Tübingen

Lange Wartezeiten beim Bürgeramt: „Mehr als eine Zumutung“

Für eine Ummeldung oder einen Personalausweis braucht man einen im Voraus gebuchten Termin – und etwas Geduld oder Glück.

25.05.2022

Von Sophia Jahns

Besucher warten vor dem Tübinger Bürgeramt auf Einlass. Bild: Ulrich Metz

Besucher warten vor dem Tübinger Bürgeramt auf Einlass. Bild: Ulrich Metz

„Wer in den Pfingstferien verreisen möchte, sollte jetzt prüfen, ob der Reisepass, der Personalausweis oder der Kinderreisepass noch gültig ist“, kann man derzeit auf der städtischen Internetseite nachlesen. Sollten die Dokumente abgelaufen sein, wird ein Neuantrag fällig. Und: „Dafür benötigt man einen Termin.“

Genau da liegt für Michael Moser aus Tübingen die Krux. „Es ist gelinde gesagt mehr als eine Zumutung, einen freien Termin zu finden“, schreibt Moser in einer dem SCHWÄBISCHEN TAGBLATT vorliegenden E-Mail an Daniela Harsch, die Bürgermeisterin für Soziales, Ordnung und Kultur. Er schildert darin, wie er bereits seit Ostern versuche, einen Kinderreisepass für seine Tochter zu beantragen.

In Reaktion auf die Corona-Pandemie hat das Tübinger Bürgeramt 2020 die Terminvergabe für Dienstleistungen im Bürgeramt eingeführt, um den Besucherstrom zu regulieren. Versucht man dieser Tage, online einen Termin für eine Ummeldung oder einen Passantrag zu bekommen, wird in der Tat eine Wartezeit von über fünf Wochen fällig. Moser sind außerdem fehlende Flexibilität und mangelnde Termine besonders am Nachmittag ein Dorn im Auge. „Muss ich allen Ernstes das Kind aus der Schule nehmen für diesen Termin?“, ärgert er sich.

Die Gründe für die aktuell teils langen Wartezeiten seien vielfältig, sagt Richard Heß, Leiter der Fachabteilung Bürgeramt. „Manche Zeitfenster sind momentan für die ukrainischen Geflüchteten reserviert“, erläutert er. „Die aktuell etwa 450 Ukrainer im Stadtgebiet müssen sukzessive in die Meldevorgänge integriert werden.“

Als weiteren Grund führt die Stadtverwaltung den Personalmangel an. „Aktuell sind 25 Prozent der Stellen nicht besetzt“, so Harsch. Laut Heß ist es schwierig, diese Stellen nachzubesetzen: „Unsere Mitarbeiter müssen sich für die anspruchsvolle Tätigkeit im Bürgeramt ein breites Spektrum an Wissen aneignen. Bei dem leergefegten Arbeitsmarkt bekommen wir aktuell einfach nicht ausreichend viele geeignete Bewerbungen.“ Verschärfend komme der Platzmangel im Gebäude hinzu, so Heß. Er hofft, dass sich dieses Problem mit dem Umzug des Ausländeramts ins Nebengebäude zum Jahreswechsel entschärfen wird. Auch den Tübingern selbst weist Heß eine Mitverantwortung für den Terminnotstand zu: Oft vereinbarten Bürger mehrere Termine und nähmen nur einen davon wahr, wenn sie kurzfristig einen früheren Termin bekämen.

Für Eilige werden jeden Tag einige Termine neu freigeschaltet. Im Selbstversuch gelang es der Redaktion allerdings nicht, einen kurzfristig freiwerdenden Termin zu ergattern. Einige vor dem Bürgeramt Wartende hatten mehr Glück: Valentin Floss ist froh, innerhalb weniger Stunden einen Termin bekommen zu haben, bevor er wieder in seine Studienstadt abreist. „Ich finde es gut, nicht mehr lange vor Ort warten zu müssen, sondern einen festen Termin zu haben“, sagt er. Hannah Idarous griff zum Telefon, nachdem ihr online eine Wartezeit bis Juli angezeigt wurde. „Es wäre schon praktisch, wenn man auch einfach so hingehen könnte“, sagt sie. „Aber ich habe jetzt innerhalb eines Tages einen Termin bekommen und bin zufrieden.“

Ob ein flexibleres System praktikabler sei? „Das wage ich nicht zu beurteilen“, sagt Christine Weber, die vor dem Bürgerbüro auf Einlass wartet. „Die Mitarbeiter sind professionell und haben das besser im Blick; ich habe keine Kritik.“ Der Neutübinger Jan Halfeev musste zwar einen Monat auf seine Anmeldung in Tübingen warten, hatte es aber nicht eilig: „Auf dem Amt läuft die Welt halt etwas anders“, sagt er gelassen.

Und was ist mit Michael Moser, der gerne mit seiner Tochter in die Pfingstferien reisen möchte? „Der soll mich anrufen“, sagt Heß. „Bis jetzt haben wir immer eine Lösung gefunden.“ Moser wird das kaum überzeugen können. Wenn er die Mitarbeiter telefonisch um einen vorgezogenen Termin gebeten habe, sei er „teils wüst, meist brüskiert abgewiesen“ worden. Oder der Hörer sei einfach wieder aufgelegt worden.

Wie es weitergeht

Laut Sozialbürgermeisterin Harsch will die Stadt grundsätzlich am Terminvergabesystem festhalten. „Wenn wir jetzt auf Nicht-Terminvergabe für alle umschalten, wird das Bürgeramt überrannt, und die Mitarbeiter können das nicht mehr bewältigen“, befürchtet sie. Geplant sei eine schrittweise Öffnung, bei der ab kommender Woche Ausweisdokumente auch ohne Termin abgeholt werden könnten. „Wir hoffen, dass wir damit den Druck ein wenig rausnehmen können“, sagt Harsch. Bürgeramtsleiter Heß hofft mittelfristig auf eine automatisierte Abholung von Pässen; ein solches Verfahren werde bereits in Ludwigsburg ausprobiert. „Sobald das reibungslos funktioniert, werden wir es auch einsetzen“, verspricht er.

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Erstellt:
25.05.2022, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 25.05.2022, 01:00 Uhr

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