Interview

Bildungsministerin Karliczek: „Ich wünsche mir kürzere Drähte“

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) will mit den Ländern mehr über Inhalte reden – und „sehr gern“ unter einem Kanzler Armin Laschet weiterarbeiten.

28.01.2021

Von MICHAEL GABEL, ELLEN HASENKAMP

 Anja Karliczek (CDU) bei einer Presseerklärung zum Stand der Impfstoffentwicklung gegen Covid-19. Foto: Michael Kappeler/dpa

Anja Karliczek (CDU) bei einer Presseerklärung zum Stand der Impfstoffentwicklung gegen Covid-19. Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin. Dass die Schulen Mitte Februar wieder öffnen, will Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) nicht versprechen. Aber ihr Haus will Ferienschulen unterstützen, damit die Kinder versäumten Stoff nachholen können. Die Pandemie, findet Karliczek, bedeute nicht nur einen Digitalisierungsschub, sondern auch einen Schnellkurs in Sachen wissenschaftlichen Arbeitens.

Wann können die Schulen wieder geöffnet werden?

Anja Karliczek: Der weitere Verlauf des Infektionsgeschehens ist in diesen Tagen nach wie vor nicht absehbar. Deshalb haben wir uns in der Runde der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten erst vor einer Woche darauf geeinigt, zunächst bis Mitte Februar sehr vorsichtig zu sein. Erst wenn die Infektionszahlen stabil runtergehen, und wir genauere Erkenntnisse über die Mutationen haben, können die Schulen wieder nach und nach geöffnet werden. Große Vorsicht bleibt ein guter Ratgeber, auch wenn natürlich nur zu verständlich ist, den Kindern und Jugendlichen wieder rasch das gemeinsame Lernen ermöglichen zu wollen.

Also wird es eher Mitte April?

Das kann man so nicht sagen. Das wird auch auf die Situation in den verschiedenen Regionen ankommen. Dort, wo das Infektionsgeschehen wieder unter Kontrolle ist, wird man sich mehr erlauben können als in anderen Landesteilen. Bei allen Öffnungsüberlegungen werden die Schulen und Kitas natürlich immer vorn stehen.

Wenn die einen dann zur Schule gehen dürfen und die anderen nicht, ist das nicht sehr ungerecht?

Wir müssen diese Pandemie unter Kontrolle bringen. Mit 800?oder 900 Toten am Tag will sich doch wohl keiner abfinden. Wir wissen, was wir den Kindern und Jugendlichen und deren Eltern zumuten. Es muss nach der Öffnung der Schulen alles daran gesetzt werden, Lerndefizite aufzuholen. Deshalb bin ich dafür, dass vor allem die Sommerferien genutzt werden, um den Schulstoff nachzuarbeiten. Mit unserem Programm „Kultur macht stark“ wollen wir solche Lern-Sommerangebote bundesweit unterstützen.

Warum funktioniert der digitale Unterricht so schlecht?

Die Versäumnisse lagen schon vor der Coronakrise. Einige Schulen waren gut vorbereitet, ein Großteil aber nicht. Aber seit der ersten Phase der Pandemie hat sich auch dank des Digitalpakts eine Menge verbessert.

Aber es geht nur schleppend voran. Wünschen Sie sich in der Bildungspolitik mehr Zuständigkeiten für den Bund?

Die Länder bleiben zuständig für die Bildung. Wir brauchen aber eine bessere Zusammenarbeit, wie wir es bei Hochschule und Wissenschaft seit langem praktizieren. Und ich wünsche mir kürzere Drähte zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Wir reden viel über Geld, das wir an die Länder geben, die das wiederum an die Kommunen weiterleiten. Daher sollten diese frühzeitig einbezogen werden. Aber viel zu wenig thematisieren wir dabei, wo wir in der Bildung hinwollen und wer dazu was beitragen sollte. Darum geht es.

Was schwebt Ihnen vor?

Bund und Länder sollten zum Beispiel gemeinsam beschließen können, dass der Bund insbesondere die Entwicklung digitaler Bildungsangebote unterstützen kann.

Bildungsinhalte sind aber Ländersache. Sehen Sie die nötige Mehrheit für eine Grundgesetzänderung?

Es bewegt sich etwas. Deshalb sehe ich durchaus Chancen, dass es am Ende dafür eine breite Mehrheit gibt. Um es klar zu sagen: Wir wollen den Ländern nichts vorschreiben. Es geht darum, die Grundlage für eine bessere Kooperation zu schaffen. Wir müssen unser Bildungssystem insgesamt weiterentwickeln. Es ist gut, aber es muss noch viel besser werden.

Die Corona-Mutationen bereiten Sorgen, aber wir wissen nicht einmal, wie sehr sie bei uns verbreitet sind. Muss da nicht mehr kommen von der Wissenschaft?

Unsere Wissenschaft ist hoch leistungsfähig. Die Sequenzierung wird jetzt hochgefahren. Wichtiger ist noch, die Folgen der Mutationen einzuschätzen. Hier sind wir gut aufgestellt.

Aber den britischen Laboren verdanken wir die Frühwarnung, dass da was Neues unterwegs ist. Darauf beruhen die drastischen neuen Lockdown-Maßnahmen.

Wir müssen wissen, ob die steigenden, britischen Infektionszahlen wirklich allein auf die Mutation zurückzuführen sind oder ob dort nicht schon vorher die Kontrolle verloren wurde.

Es sind nach einem Jahr Pandemie weitere Fragen offen. Sind Geimpfte Überträger? Wie groß ist die Gefahr in Bussen und Bahnen? Was ist mit den Schulen? Das ist doch frustrierend.

Wir sind gerade als Gesellschaft sozusagen auf Ballhöhe mit der Wissenschaft und ihrer Arbeit. Wir lernen, wie Wissenschaft sich vortasten muss und oft nur Schritt für Schritt vorankommt, ja zum Teil auch Rückschritte erleben muss. Das ist nicht frustrierend, sondern vielleicht sogar erhellend, auch wenn sich jeder schnelle Fortschritte wünscht. Vielleicht bekommt die Gesellschaft so auch einen anderen Zugang zur Wissenschaft.

Das Thema Wissenschaftskommunikation ist Ihnen besonders wichtig. Warum?

Die Geschwindigkeit von Innovationen nehmen zu. Künstliche Intelligenz, die Digitalisierung, neue Energien – all das verändert unseren Alltag. Aus meiner Sicht zum Positiven. Und dennoch brauchen wir einen verständlichen Zugang zu diesen Themen. Und auch, weil wir junge Menschen dafür gewinnen wollen, in dem Bereich zu arbeiten.

Wir sind Zeugen eines gigantischen Forschungserfolgs: der Impfstoff gegen Covid. Doch viele sind misstrauisch. Was tun?

Wir haben die Impfstoffentwicklung von Anfang an begleitet. Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten, hatte dabei oberste Priorität. Die mRNA-Technologie des Biontech-Impfstoffs wird außerdem seit über 20 Jahren erforscht. Diese Technologie ist von größter Bedeutung; auch im Kampf gegen Krebs. Das müssen wir noch viel klarer machen, was das für ein Potenzial hat.

Sie klingen begeistert. Wollen Sie auch nach der Wahl im Herbst Forschungsministerin bleiben?

Wir haben viel in Bewegung gesetzt – und das vier weitere Jahre fortsetzen zu können, wäre mein Wunsch. Ich würde auch sehr gerne den ersten Quantencomputer in Betrieb nehmen.

Vielleicht zusammen mit einem Kanzler Armin Laschet?

Sehr gern!

Zum Artikel

Erstellt:
28.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 47sec
zuletzt aktualisiert: 28.01.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!