Prozess

In Hinterhalt geführt und erschlagen

Weil sie sich von ihrem Partner vernachlässigt fühlt, wendet sich eine Frau dessen Bruder zu. Schließlich sollen beide den Mann ermordet haben.

26.06.2021

Von JÜRGEN SCHÄFER

Die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Ulm. Foto: Stefan Puchner/dpa

Die beiden Angeklagten mit ihren Verteidigern im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Ulm. Foto: Stefan Puchner/dpa

Ulm. Ein 26-Jähriger wird tot an der Fils in Ebersbach (Kreis Göppingen) gefunden – erschlagen mit einem Vorschlaghammer. Mutmaßlich musste er sterben, weil er der Beziehung seiner Partnerin mit seinem Bruder im Wege stand. Am Freitag hat vor dem Landgericht Ulm der Prozess um den gewaltsamen Tod des Mannes begonnen.

Die Staatsanwaltschaft hält die Ehefrau – eine deutsche Muslimin – und einen Bruder für die Täter. Sie wirft ihnen gemeinschaftlichen Mord vor. Der Fall erregte damals, am 21. Dezember 2020, einiges Aufsehen, weil es sich bei dem Opfer um einen Pakistaner handelte, der sich als stellvertretender Imam in einer Moschee in Stuttgart-Bad Cannstatt engagiert hatte. Dies löste zunächst wilde Spekulation aus – sogar der pakistanische Botschafter soll sich eingeschaltet haben. Zum Prozessauftakt sind einige Mitglieder der Moschee-Gemeinschaft angereist. „Wir sind natürlich erschüttert“, sagt einer von ihnen. Der Getötete, den sie seit Jahren kannten, sei ein freundlicher, liebenswürdiger Mann gewesen.

Was am frühen Abend des 21.?Dezember in Ebersbach geschah, versucht das Gericht in zwölf Verhandlungstagen aufzuarbeiten. Staatsanwalt Stefan Adamski geht davon aus, dass die beiden Angeklagten eine Liebesbeziehung eingegangen seien und zusammenleben wollten. Alle drei hätten, so die Ermittlungen, seit Frühjahr 2020 unter einem Dach in Ebersbach gelebt; der jüngere Bruder bei der Familie des Älteren. Das Paar hatte drei kleine Kinder.

Der Familienvater soll bei seinen Jobs als Taxifahrer und Pizzabote aufgrund der Pandemie immer weniger Aufträge bekommen haben. Er beschäftigte sich mehr und mehr mit der islamischen Religion und wurde Vertreter des Vorbeters in Bad Cannstatt. Der Staatsanwalt schilderte, wie sich die damals 30-Jährige dadurch mit Kindern und Haushalt zunehmend allein gelassen fühlte. Halt fand sie demnach beim Bruder ihres Partners. Am Tattag soll die Ehefrau ihren Mann gebeten haben, mit ihr an der Fils spazieren zu gehen. An einem Schotterweg soll sie ihn an eine nicht einsehbare Stelle im Bereich einer Unterführung gelockt haben. Der Täter habe sich dann von hinten genähert und mit einem Vorschlaghammer mehrfach auf das Opfer eingeschlagen haben. Der 26-Jährige starb noch am Tatort.

Aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch sollen die Angeklagten gehandelt haben. Im Gerichtssaal sitzen eine mütterlich wirkende Angeklagte, 31 Jahre alt, die dem Prozess scheinbar ergeben folgt. Und ihr Schwager, ein schlanker, junger Mann (25), kurze Haare, kurzer Bart bis an die Schläfen. Er verfolgt das Geschehen scheinbar interessiert.

Wie die Frau dagegen den Ablauf der Tat bei der Polizei geschildert hat, sollen Videoeinspielungen demonstrieren. Dass zwei maskierte Unbekannte auf ihren Mann eingeschlagen hätten und dann geflüchtet seien, gab sie an. Dunkel gekleidet seien diese gewesen, der eine groß und schlank, der andere kleiner und eher kräftig.

Die Kamera läuft. Die Angeklagte geht mit einem Ermittler, wie am Tatabend mit ihrem Mann, den Fußweg entlang. Sie nähern sich dem Tatort. „Das war ganz vorn“, sagt die Angeklagte. Dort habe sich ihr Mann umgedreht, die Arme nach oben gehoben und sie mit dem Ellbogen weggestoßen. Dann sei er von den Unbekannten niedergesschlagen worden. Sie habe dann selber einen Schlag auf den Rücken bekommen.

Ver Verteidiger bemängelte vor Gericht, er habe das meiste, was in dem Video gesagt worden sei, „nicht verstanden“. Er griff auch das Beweismittel an sich an. Seine Mandantin sei suggestiv befragt worden, sie sei von der Ermittlungsbehörde beeinflusst.

Fortgesetzt wird der Prozess am 2. Juli, dann mit sechs Zeugen und drei Sachverständigen. Insgesamt sollen 16 Zeugen und vier Sachverständige zur Aufklärung beitragen. (mit dpa)

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Erstellt:
26.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 26.06.2021, 06:00 Uhr

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