Ausbildung
Jugend verschiebt Berufswahl
Offene Stellen, fehlender Nachwuchs: Das Handwerk in Baden-Württemberg kämpft mit den Folgen der Pandemie und einem schlechten Image.
Lieber jetzt bewerben als sich im kommenden Jahr gegen eine größere Konkurrenz behaupten zu müssen: Das rät Peter Haas den Jugendlichen, die trotz Schulabschluss den Einstieg ins Berufsleben noch nicht angegangen sind. „Trotz Corona sollten die Jugendlichen nicht auf das nächste Jahr warten“, ist der Hauptgeschäftsführer des Handwerkstags überzeugt. „Dann wird es nicht mehr so leicht sein, in offene Stellen zu kommen.“ Grund für Haas’ Appell sind konkrete Sorgen.
Mittlerweile erhielten drei von vier Betrieben ohne eigenes Zutun keine Bewerbungen für ausgeschriebene Ausbildungsplätze, berichtete er bei einem Presegespräch. Und nur zwei Prozent der Unternehmen im Handwerk konnten laut Haas zuletzt fehlendes Personal – vor allem Gesellen – ohne Probleme finden. Diese Entwicklung sei bedenklich, so Haas. „Vor Corona lag der Wert noch bei 20 Prozent.“
Auch Arbeitsagentur-Chef Christian Rauch zufolge haben sich die Schwierigkeiten im Handwerk während der Corona-Pandemie verstärkt. „Die Jugendlichen haben das Handwerk aus dem Blick verloren.“ Deshalb sei es umso wichtiger, dass die jungen Leute nun ihre eigenen Erfahrungen machen. „Im Handwerk wird etwa nicht so schlecht bezahlt wie landläufig angenommen wird“, sagte Rauch. Und gerade mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen in Sachen Klimaschutz biete das Handwerk zukunftsorientierte Berufe. Zudem hätten die Betriebe anders als etwa die Industrie ihre Ausbildungszahlen trotz der Pandemie konstant gehalten. „Das Handwerk hält die Stellen offen, sie sind nicht gestrichen.“
Dennoch überzeugen die Berufsaussichten wohl nicht durchweg. Knapp jeder dritte Ausbildungsvertrag im Handwerk wird vorzeitig gelöst, sagte Rauch. Gründe hierfür seien der Wechsel in einen anderen Betrieb, eine andere Ausbildung oder auch in eine Beschäftigung als ungelernte Hilfskraft. „Diese Rate ist jedoch völlig unproblematisch“, konstatiert Rauch. Der Bundesschnitt liege über den Werten im Land.
2900 Lehrstellen unbesetzt
Bis Mitte Oktober haben 18 250 junge Frauen und Männer einen neuen Ausbildungsvertrag im baden-württembergischen Handwerk abgeschlossen. Rund 2900 Lehrstellen sind knapp zwei Monate nach dem Start des Ausbildungsjahres in Handwerksbetrieben im Land jedoch noch unbesetzt.
Besonders im Elektrohandwerk, im Bereich Sanitär-Heizung-Klima, dem Zimmerer- und Maurerberuf sowie dem Lebensmittelhandwerk fehlen die Nachwuchskräfte, betonte Haas. Gerade im Lebensmittelhandwerk und im Baugewerbe komme im Schnitt nur noch auf etwa jede zweite Stelle ein Bewerber.
Insgesamt ließ sich zuletzt jedoch eine positive Entwicklung bei der Beschäftigung der unter 25-Jährigen im Land erkennen. Im Vergleich zum September sank die Arbeitslosenquote bei Menschen unter 25 Jahren um 0,4 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Rauch begründete das vor allem damit, dass mit dem Start des Ausbildungsjahres viele junge Menschen aus der Statistik gefallen seien. Im Jahresvergleich ging die Zahl der unter 25-Jährigen ohne Job sogar um mehr als ein Drittel zurück.
Insgesamt waren im Oktober im Südwesten rund 12 100 Menschen weniger ohne Job als im September, wie die Regionaldirektion der Arbeitsagentur am Donnerstag mitteilte. Die Arbeitslosenquote sank im Monatsvergleich um 0,2 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent. Insgesamt hatten sich zum Stichtag am 12. Oktober 221 702 Menschen arbeitslos gemeldet.