Olympia

Lasset die Spiele beginnen

Vom Schulsport über die Friedensbewegung hin zum Politikum: Ein Blick auf die Anfänge der weltberühmten Wettkampfveranstaltung.

02.07.2021

Von JÖRG KRIEGER

Der Leichtathlet Bevil Rudd gewann 1920 bei den Olympischen Spielen in Antwerpen die Goldmedaille im 400-Meter-Lauf. Foto: Imago Images United Archives International/ Imago

Der Leichtathlet Bevil Rudd gewann 1920 bei den Olympischen Spielen in Antwerpen die Goldmedaille im 400-Meter-Lauf. Foto: Imago Images United Archives International/ Imago

Ulm. Die Ursprünge des modernen Sports finden sich im Großbritannien des 19. Jahrhunderts. Dort wurde an den Public Schools, den Ausbildungsstätten für Jungen der britischen Oberschicht, ein Wertesystem über traditionelle Sportspiele wie Fußball und Rugby gestülpt. Durch die Teilnahme am Sport sollten die Schüler Fairplay, Teamarbeit und das Einhalten von Regeln erlernen.

Fasziniert vom Sport, gründeten die Schulabgänger Vereine und Verbände, um weiter an den sportlichen Aktivitäten teilnehmen zu können. Um die Arbeiterklasse auszuschließen und „ihren“ Sport zu schützen, schufen sie den Amateurgedanken. Am Amateursport der Oberschicht durfte nur teilnehmen, wer kein Geld durch den Sport verdiente oder sich in der Arbeit körperlich betätigte.

Durch die Ausweitung der Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ein reger internationaler Austausch. Diese weltoffenen Bestrebungen nahm auch der Gründer der modernen Olympischen Bewegung, der französische Baron Pierre de Coubertin, zur Kenntnis. Er sah die Möglichkeit, durch die Durchführung von Olympischen Spielen zur internationalen Friedensbewegung beizutragen. Für Coubertin war der Sport ein geeignetes Mittel für eine Gesellschaftsreform, an deren Ende Internationalismus und Demokratie stehen sollte. Entsprechend verknüpfte er den Sport mit Bildungsidealen, der Harmonisierung von Körper und Intellekt sowie den Wert von Wettbewerb und Leistung.

1894 gründete Coubertin das Internationale Olympische Komitee (IOC). Zwei Jahre später fanden dann die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen statt. Um die übergeordneten Friedensidee und Erziehungsgedanken zu verdeutlichen, führte Coubertin verschiedene Zeremonien und Symbole, wie die Eröffnungsfeier, das Olympische Feuer und die Olympischen Ringe ein.

Frauen durften nicht mitmachen

Coubertin's geniale Idee hatte aber von Beginn an Schattenseiten. Mitmachen durfte nicht jeder. Frauen waren von den Spielen ausgeschlossen. Der konservative Coubertin sah vor, dass Frauen nur zur Krönung der männlichen Sieger in Erscheinung traten. Er war besorgt über die Sittlichkeit der männlichen Zuschauer und überzeugt, dass der weibliche Körper nicht für sportliche Betätigungen geschaffen war. Das IOC übernahm auch den Amateurgedanken.

Aus logistischen und finanziellen Gründen wurden die Spiele von 1900 und 1904 an Weltausstellungen angeschlossen. Viele Teilnehmer realisierten gar nicht, dass sie an den Olympischen Spielen teilnahmen. 1900 in Paris gab es erstmals Wettbewerbe für Frauen. Und obwohl das IOC sich diesen Meilenstein heute schulterklopfend selbst anerkennt, sah Coubertin diese Entwicklung sehr ungern. 1904 in St. Louis wurde ein rassistischer Wettbewerb indigener Völker abgehalten um die Unterlegenheit dieser Völker gegenüber dem “westlichen, zivilisierten Menschen“ zu beweisen. Auch fanden leistungssteigernde Substanzen bereits zu dieser Zeit ihren Weg in den Sport. So wurden Marathonläufer während der Rennen mit einer Mischung aus Brandy, einem rohen Ei und Strychnin versorgt.

Spiele wurden politisiert

Erst 1908 in London fanden die Spiele wieder alleinstehend und in größerem Rahmen statt. Mit dieser steigenden Anerkennung begann – im angespannten weltpolitischen Klima wenig überraschend – die Politisierung der Spiele. Politische Symbole, von Coubertin ursprünglich eingeführt zur friedlichen Begegnung von Nationen, wurden bereits früh für nationale Anliegen missbraucht.

1908 weigerte sich der US-amerikanische Fahnenträger Ralph Rose, die Fahne für den britischen König zu senken, wie damals Brauch war. Vier Jahre später in Stockholm wurde nach dem Sieg des finnischen Läufers Hannes Kolehmainen die russische Flagge gehisst. Finnland war Teil des Russischen Kaiserreiches. „Ich hätte fast lieber nicht gewonnen, als diese Flagge dort oben zu sehen,“ kommentierte ein verärgerter Kolehmainen nach der Siegerehrung.

Politische Umstände verhinderten dann auch die erste Durchführung von Olympischen Spielen in Deutschland. 1916 war Berlin als Ausrichter vorgesehen, da Coubertin erhoffte, die Spiele könnten einen Krieg verhindern. Vergeblich. Der Erste Weltkrieg führte zum Ausfall der Spiele, Startpunkt eines traumatischen Verhältnisses zwischen Deutschland und der Ausrichtung der Olympischen Spiele.

Jörg Krieger Foto: Jörg Krieger

Jörg Krieger Foto: Jörg Krieger

Der französische Pädagoge Baron Pierre de Coubertin gründete 1894 das Internationale Olympische Komitee. Foto: -

Der französische Pädagoge Baron Pierre de Coubertin gründete 1894 das Internationale Olympische Komitee. Foto: -

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Erstellt:
02.07.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 53sec
zuletzt aktualisiert: 02.07.2021, 06:00 Uhr

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