Friseur-Handwerk

Klier-Kette ist pleite – und ein Einzelfall

Die größte deutsche Friseurkette, die einen Salon in Tübingen und drei in Reutlingen und Pfullingen betreibt, ist in Schieflage. Die Schulden belaufen sich auf 30?Millionen Euro. Kleine Salons schneiden besser ab.

02.12.2020

Von ALEXANDER OGGER

Fachanwalt Detlef Specovius ergänzt die Klier-Geschäftsführung. Foto: Schultze und Braun

Fachanwalt Detlef Specovius ergänzt die Klier-Geschäftsführung. Foto: Schultze und Braun

Wolfsburg/Deutschland. Der Weg zur Sanierung des größten Deutschen Friseurketten-Betreibers Klier ist frei. Die zuständige Kammer beim Amtsgericht Wolfsburg eröffnete am Dienstag das Insolvenzverfahren. Drei Monate zuvor hatte das Unternehmen bereits ein Schutzschirmverfahren beantragt. Wie die Kammer mitteilt, können Gläubiger ab sofort mögliche Insolvenzforderungen beim zuständigen Sachwalter anmelden. Während des Schutzschirmverfahrens war das Restvermögen des Unternehmens vor Zugriffen von außen geschützt.

Die Friseur-Kette hatte zwar Überbrückungshilfen der Bundesregierung erhalten. Doch hatten diese die hohen Einnahmeeinbußen – besonders während des Shutdowns im Frühjahr – nicht ausgleichen können, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Wie viele der aktuell noch 8500 Jobs bei Klier gefährdet sind, ist derzeit unklar. Die geschäftsführenden Gesellschafter Michael und Robert Klier hatten sich zuversichtlich für einen Neustart gezeigt. Für diesen müsse man sich jedoch leider von unprofitablen Salons und Shops trennen. Eigenen Angaben zufolge betreibt die Kette mit rund 1400 Niederlassungen die bundesweit größte Zahl an Friseurfilialen. Daneben gibt es weitere Standorte in anderen europäischen Ländern. Zur Unternehmensgruppe gehören auch die Marken Essanelle und Super Cut.

Falsche Zahlen über Jobabbau

Die bisherige Geschäftsleitung bleibt im Amt, wird aber mit Detlev Specovius, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Sanierungsexperte, erweitert. Dieser übte im Gespräch mit dieser Zeitung harsche Kritik an der aktuellen Berichterstattung, besonders der einer großen Boulevardzeitung: „Die genannten Zahlen sind falsch und fördern nur die Unsicherheit unter den Mitarbeitern.“ Der Insolvenzplan sei fast fertig und werde, so der Rechtsanwalt, dem Amtsgericht schnellstmöglich vorgelegt. Teil des Retunngsplans, so Specovius, sei möglichst jeden Arbeitsplatz und jede Filiale zu sichern. „Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es unseriös zu sagen, wie viele Filialen geschlossen und wie viele Mitarbeiter entlassen werden müssen, da wir noch mit den Vermietern der einzelnen Standorte verhandeln.“

Während der größte Friseur-Filialist Deutschlands wirtschaftlich zu kämpfen hat, stehen die meisten kleinen und mittleren Handwerksbetriebe der Branche gut da. Das bestätigt auch Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks: „Was die Betriebe gut durch die Krise kommen lässt, ist vor allem das gute Hygienekonzept“.

Derzeit wird ein Kunde nur durch einen Friseur bedient. Zwar streckt sich der Besuch im Salon dadurch erheblich, jedoch beschreibt der Geschäftsführer gerade diese zeitliche Verlängerung als „eine der wenigen Wohlfühlmomente, die es in dieser Zeit noch gibt“.

Der Branchenverband rechnet in der Vorweihnachtszeit obendrein mit einer Umsatzsteigerung. „Der Dezember ist für das Friseurhandwerk schon immer der umsatzstärkste Monat“, sagt Müller. Von einer drohenden Pleitwelle in der Friseurbranche könne vor diesem Hintergrund keine Rede sein.

Zum Artikel

Erstellt:
02.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 18sec
zuletzt aktualisiert: 02.12.2020, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!