Long Covid · Interview

„Lindenstraße“-Schauspieler Kahrmann: „Ich habe keine Luft gekriegt“

„Lindenstraße“-Star Christian Kahrmann infizierte sich im März mit Corona. Noch heute leidet er. Was er erlebt hat und wie er aufklären will.

09.11.2021

Von Yasmin Nalbantoglu

Am Leben, aber gezeichnet: Der ehemalige „Lindenstraße“ Schauspieler (Benny Beimer) spricht über seine Long-Covid-Erkrankung – und will auf die Gefahren von Corona hinweisen. Foto: Volkmar Könneke

Am Leben, aber gezeichnet: Der ehemalige „Lindenstraße“ Schauspieler (Benny Beimer) spricht über seine Long-Covid-Erkrankung – und will auf die Gefahren von Corona hinweisen. Foto: Volkmar Könneke

Ulm. Viele kennen ihn noch als „Benny Beimer“ aus der ARD-Serie „Lindenstraße“. In diesem Jahr musste Schauspieler Christian Kahrmann einiges durchmachen: Wegen einer Covid-Erkrankung lag er im Koma, verlor währenddessen seinen Vater, später seine Mutter. Heute leidet er an Long Covid.

Wie geht es Ihnen heute?

Christian Kahrmann: Das ist eine berechtigte Frage. Manche Tage sind besser, manche schlechter. Heute Nacht habe ich zum Glück mal wieder ganz gut geschlafen. Ich habe aber noch Schlafstörungen und andere Beeinträchtigungen.

Wann sind Sie an Covid 19 erkrankt?

Am 7. März bekam ich auf einmal Grippesymptome. Gliederschmerzen. Es war relativ mild. Ich dachte mir: Hoffentlich ist es nicht Corona. Ich habe gerade meine Eltern in Köln besucht, meine Mutter wurde ins Hospiz verlegt. Dort konnte ich mich jeden bis jeden zweiten Tag testen: immer negativ. Aber ich habe dem Ganzen noch nicht getraut. Ich sagte meiner Freundin, die mich begleitet hatte, lass uns lieber zurück nach Berlin fahren. An diesem Tag sollten meine zwei Töchter zu mir kommen. Ich habe kurz vorher nochmal einen Schnelltest gemacht. Er war sofort positiv.

Wie ging es dann weiter?

Ich war in Quarantäne, fühlte mich immer schlechter. Das Fieber ging bis zu 41 Grad. Am 18. März gegen 20 Uhr habe ich keine Luft mehr gekriegt. Sie haben mich dann aber abgeholt und ins Krankenhaus gebracht. Auf der Intensivstation hat man mir relativ früh erklärt, dass es so nicht mehr geht und ich ins künstliche Koma verlegt werden muss. Das ist am 19. März passiert.

Wie lange lagen Sie im künstlichen Koma?

17 Tage. Bis ich aber wieder richtig da war, waren es drei Wochen. Ich hatte einen Luftröhrenschnitt und einen Tubus im Rachen. Ich hatte 20 Kilo abgenommen und war total entkräftet. Die Haut in meinem Gesicht war aufgeplatzt, weil ich acht Stunden am Tag auf dem Bauch mit dem Gesicht auf diesem Gerät lag. Es sind Narben entstanden, auch von dem kleinen Schlauch, der Sauerstoff in den Tubus hineinführt. Ich sah aus, als wäre ein Laster über mich gefahren.

Bis heute leiden Sie unter den Folgen der Long-Covid-Erkrankung. Können Sie ihre Symptome beschreiben?

Durch Long Covid, aber auch die anderen Dinge, die ich in diesem Jahr erlebt habe, die nicht erheiternd sind, habe ich Depressionsphasen. Ich habe Fatigue-Anfälle. Gelenk- und Muskelschmerzen. Auch mein zentrales Nervensystem ist angeschlagen. Deswegen habe ich beim Laufen Schmerzen. Ich kann weder lange sitzen noch stehen. Mein Blutbild und die Funktion meiner Organe werden ständig überwacht. Die sind auch durch das Virus beeinträchtigt.

Sind Sie heute noch in Behandlung?

Ich habe jeden Tag eine Art von Therapie. Im Moment bin ich in einer Tagesklinik, in der ich besonders den psychischen Effekt der Krankheit verarbeite.

Viele Menschen möchten sich nach wie vor nicht gegen Corona impfen lassen. Was ist Ihre Meinung zu der Impfdebatte?

Es macht mich ratlos und sprachlos. Ich bin kein Mediziner, ich kann nur sagen: Die Angst vor den Auswirkungen einer Impfung sind unbegründet. Ich habe schon die Booster-Impfung bekommen. Eine Corona-Erkrankung aber ist wie Roulette: Der eine bekommt nur Husten, der andere hat den Jackpot und landet auf der Intensivstation. Klar kann man bei der Impfung leichte Reaktionen haben. Aber es steht in keinem Verhältnis zu dem, was ich habe erleben müssen.

Bald sind sie in der RTL-Sendung „Unbreakable“ zu sehen. In der Show geht es darum, über seine Grenzen hinauszuwachsen. Haben Ihnen die Dreharbeiten geholfen, mit diesem schweren Jahr abzuschließen?

Erst war ich der Sendung sehr kritisch gegenüber. Ich wollte nicht der Quoten-Corona-Typ sein. Dann hat sich RTL mehrfach mit mir an den Tisch gesetzt. Als mir klar war, dass das keine Trash-Sendung wird, habe ich zugesagt. Vieles meiner heutigen Zuversicht und Kraft habe ich aus den Dreharbeiten gezogen. Es ist eine tolle Sendung geworden, die die Leute sehr berühren wird. Ich habe dabei Sachen gemacht, die hätte ich mir vorher nie träumen lassen.

Zum Beispiel?

Aus einem Hubschrauber heraus in einen See springen!

Glauben Sie, durch ihre Bekanntheit haben Sie einen Vorteil in der Corona-Aufklärungsarbeit?

Ich will niemanden belehren, aber: Impfen kann Leben retten. Vielleicht hören die Leute anders hin, weil sie mich als Schauspieler kennen. Ich bekomme gerade viele Anfragen, muss aber aufpassen, dass ich mich nicht überfordere. Aber wenn ich in der Quintessenz etwas dazu beitragen kann, dass sich der ein oder andere doch Gedanken zur Impfung macht, ist das eine gute Sache.

Zur Person

Christian Kahrmann wurde durch die beliebte TV-Serie „Lindenstraße“ bekannt. Darin verkörperte der heute 49-Jährige den „Benny Beimer“. Bis Dezember 2020 war Kahrmann als Gastronom in Berlin tätig. Wegen der Pandemie musste er sein Café schließen. In diesem Jahr verlor der Schauspieler seinen Vater wegen Corona, seine Mutter starb an Krebs. Kahrmann hat zwei Töchter im Alter von 10 und 14 Jahren. Von deren Mutter ist er getrennt.

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Erstellt:
09.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 33sec
zuletzt aktualisiert: 09.11.2021, 06:00 Uhr

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