Corona

Impfeinladungen mit Bratwurst, Party und mehrsprachigen Videos

Lernen von den Thüringern: Weil es kostenlos eine Bratwurst dazu gab, ließen sich in Sonneberg 100 Menschen mehr impfen als sonst üblich.

03.08.2021

Von MICHAEL GABEL

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) lobte den Ansatz. „Wir müssen die Leute überzeugen. Lebensnahe Angebote gehören dazu“, twitterte er.

Das Vorgehen der Thüringer ist deshalb so interessant, weil das Impftempo in Deutschland in den vergangenen Wochen stark nachgelassen hat. Um dem Coronavirus den Garaus zu machen, wäre laut Robert-Koch-Institut für Deutschland eine Impfquote von um die 85 Prozent erstrebenswert. Derzeit haben 61 Prozent die erste Dosis erhalten, gut 52 Prozent sind vollständig geimpft.

Drei Wege werden erwogen, um die Impfneigung der Deutschen zu befördern. So denken Politiker wie Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) laut darüber nach, Impfverweigerern das Leben zu erschweren, indem etwa die obligatorischen Corona-Tests kostenpflichtig werden. Ob es so kommen wird, ist allerdings unklar. Andere fordern, dass zunächst Hürden abgebaut werden, damit sich bisher Unentschlossene mit dem Impfen leichter tun. Über mehr Lockangebote, vielleicht sogar in Form von Geldgeschenken, wird ebenfalls diskutiert. Nur ein Impfzwang wird weiterhin von Bund und Ländern ausgeschlossen.

Die meisten Fachleute empfehlen, zunächst einmal Menschen gezielter anzusprechen, die bisher vielleicht die Bedeutung der Impfungen noch nicht richtig verstanden haben – etwa weil sie nicht gut genug Deutsch sprechen. So hat der Flüchtlingsrat Niedersachsen zusammen mit Ärztinnen und Ärzten Infovideos in verschiedenen Sprachen erstellt, unter anderem in Kurdisch, Somalisch, Russisch und Arabisch. „Wir waren erschrocken darüber, wie niedrig die Coronaimpfquoten in Gemeinschaftsunterkünften sind“, begründete der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, Kai Weber, gegenüber dem „Deutschen Ärzteblatt“ die Aktion.

Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt, befürwortet niedrigschwelligere Angebote für die gesamte Bevölkerung. Für Arztpraxen empfiehlt sie Impfangebote ohne Termin sowie spezielle Sprechstunden am Abend und an Wochenenden. Wichtig sei auch das „aufsuchende Impfen“ mit mobilen Teams, etwa in Stadtteilen mit einem hohen Migrantenanteil. Der Main-Kinzig-Kreis hat eine solche Aktion bereits mit einigem Erfolg unter dem Motto „Dein Pflaster“ durchgeführt. Bei einer ähnlichen Veranstaltung am Berliner Hermannplatz bildeten sich lange Schlangen.

Pick-Up-Trucks und Gewehre

Der Landkreis Gießen ging einen anderen Weg. Er veranstaltete eine lange Impfnacht mit Musik und alkoholfreien Drinks. Mit dem Programm, das um 22 Uhr begann und erst am nächsten Morgen endete, wurden vor allem Jüngere angesprochen. Auch in deutschen Fußballstadien gab es Versuche, ein neues Klientel für das Impfen zu erschließen – beim Viertligisten Liga FC Carl Zeiss Jena ebenso wie zum Beispiel beim Erstliga-Klub Eintracht Frankfurt.

In anderen Ländern geht man mit den Angeboten wesentlich weiter. Im US-Bundesstaat Ohio konnten Bürger bei einer Lotterie eine Million Dollar gewinnen, wenn sie sich impfen ließen. In New York waren es sogar fünf Millionen Dollar. In West Virginia lockten als Gewinne Pick-Up-Trucks und Jagdgewehre. 12- bis 17-Jährige, die sich impfen ließen, konnten in New York Stipendien für ein College oder eine Universität gewinnen. Außerdem sind im Lostopf vielerorts Kreuzfahrten, Einkaufsrabatte und Freikarten für Freizeitparks und Sportveranstaltungen.

Russen winken als Preise Autos und Wohnungen. Auf der indonesischen Insel Java sind die Gewinnmöglichkeiten dagegen bescheidener: Wer sich dort impfen lässt, kann im Idealfall mit einer Ziege oder einem Huhn nach Hause gehen.

Mit Geldgeschenken werden unter anderem Serben und Griechen gelockt. Während aber in Serbien Frischgeimpfte ihre 25 Euro ausbezahlt bekommen, bietet Griechenland einen Gutschein in Höhe von 150 Euro an, mit dem Bahnfahrten und Museumsbesuche bezahlt werden können. Jetzt hat auch US-Präsident Joe Biden angekündigt, dass jeder neugeimpfte US-Bürger 100 Dollar bekommt.

In Deutschland stehen Geldgeschenke bei den für die Impfkampagne zuständigen Ländern nicht auf der Prioritätenliste. Möglicher Grund: Finanzielle Wohltaten für Nachzügler kämen hierzulande bei den bereits lange Geimpften wahrscheinlich nicht gut an. Michael Gabel

Zum Artikel

Erstellt:
03.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 52sec
zuletzt aktualisiert: 03.08.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!