sicht ein Hindernis darstellten, verteidigte der Ministeriumssprecher den Maskenverzicht. Das Ministerium habe pädagogische Erwägungen mit den medizinischen Gesichtspunkten austariert. „Nach Rücksprache innerhalb der Regierung und mit den medizinischen Fachleuten hat sich die Landesregierung in einer Situation, in der die Infektionszahlen an den Schulen stabil waren, dazu entschieden, die Maskenpflicht zu lockern.“

„Im Sinne der Kinder“

Dabei seien weitere Sicherheitszäune in den Schulen berücksichtigt worden wie die Tests, das regelmäßige Lüften oder das Desinfizieren von Kontaktflächen. Mit der Alarmstufe als automatisches Sicherungssystem hätten alle Schulen und alle am Schulleben Beteiligten „eine klare Regelung, mit der sie auch planen können.“

„Wir ignorieren den Rat von Medizinerinnen und Medizinern nicht“, sagte der Sprecher. Die Landesregierung müsse die unterschiedlichen Positionen abwägen und bestmöglich im Sinne der Kinder und Jugendlichen entscheiden. Die hätten massive Einschränkungen in Kauf genommen, um die Älteren zu schützen. Das geforderte Vorziehen von Maßnahmen in der Alarmstufe schränke wieder Kinder und Jugendliche ein. Für Restaurants, Kneipen oder Bars werde so ein Vorziehen von Maßnahmen „noch nicht einmal diskutiert“, sagte der Ministeriumssprecher.

Wie Covid-19 auch die Jüngeren trifft

Sars-CoV-2-Infektionen bei Kindern verlaufen, anders als bei Erwachsenen, meist mild oder asymptomatisch, so das Robert-Koch-Institut. „Wenn auch selten, so treten schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle ebenfalls bei Kindern auf“, schreibt das RKI. Bei zunehmender Ausbreitung könnte es zu einer hohen Zahl an Infektionen im Kindes- und Jugendalter kommen. „Je mehr Kinder infiziert werden, desto höher würde dann auch die Anzahl der schweren Krankheitsverläufe ausfallen. Kinder mit Vorerkrankungen wären stärker betroffen.“ Maskentragen an Schulen reduziere nachweislich deutlich die Zahl der Ausbrüche und pädiatrischen Covid-19-Fälle.

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Erstellt:
13.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 13.11.2021, 06:00 Uhr

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