Arbeitgeber

Rainer Dulger: „Kein Knockdown für die Wirtschaft“

Präsident Rainer Dulger warnt davor, angesichts der dritten Corona-Welle alle Betriebe dichtzumachen. Beim Thema Testpflicht irritieren ihn manche Politiker.

17.04.2021

Von Dieter Keller

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Foto: Bernd Lammel

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Foto: Bernd Lammel

Wie lange halten die Unternehmen in der Corona-Pandemie noch ohne Entlassungen durch? „Je länger der Lockdown dauert, desto größer ist die Gefahr, dass Stellen abgebaut werden“, befürchtet Rainer Dulger, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). „Viele Unternehmen blicken nicht nur in den Abgrund. Ihnen fehlt auch jeglicher Planungshorizont.“ Sie bräuchten dringend eine Perspektive – auch durch schnelles Impfen. Ein Gespräch über Verantwortung von Unternehmern und die Zukunft der Arbeit.

Die Testpflicht für Unternehmen kommt, obwohl Sie sich heftig dagegen gewehrt haben. Warum haben die Arbeitgeber bei der Politik kein Gehör gefunden?

Rainer Dulger: Die Wirtschaft hat in den vergangenen Wochen gezeigt, dass sie mit viel Unternehmergeist und ohne gesetzliche Regulierung ihren Beschäftigten ein Testangebot machen kann. Zudem haben wir uns nicht gegen das Testen ausgesprochen, sondern gegen eine unnötige Test-Bürokratie. Diese Kritik hat die Bundesregierung berücksichtigt, indem sie von ihren wenig realistischen Maximalpositionen Abstand genommen hat. Damit hat sie den Anregungen vieler Unternehmen Rechnung getragen.

Einige Mitglieder der Bundesregierung haben die gesamtstaatliche Verantwortung der Wirtschaft in Frage gestellt.

Das hat mich ehrlicherweise irritiert. Die Betriebe übernehmen schon seit Monaten Aufgaben des Staates, die er nicht in der Lage ist zu erfüllen. Und dafür wird das Engagement der Unternehmen dann auch noch aus Teilen der Bundesregierung diskreditiert – das geht so nicht! Viele Selbständige stehen vor den Trümmern ihrer Existenz und sehen nicht, wie es weitergehen soll. Dann wirken Sprüche wie „Wir müssen der Wirtschaft mal Beine machen“ zynisch. Wir wehren uns gegen die Behauptung, wir seien Teil des Problems.

Zahlreiche Arbeitgeber wollten ihren Mitarbeitern Schnelltests nicht freiwillig anbieten. Haben sie den Ernst der Lage nicht erkannt?

Ich kenne keinen Unternehmer, der seinen Beschäftigten keine Tests anbieten möchte. Natürlich stehen gerade kleine und mittelständische Betriebe vor großen Herausforderungen. Da müssen wir ihnen helfen und sie begleiten. Es muss organisiert werden, dass sie an Tests kommen. Immer noch gibt es große Beschaffungsprobleme. Das sehe ich in meinem eigenen Unternehmen. Da muss es Möglichkeiten geben, ob über die Kammern oder die Kommunen. Außerdem müssen die vielen noch offenen rechtlichen Fragen zügig geklärt werden

Ist es ein Fehler, dass es keine Pflicht für die Mitarbeiter gibt, Tests zu machen?

Das sollte jedem freigestellt bleiben, genauso wie beim Impfen. Verpflichtungen bringen uns nicht voran – weder bei den Beschäftigten noch bei den Arbeitgebern. Natürlich ist es auch ein Zeichen von Respekt gegenüber den Kollegen, wenn ich mich testen lasse.

Nicht nur die Linke, sondern auch Intensivmediziner fordern, für ein paar Wochen alle Betriebe so weit wie möglich zuzumachen, um die dritte Welle zu brechen. Wäre das der richtige Weg?

Das wäre der größte Fehler, den wir machen können. Es gibt mehrere wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass die Arbeitsplätze nicht nur in der Industrie, sondern generell relativ sichere Orte sind. Die meisten Infektionen passieren zu Hause und im Freizeitbereich. Was fehlt, ist ein klarer, evidenzbasierter Ansatz, der auf tatsächlich wirksame Maßnahmen baut. Wir müssen kreativer werden und endlich auch digitale Lösungen einsetzen. Klar ist: Aus dem Lockdown darf kein Knockdown für die Wirtschaft werden. Wo irgend möglich sollte der Betrieb aufrechterhalten werden, damit die Löhne weiter gezahlt werden können und in die Sozialkassen Geld kommt.

Wann ist Corona überwunden?

Vermutlich werden wir es nie völlig überwinden. Wir müssen auch in Zukunft mit diesem Virus leben und lernen, damit umzugehen, wie mit anderen Viruserregern auch. Das Virus wird sich immer wieder verändern. Man wird sich regelmäßig impfen lassen müssen, wie bei der Grippe.

Was bedeutet das für die Arbeitsplätze? Wird Homeoffice zum Normalfall?

Nein, das denke ich nicht. Viele Beschäftigte wünschen sich nichts mehr, als wieder ins Büro gehen zu können. Es gibt eine gewisse Homeoffice-Müdigkeit. Das letzte Jahr hat zudem gezeigt, dass wir große Baustellen in unserer digitalen Infrastruktur haben. Bei den digitalen Netzen besteht enormer Nachholbedarf. Wir brauchen digitalen Highspeed statt Schneckentempo.

Verliert die Arbeit an Stellenwert in der Gesellschaft?

Nein, ganz im Gegenteil. Die jungen Menschen, die ich bei mir im Betrieb kennenlerne, wollen etwas bewegen und verfolgen ihre beruflichen Ziele mit großem Ehrgeiz. Sie kommen mir noch strebsamer vor, als es meine Generation je war. Das finde ich toll.

Die Gewerkschaften bringen gerne die Vier-Tage-Woche mit 32 Stunden ins Gespräch. Ist das ein Thema?

In Deutschland wird leider immer häufig darüber gesprochen, wo das Geld hinfließen soll, aber nicht darüber, wo es herkommen soll. Wir sollten uns ehrlich machen: Wenn wir wollen, dass die Sozialsysteme auch in Zukunft funktionieren und unsere Kinder noch eine auskömmliche Rente bekommen, dann werden wir alle länger arbeiten müssen.

Der Staat macht Hunderte von Milliarden Euro neue Schulden. Wer muss die bezahlen – die Unternehmen oder die Arbeitnehmer?

Nur wenn die Wirtschaft wieder brummt, kann uns das gelingen. Dafür dürfen wir aber weder die Sozialabgaben erhöhen noch die Steuern. Das würde die Unternehmen abwürgen, die schwer angeschlagen sind. Ob Gastronomie, Hotels oder Einzelhandel, die müssen erst wieder auf die Beine kommen. Das schaffen wir nur, wenn wir ihnen freie Hand geben. Wir brauchen jetzt eine Entfesselungsoffensive für die deutsche Wirtschaft.

Sollen Krisengewinnler wie der Versandhandel höhere Steuern zahlen?

Das hielte ich für einen absurden Ansatz. Sie haben mehr Mitarbeiter beschäftigt, mehr Geld in die Sozialkassen und mehr Steuern gezahlt. Leistung darf in unserem Land nicht bestraft werden.

Ein Maschinenbauer spricht für die Arbeitgeber

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist der Dachverband von 48 Arbeitgeberverbänden von der Automobilindustrie bis zu den Zeitungsverlegern sowie von 14 Landesverbänden.

Rainer Dulger ist seit November 2020 BDA-­Präsident. Der 57-jährige promovierte Maschinenbauer ist seit 1998 zusammen mit seinem Bruder geschäftsführender Gesellschafter der Prominent GmbH in Heidelberg. Das von seinem Vater gegründete Unternehmen stellt mit 2700 Mitarbeitern Dosier- und Wasserdesinfektionstechnik her. Von 2012 bis 2020 war Dulger Präsident des Metallarbeitgeberverbands Gesamtmetall und zuvor von Südwestmetall. dik

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Erstellt:
17.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 03sec
zuletzt aktualisiert: 17.04.2021, 06:00 Uhr

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