Tübingen
Keine Niederlage
Viele Vorwürfe gegen den Amazon-Konzern sind berechtigt. Was aber ist zu tun? Amazon aus Tübingen zu verbannen, hieße ja nur, die Projekte dieses Hightech-Konzerns, der immer noch viel zu oft als großer Versandhändler kleingeredet wird, vielleicht etwas zu verzögern. Und im günstigsten Fall ein paar Wochen später? Werden die Auswirkungen einer Software sozial gerechter, wenn sie in Bangalore entwickelt wird? Transparenter, wenn dies in Shenzhen geschieht? Wie viel Marktmacht wird der Tübinger Einzelhandel in den nächsten Jahren entfalten, um sich den globalen Tendenzen im Warenverkehr entziehen zu können?
Hat man der Amazonschlange lange genug ins geldgierige Auge gestarrt, muss man sich entscheiden. Man kann zum Beispiel laut „Hau ab!“ schreien, und dann zum Selbstschutz den Kopf in den Neckarsand stecken. Man könnte sich aber auch nach Verbündeten umsehen und Werkzeuge zur Verteidigung schmieden:
eine europaweite Gesetzgebung herbeiführen, die Amazon zwingt, einen fairen Steuersatz zu bezahlen, und die dem beinharten Geschäftsgebaren sinnvolle Leitplanken setzt;
Schulen betreiben, die der gelegentlichen Dummheit der Konsumenten wirksam entgegenarbeiten;
in Foren, Gremien und Verbänden in Auseinandersetzung mit der Wissenschaft sinnvolle Grenzen für den Einsatz von KI erarbeiten und Regeln politisch durchsetzbar machen.
Hätte Tübingen nicht in besonders dem dritten Aspekt gewisse Standortvorteile? Amazon in Tübingen ist eine Herausforderung, keine Niederlage.