Die neue öffentliche Toilette an der Rottenburger Neckarpromenade ist schon kaputt.
05.08.2019
Von Gert Fleischer
Vorigen Mittwoch teilte die Stadtverwaltung mit, dass die neue öffentliche Toilette von Freitag, 2. August, an geöffnet sei. Sehr viele Leute können die Feinheiten der Technik nicht erlebt haben, denn am Montagmorgen stand das moderne Klohaus offensichtlich unbenutzbar da. Handwerker hatten Ende voriger Woche zwei WC-Schilder angebracht, damit Passanten schon auf der Brücke Erlösung verspüren. Am Montag wiesen drei Vierkantleisten, die quer ins Türfutter gespannt waren, darauf hin, dass sich der Umweg nicht lohnt. Wer ihn trotzdem ging, las einen Zettel neben der Eingangstür: „WC bis auf weiteres Außer Betrieb“.
Birgit Reinke, Pressesprecherin der Stadtverwaltung Rottenburg, machte sich kundig und verriet uns den Grund: „Der Keilriemen ist gerissen.“ Das klingt ein wenig nach Auto, aber es geht um ein öffentliches Klo. Die Tür sei ein Automatiksystem, erklärte Reinke. Wer rein will, steckt 50 Cent in den Bezahlschlitz, und die Tür öffnet von selbst. Wer drin ist und die Tür schließt, mag vielleicht etwas Beklemmungen bekommen. Erst recht, wenn er weiß, wie der Hersteller sein Gebäude bewirbt: „Stahlbeton Monoblock, haltbar, zerstörungssicher und feuerfest“. Da hört die Gemütlichkeit der nachhaltigen Holzverkleidung auf, die in Rottenburg den Beton kaschiert.
Aber obendrauf ist eine „Polycarbonat Kuppel“, also ein Dachfenster, das für „natürliche Belichtung“ und „verstärkte Belüftung“ sorgen soll. Und vorn ist der Durchschlupf, die Tür, für deren automatisches zweites Öffnen der Kunde bei vorschriftsmäßiger Bedienung schon bezahlt hat. Es dient also höchstens dem Schutz der Insassen, dass diese Tür „zerstörungssicher“, „Graffiti abweisend“ und obendrein „haltbar“ ist. Nur um kein Versäumnis zu begehen, sei auch erwähnt, dass die Innenverkleidung mit HPL-Paneelen hygienisch, schlagfest, feuerfest und extrem haltbar ist, der Aluminium-Boden rutschsicher, Fußabdruck-abweisend, antibakteriell, haltbar und ohne Wartungsbedarf, dass Toilettenpapierspender und Abfallbehälter zerstörungssicher sind und der Edelstahlspiegel unzerbrechlich.
In solch einer Hochsicherheitskabine, in der sogar eventuell dort liegen gebliebene Spritzen aus dem Waschbecken entfernt werden, in solch einem Wunderwerk der Technik für 54.000 Euro ohne Anschlusskosten reißt gleich in den ersten drei Tagen der Benutzung ein Keilriemen für die Türbetätigung!
Ob die Ursache ein technischer Defekt ist oder eine Fehlbedienung, weiß die Stadt nicht. Wahrscheinlich habe der Nutzer oder die Nutzerin einfach den Knopf nicht gedrückt, der die Tür geöffnet hätte. Wie Reinke berichtete, die das Ohne-Herz-Häusle selbst noch nicht von innen gesehen hat, sei diese Knopf gut zu erblicken, wenn man auf der Schüssel sitzt. Wer aber, nachdem er sich erhoben hat, noch einen Umweg übers Waschbecken nimmt, sehe womöglich den etwas tief montierten Knopf nicht. So sei es denkbar, dass der arme Mensch nicht automatisch hinausgefunden, sondern einen Panik-Schub bekommen hat und so viel Kraft entwickelte, dass er die Tür aufbekam. An Vandalismus denke die Stadt derzeit nicht.
Der Hersteller komme Ende der Woche und mache alles wieder ganz, sagte Reinke. Künftig werde ein großes Schild darauf hinweisen, dass der Ausgangsknopf unten links ist. Wahrscheinlich aber ist das der Knopf für Rolli-Fahrer, denn das Wunder-Klo ist selbstverständlich barrierefrei. Wer weiß, vielleicht ist die Tür ja über eine App zu öffnen. Denn laut Sitzungsvorlage des Gemeinderats hat die Toilette Smart-Technologie.
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