Bahn

Lokführer bremsen Bahn aus

Die Gewerkschaft GDL hat kurzfristig die angedrohte Arbeitsniederlegung gestartet. Der Konzern reagiert mit Unverständnis.

11.08.2021

Von DIETER KELLER

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), freut sich über hohe Zustimmung bei der Urabstimmung. Foto: Arne Dedert/dpa

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), freut sich über hohe Zustimmung bei der Urabstimmung. Foto: Arne Dedert/dpa

Berlin. Seit Dienstag, 19 Uhr, versucht die Lokführergewerkschaft GDL, den Güterverkehr der Deutschen Bahn lahmzulegen. Nur acht Stunden zuvor hatte GDL-Chef Claus Weselsky das Ergebnis der Urabstimmung bekanntgegeben: 95 Prozent der Teilnehmer votierten für Streiks – „mehr als erwartet“, kommentierte er. Allerdings beteiligten sich nur 70 Prozent der Mitglieder an der Abstimmung. Bahn-Personalvorstand Martin Seiler kritisierte die Streiks als „unnötig und völlig überzogen“. Er forderte die Gewerkschaft auf, „sich an den Verhandlungstisch zu setzen“.

Wie sollen die Streiks aussehen? Die GDL hat ihre Mitarbeiter im Güterverkehr zum Streik ab Dienstag, 19 Uhr, aufgerufen, im Personenverkehr und in der Infrastruktur am Mittwoch von 2?Uhr an. In allen Bereichen soll der Arbeitskampf am Freitag um 2?Uhr enden. Am Wochenende sollen die Züge dann wieder normal fahren. Ungewiss ist, wie viele GDL-Mitglieder beim Streik mitmachen und in wieweit der Betrieb mit Mitarbeitern aufrechterhalten werden kann, die bei der konkurrierenden Eisenbahnergewerkschaft EVG organisiert sind oder die nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind. Wann weitere Streiks folgen, ließ Weselsky offen.

Wie reagiert die Bahn? Mit Ersatzfahrplänen. Im Fernverkehr schickt sie nur ein Viertel der Züge auf die Stecke. Besonders stark genutzte Verbindungen werden alle zwei Stunden bedient. Da die Bahn nicht garantieren kann, dass Reisende wie gewünscht an ihr Ziel kommen, bittet sie alle, die nicht zwingend fahren müssen, ihre Reise zu verschieben. Fahrkarten auf betroffenen Strecken können bis zum 20. August flexibel genutzt werden. Bei Spar- und Super-Sparpreisen ist die Zugbindung aufgehoben.

Warum ist der Konflikt so schwierig? Neben der GDL, die nach eigenen Angaben etwa 37?000 Mitglieder hat, gibt es noch die EVG, die mit rund 185?000 die deutlich größer ist. Dabei sind jeweils auch die Rentner mitgezählt. Beide kämpfen erbittert um die Vorherrschaft. Die GDL versucht, auch in anderen Berufsgruppen neben den Lokführern Fuß zu fassen. Zudem ist dies der erste Arbeitskampf nach den Regeln des Tarifeinheitsgesetzes. Darin wurde 2015 – unter anderem wegen der Konflikte bei der Bahn – festgeschrieben: Konkurrieren in einem Betrieb mehrere Gewerkschaften, hat diejenige das Sagen, die die meisten Mitglieder hat. Das wird kompliziert bei der Bahn, die in rund 300 Betriebe aufgeteilt ist. Davon hat nach ihrer Ansicht die GDL nur in 16 die Mehrheit. Doch schon darüber dürfte gestritten werden.

Was fordert die GDL? Zuletzt wollte sie in diesem Jahr 1,4 Prozent mehr Lohn, mindestens 50 Euro im Monat, sowie 600 Euro einmalige Corona-Hilfe und im nächsten Jahr 1,8 Prozent bei 28 Monaten Laufzeit. Zudem wird unter anderem über die betriebliche Altersvorsorge verhandelt.

Was bietet die Bahn an? Auch insgesamt 3,2 Prozent, aber verteilt über 40 Monate Laufzeit: Erst am 1. Januar 2022 eine Erhöhung um 1,5 Prozent, am 1. März 2023 weitere 1,7 Prozent.

Wie könnte eine Lösung aussehen? Die wird schwierig, solange die GDL und Weselsky Verhandlungen mit der Bahn über deren Angebot strikt ablehnen. Zudem heizt er die Atmosphäre mit heftigen Vorwürfen gegen das Bahn-Management an. das „mit Tricksen und Täuschen“ in den letzten Monaten versuche, der Öffentlichkeit ein Zerrbild zu vermitteln. Schon im November 2020 unternahm Matthias Platzeck einen Schlichtungsversuch. Der Ex-Ministerpräsident von Brandenburg schlug unter anderem 1,5 Prozent Lohnerhöhung und eine Corona-Sonderprämie von 800 Euro vor. Das lehnte die GDL ab, weil sie Angst um ihre Tarifautonomie hatte. Denn sie sollte zusammen mit der EVG verhandeln. Eine erneute Schlichtung wird daher schwierig, auch wenn sie die Bahn ebenso vorschlägt wie die Einbeziehung eines Moderators. Eine zusätzliches Problem ist, dass Vereinbarungen mit der GDL von den Tarifverträgen der Bahn mit der EVG nicht allzu sehrabweichen sollten. Ob die Bahn vor Gericht zieht, ist offen. Die GDL hat schon viele allgemeine Forderungen fallen lassen, mit denen sie dort scheitern würde. Jetzt könnte es hauptsächlich um die Frage gehen, ob die Streiks verhältnismäßig sind.

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Erstellt:
11.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 11.08.2021, 06:00 Uhr

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