Schwäbische Most-Meisterschaft in Nehren

In der Champions-League der Moste

Bei der schwäbischen Mostmeisterschaft in der Nehrener Musikantenscheune kamen diese Woche auch Akteure aus dem Kreis unter die Besten.

18.05.2018

Von Jürgen Jonas

Prüfer bei der harten Bewertungsarbeit: Stimmen Farbe, Geruch und Geschmack des Most-Jahrgangs 2017? Bild: Franke

Prüfer bei der harten Bewertungsarbeit: Stimmen Farbe, Geruch und Geschmack des Most-Jahrgangs 2017? Bild: Franke

Was macht einen guten Most aus? Das wird bei immer mehr Prämierungen praktisch getestet. Am Mittwochabend hatte der Verein „Schwäbisches Streuobstparadies“ eingeladen, zur „Champions League“ des Ländle-Nationalgetränks. Wohin hätte die schwäbische Mostmeisterschaft besser gepasst als in die Musikantenscheune in Nehren?

Alexander Dehm, stellvertretende Geschäftsführer des Streuobstparadieses, begrüßte zahlreiche Gäste, Mostexperten, Praktiker der Herstellung, Kommunalpolitiker und Vertreter von Vereinen. Sie alle wollten erleben, wie es mit der Mostkultur aktuell bestellt ist, nachdem die Ernte im vergangenen Jahr schwach ausfiel.

Bei dem Wettbewerb sollte in drei Kategorien entschieden werden, wer den Titel „Schwäbischer Mostmeister“ verdient. Dazu waren Sieger aus sechs Kreisen eingeladen, in der Kategorie „Hobby-Moste aus 100 Prozent Kernobst“ und „Hobby-Fruchtmischungen mit mindestens 50 Prozent Kernobstanteil“. Dazu kamen Profi-Erzeugnisse aus Mostereien.

Neustart mit den Dorfschätzen

Von einem generationsübergreifender Neustart für den Most sprach der Vorsitzende des Streuobstparadieses, Mössingens Oberbürgermeister Michael Bulander. Er hob die Verwurzelung des Mostes hervor und lobte die Menschen, die, wie auch der in der Organisation stark beteiligte Obst- und Gartenbauverein Nehren, durch ihre Aktivitäten das Streuobstparadies lebendig hielten.

Die „Dorfschätze“ zählte Nehrens Bürgermeister Egon Betz in seinem Grußwort auf, zu denen neben dem denkmalgeschützten Ortskern und dem Gasthaus Schwanen eben auch die 8000 Obstbäume ums Dorf herum gehören, die gepflegt gehörten. Mostmachen sei angewandter Naturschutz.

Mehr Geschichten vom Most zu erzählen, dazu forderte Landrat Joachim Walter auf. Er selbst berichtete, wie er noch während des Studiums seines Rennrades verlustig ging, weil er bei einem Ausflug im Schwarzwald dem Getränk zu sehr zusprach. Die Pharmaindustrie, meinte Walter, sollte eigentlich dem Most mehr Aufmerksamkeit schenken. Most fördere schließlich Appetit und Verdauung, diene einem stabilen Kreislauf und sei ein probates Mittel gegen Gastritis, Magengeschwüre oder Hämorrhoiden. Dem Verein riet er deshalb zu einer Zusammenarbeit mit der Apothekenumschau.

Gelernter Landwirt ist Martin Ries, Ministerialrat im Ministerium für den ländlichen Raum, und als solcher seit Kindesbeinen mit der Verwertung von Äpfeln und Birnen vertraut. Diese Kultur gelte es zu bewahren, gerade im größten zusammenhängenden Streuobstbaumbestand. Wenn wir den Most haben, brauchen wir weder Redbull noch Iso-Drinks, meinte Ries.

Harmoniert der Obstverschnitt?

Kreisobstberater Joachim Löckelt erläuterte dem Publikum an den zwanzig Biertischen, das insgesamt die Jury bildete, die Bestimmungsprozedur für die 26 Mostproben. Auf Formularen sind Punkte zu vergeben, für äußere und sensorische Prüfmerkmale. Ist der Most klar oder eher trüb, hat er eine schöne Farbe? Wie kommt er geruchlich und geschmacklich daher? Schließlich: Ergibt sich aus dem Zusammenwirken dieser Faktoren eine Harmonie?

Da scharrten die Geschmacksnerven der Prüfer schon mit den Hufen. Endlich trugen etliche gelbbeschürzte Helferinnen und Helfer aus dem Umkreis des Vereins die Krüge zu den Tischen und schenkten ein. Brotstücke und Käsewürfelchen dienten der Geschmacksneutralisierung. Je ein Eimer nahm den Rest im Glas auf.

Das Ritual begann: Hochhalten der Gläser, ein scharfes Auge darauf werfen, den Zinken ins Glas hinein hängen, schluckweise trinken, den Stoff im Mund ausgiebig prüfen. Das Wiegen des Kopfes, bis sich ein Urteil gebildet hat. Dann die Urteilsfällung, die von „Den kann man trinken!“ bis zu „Der hat noch Luft nach oben“ reicht.

Was wäre die Mostprobe ohne würzende Sprüche? Derer hat es reichlich am Tisch, an dem Mostkenner aus Weilheim, Gönningen, Dußlingen und Nehren hocken. Man hört: „Da sagt man gern: Mach einen Abgang!“ Oder: „Der schmeckt wie ein Gewürztraminer“. Dann wieder: „Der käm net in mein Keller!“ Jener Most ist geschönte Ware oder schwäbisch: „Er isch g’riicht!“

Erfahrungsgemäß werden nach der fünfzehnten Probe die Köpfe röter und die Zungen schneller. Das Urteil bleibt dennoch ausgewogen und gerecht. Zwischendurch muss der Dußlinger mal in die „Abteilung für gebrauchte Getränke.“ Ein Nehrener muss sieben Mal niesen. „Jesses, hoffentlich koi Moschtallergie!“

Bloß keine Mostallergie

Dann kommen die „Profi-Moste“ auf den Tisch, solche, die es auch im Einzelhandel zu kaufen gibt, zum Schluss die Mischungen. Insgesamt 26 Proben. Das war ein Schätzen und Schlürfen von Most zu Most. Unterhaltung nebenher durfte nicht fehlen. Das richtige Lied hatten die Steinlach Stompers dabei: „Gang in Keller na, hol Moscht.“ Die bekannte Dixieland-Jazz- und Swing-Formation unterhielt während der Verkostung und während der Auswertung.

Ein Rechenteam machte sich ans Werk und trug aus den Zahlen, die die Tischschriftführer aufnotiert hatten, das Ergebnis zusammen. Bis die Sieger auf die Bühne gerufen werden konnten, um sich von den Politikern die Hände schütteln zu lassen, ihre Urkunden abzuholen und schließlich von Streuobstprinzessin Saskia Fesenbeck aus Böblingen Geschenkkörbe mit regionalen Streuobstparadiesspezialitäten überreichen zu lassen.

Die Ergebnisse der Most-Bewertung

Die Platzierungen bei der Schwäbischen Mostmeisterschaft waren bei den Hobby-Mosten: 3. Platz: August Kottmann, Bad Ditzenbach-Gosbach; 2. Willi Schmalz, Rottenburg; 1. Karl Klein, Münsingen. Profi-Most: 3. Manufaktur Broch, Starzach; 2. IG Steinlachtäler, OGVs des Steinlachtals; 1. Küferei und Kellerei Holweger, Rosenfeld-Täbingen. Fruchtmischungen: 3. Thomas Roos; 2. Alfred Brodbeck; 1. Hans-Martin Haag.

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Erstellt:
18.05.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 31sec
zuletzt aktualisiert: 18.05.2018, 01:00 Uhr

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