Auto

Kfz-Versicherung: Marderbiss kostet 7000 Euro

Die Zahl der Unfälle geht zurück. Eigentlich müssten Kfz-Versicherungen billiger werden. Assistenzsysteme und E-Fahrzeuge sind schuld, dass sie hoch bleiben.

20.11.2021

Von Thomas Veitinger

Der Marder sieht nett aus, hat aber eine etwas seltsame Vorliebe für Kabel. Foto: ©Eric Isselee/shutterstock.com

Der Marder sieht nett aus, hat aber eine etwas seltsame Vorliebe für Kabel. Foto: ©Eric Isselee/shutterstock.com

Besonders schlimm war es 1970 auf deutschen Straßen. Fast 19 200 Menschen starben bei Verkehrsunfällen. Autos hatten damals selten Kopfstützen. Die Fahr­erlaubnis endete erst bei heute undenkbaren 1,5 Promille Alkohol im Blut. Es gab keine Notärzte, Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen und Gurtpflicht. Zum Vergleich: 2020 kamen 2719 Menschen zu Tode, obwohl die Anzahl der Verkehrsteilnehmer durch die Wiedervereinigung stark gestiegen ist und die Zahl der Unfälle mit 2,2 Millionen ein halbes Jahrhundert nach dem traurigen Rekordjahr 1970 um 800 000 höher lag.

In der Zukunft soll die Zahl der Unfälle nach einer Prognose des GDV zurückgehen. Bis 2040 erwartet der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft 20 bis 30 Prozent weniger Kfz-Haftpflicht-Schäden; die Ausgaben der Versicherungen könnten um rund ein Fünftel bis ein Viertel schrumpfen.

Werden die Kfz-Tarife deshalb billiger? Nein, sagt die Versicherungsbranche – zumindest kurz- bis mittelfristig nicht. „Assistenzsysteme machen Reparaturen im Schadenfall teurer“, weiß GDV­-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „Sensoren, wie zum Beispiel Radarsensoren oder Kamerasysteme, werden die Reparaturen in Einzelfällen deutlich teurer machen“, sagt auch Christoph Lauterwasser, Leiter des Allianz Zentrum für Technik. Der Preis für den Austausch einer Windschutzscheibe steigt so um rund ein Viertel. Ein Assistent für automatisiertes Fahren helfe gegen Autodiebe ebenso wenig wie eine Einparkhilfe vor Steinschlag, Hagel oder Marderbissen schützt, argumentiert der GDV. Auch der beste Notbremsassistent ändere nichts an den physikalischen Gesetzen für den Bremsweg eines Autos.

„Im Gegensatz zur Konsumelektronik, wie zum Beispiel bei Handys, dauert es bei Fahrzeugen sehr lange, bis sich der Bestand der Fahrzeuge erneuert. Deshalb durchdringen neue Technologien den Verkehr nur schrittweise“, sagt Lauterwasser. Bis autonome Autos die Straßen in größeren Zahlen befahren, werden noch viele Jahre vergehen. „Das autonome Fahren wird sich zuerst in langsamen Verkehrssituationen durchsetzen“, meint Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied beim Marktführer HUK Coburg. „Und dann auf Autobahnen, wo es relativ wenige Schäden gibt.“

Die Zahl Getöteter im Straßenverkehr hat in den letzten 50 Jahren stark abgenommen, die Zahl der Unfälle nicht. Foto: Till Simon Nagel/dpa

Die Zahl Getöteter im Straßenverkehr hat in den letzten 50 Jahren stark abgenommen, die Zahl der Unfälle nicht. Foto: Till Simon Nagel/dpa

Elektroautos sind einfacher aufgebaut. Werden sie deshalb Tarife verbilligen? Auch das nicht, denn derzeit sind sie noch teuer in der Reparatur, schreibt Versicherer Allianz. Ein vom Marder angebissenes Hochvolt-Kabel wird heute nicht geflickt sondern komplett getauscht. Der notwendiger Kabelsatz kostet bis zu 7000 Euro. Langfristig müssten die Kosten aber sinken, glaubt die Allianz – sonst würde die Attraktivität der E-Autos leiden. „Elektroautos werden mittel- und langfristig günstiger sein als Autos mit Verbrennungsmotoren“, sagt auch Onnen Siems, Geschäftsführer des Beraters Meyerthole Siems Kohlruss. Einige Autofirmen minimierten den Ersatz durch Kabel-Schutzummantelung bereits jetzt um bis zu 97 Prozent.

Künftig werden fast alle Werkstätten Elektrofahrzeuge reparieren, was die Kosten ebenfalls senken dürfte. Heute müssen Betriebe schon bei relativ kleinen Schäden eine spezielle Qualifikation vorweisen, die sie oft nicht haben. Es entstehen Verzögerungen, die die Reparaturdauer und dadurch den Preis nach oben treiben.

Langfristig könnten die Versicherungen auch aus einem anderen Grund preiswerter werden: Es gibt dann weniger Autos. „Seit der Wiedervereinigung ist der Kfz-Bestand in Deutschland im Schnitt jedes Jahr um 1,5 Prozent gewachsen, so auch nach wie vor in der jüngeren Vergangenheit“, sagt Onnen Siems, Geschäftsführer des Beraters Meyerthole Siems Kohlruss. „Wir erwarten spätestens in den nächsten zehn Jahren eine sukzessive Abflachung des Trends, so dass der maximale Fahrzeugbestand in 2030 oder früher erreicht wird.“

Die Gründe: Es sei zu erwarten, dass die Kosten für Benzin, Diesel und Strom steigen. Weitere Faktoren seien der Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und Radwegenetzes. „Das heißt, die Kosten für den automobilen Individualverkehr werden steigen und der Wechsel auf öffentliche Verkehrsmittel und Fahrrad wird vereinfacht“, sagt Siems. Wird der Kuchen auf dem Markt der Kfz-Versicherung kleiner, wächst die Konkurrenz – und damit sinken möglicherweise die Preise.

Allerdings sind nicht alle Experten dieser Meinung. Der GDV nimmt auf Basis von Prognosen der Prognos AG an, dass der Pkw-Bestand bis 2040 um rund 3 Prozent steigt. (mit dpa)

Unachtsam beim Abbiegen

Kfz-Versicherung: Marderbiss kostet 7000 Euro

Sparen bis Ende November

In Deutschland wurde die erste Autopolice 1899 vom Stuttgarter Verein angeboten, später von der Allianz übernommen. Seither haben die Versicherer wegen weltweit steigender Autozahlen in Summe alljährlich mehr zu tun. Wer bei der Versicherung sparen will, kann sie bis Ende November wechseln. Wichtig ist ein Vergleich über mehrere Vergleichsportale. Der Umfang des Schutzes sollte überprüft werden, raten Verbraucherschützer: Muss es eine Vollkaskoversicherung noch sein? Die Haftpflicht sollte nicht unter 100 Millionen Euro liegen.

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Erstellt:
20.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 14sec
zuletzt aktualisiert: 20.11.2021, 06:00 Uhr

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