CDU/CSU

Markus Söder in der Falle der One-Man-Show

In den Unionsparteien brodelt es. Während die CDU um eine Neuaufstellung und mögliche Teamlösungen für die Parteispitze ringt, ist ihr Sehnsuchts-Kanzlerkandidat Markus Söder in Bayern in schweres Fahrwasser geraten.

02.11.2021

Von Patrick Guyton

Zwei Chefs: Armin Laschet (links) will seine CDU neu aufstellen. Auch an seinem CSU-Kollegen Markus Söder geht die Krise nicht spurlos vorbei.  Foto: Oliver Berg/dpa

Zwei Chefs: Armin Laschet (links) will seine CDU neu aufstellen. Auch an seinem CSU-Kollegen Markus Söder geht die Krise nicht spurlos vorbei. Foto: Oliver Berg/dpa

München. Der jüngste Nackenschlag kam vom Amtsvorgänger. Auch mit Markus Söder als Kanzlerkandidat hätte die Union die Bundestagswahl verloren, diagnostizierte Horst Seehofer per TV-Interview. Seehofer ist kurz vor dem Ruhestand und hatte einst die beiden Ämter inne, die Markus Söder nun bekleidet. Bayerischer Ministerpräsident war er sowie CSU-Vorsitzender, und zwar im Rückblick recht erfolgreich. CDU und CSU hätten wegen der Vernachlässigung der Sozialpolitik verloren, meinte der Noch-Bundesinnenminister.

Seehofer watscht seinen Parteifreund nicht zufällig ab. Er macht das, wenn er weiß, dass er damit in der Partei auf Zuspruch stößt. Denn manche Christsoziale zweifeln mittlerweile an dem Mann, den sie als unumstrittene Nummer eins auf den Schild gehoben haben und den  CSU-Generalsekretär Markus Blume nach dem verlorenen Bewerber-Kampf mit CDU-Chef Armin Laschet zum „Kandidaten der Herzen“ ausgerufen hatte.

Die CSU-Wahlkämpfer an der Basis stellten fest, dass viele Bürger im Freistaat deshalb nicht die Union wählten, weil Söder Laschet auch im Nachgang sehr kalkuliert schlechtgeredet hatte. Das Ergebnis: 31,7 Prozent für die CSU in Bayern. 2013 hatte Seehofer noch an der 50-Prozent-Marke gekratzt.

Die Junge Union war immer eine sichere Bank für Söder. Der Parteinachwuchs huldigte ihm stets und rief ihn schon als „MP“ aus, als Seehofer noch gar nicht die Waffen gestreckt hatte. Anders vor drei Wochen in Deggendorf. Da wollte man sich in einem Antrag ursprünglich für „ein schlagkräftiges, frisches Team hinter unserem starken Zugpferd Markus Söder“ aussprechen. Per Abstimmung wurde dann das „Zugpferd Söder“ aus dem Papier gestrichen. Der Parteichef musste sich vom Nachwuchs immer wieder Kritik an seiner „One-Man-Show“ anhören.

Stattdessen feierte die Jugend einen anderen CSU-Politiker: Manfred Weber, EU-Abgeordneter mit dem einflussreichen Posten des Vorsitzenden der konservativen EVP-Fraktion in Straßburg. Mit 49 Jahren ist er fünf Jahre jünger als Söder. Die beiden eint eine lange und oft nicht konfliktfreie Vergangenheit. Weber ist eine Art Anti-Söder. Er denkt und spricht ernsthaft und bedächtig, schrille Töne mag er nicht. Er sieht sich als Teamspieler. Von ihm würde man bedenkenlos einen Gebrauchtwagen kaufen.

Im Freistaat geht unter Söder derzeit nicht viel voran. Das Verhältnis zum Freie-Wähler-Koalitionspartner ist dauergespannt. Ein geplantes neues Klimaschutzgesetz wird zwischen dem Umweltressort und der Staatskanzlei hin und her gereicht. Für die Opposition eignet sich dies, um ein ums andere Mal die angebliche Tatenlosigkeit der Staatsregierung anzuprangern. Auch Söders Plan, den russischen Corona­-Impfstoff Sputnik V nach Bayern zu holen, ist bisher eine Luftnummer. Und im neuen Jahr steht im Landtag der Masken-Untersuchungsausschuss an: Da sollen die verschiedenen lukrativen Geschäfte von CSU- und Ex-CSU-Politikern bei der Beschaffung von Corona-Schutz durchleuchtet werden.

Das schlechte Abschneiden der CSU bei der Bundestagswahl versuchte Markus Söder bisher kleinzureden. Seine Werte und die der CSU für Bayern seien ja weiterhin sehr gut, argumentierte er. Doch das scheint sich gerade ziemlich zu drehen. Zwischen April 2020 – Beginn der Pandemie – und Februar 2021 lag die CSU in den Erhebungen bei etwa 47 Prozent, wenn da ein neuer Landtag gewählt worden wäre. Doch seit dem Frühjahr geht es bergab. In der bisher letzten Umfrage von Insa sind die Christsozialen auf 32 Prozent abgestürzt. Und immer wieder: die Corona-Politik. Über lange Zeit gab Söder den härtesten Pandemie-­Bekämpfer, doch gerade ist es recht still um ihn. Die fünf Landkreise mit den republikweit höchsten Inzidenzen liegen allesamt in Bayern. Zugleich hat Bayern die drittniedrigste Impfquote aller Bundesländer.

Schlechtes Wahlergebnis

Die Bundestagswahl 2021 hat der Union, also den Schwesterparteien CDU und CSU, ihr schlechtestes jemals bundesweit erzieltes Ergebnis beschert. Die CDU erreichte 18,9 Prozent aller Wähler (nach 26,8 Prozent vier Jahre zuvor). Die CSU konnte zwar in Bayern immerhin jeden dritten Wähler begeistern, das reichte bundesweit allerdings nur zu einem Ergebnis von 5,2 Prozent (nach 6,2 bei der Wahl 2017). Sie kam also nur knapp über die Fünf-Prozent-­Hürde. Dieser Schwelle so nah gekommen zu sein, hat vor allem psychologische Wirkung. Durch eine Vielzahl gewonnener Direktmandate wäre sie auch bei einem schlechteren Ergebnis im Bundestag vertreten.

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Erstellt:
02.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 02.11.2021, 06:00 Uhr

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