Banken

Hauptsache wirtschaftlich stabil

Sparkassen sehen es als ihre Hauptaufgabe, die Wirtschaft der Region in guten wie in schlechten Zeiten mit Krediten zu versorgen. Zu deren Absicherung bilden sie Rücklagen, die Gewinne fließen hauptsächlich ins Eigenkapital. Auch treten die Sparkassen als Spender auf. Als einzige der 50 selbstständigen baden-württembergischen Sparkassen schüttet die Kreissparkasse Reutlingen einen Teil ihres Gewinns an den Landkreis aus: seit Jahren jeweils eine Million Euro.

17.12.2021

Von Text: Renate Angstmann-Koch

Das Geld fließt in den Kreishaushalt und wird für die Kreiskliniken eingesetzt. So verfährt die Kreissparkasse Reutlingen schon seit 1996. „Grundlage für die Ausschüttungen waren sehr gute Geschäftsergebnisse, an denen der Landkreis als damaliger Gewährträger und heute als Träger der Kreissparkasse partizipieren sollte“, begründet Andreas Lehmann, Leiter der Abteilung Unternehmenskommunikation, das Vorgehen.

Neben der Versorgung „aller Bevölkerungsschichten und der Wirtschaft“ mit Finanzdienstleistungen und einem „umfangreichen Spenden- und Sponsoringengagement“ sehe man die Ausschüttungen als „weiteren Baustein zur Förderung der Region“. Der Verwaltungsrat der Kreissparkasse entscheide Jahr für Jahr aufs Neue, ob eine Ausschüttung möglich und sinnvoll ist.

Die Kreissparkasse Reutlingen lag im Jahr 2020 mit einer Bilanzsumme von fast 5,9 Milliarden Euro, einer Eigenkapitalquote von 17,6 Prozent und einem Spendenaufkommen von 500 000 Euro in einer ähnlichen Größenordnung wie die Kreissparkasse Tübingen (siehe Grafik). Im Bericht über das Geschäftsjahr 2020 weist Reutlingen allerdings mit 5 Millionen Euro (2019: 7 Millionen Euro) einen mehr als doppelt so hohen Jahresüberschuss nach Steuern aus. Bei der Kreissparkasse Tübingen lag der Jahresüberschuss in den zurückliegenden Jahren zwischen 2,5 Millionen Euro (2016) und 2,3 Millionen Euro (2020).

Forderung nach Ausschüttung

Bis vor gut zehn Jahren gab es auch im Tübinger Kreistag regelmäßig Forderungen nach einer Ausschüttung, wenn der jeweilige Sparkassendirektor den Geschäftsbericht der KSK vorstellte. Meist brachte der frühere CDU-Kreisrat Heiner Norz aus Rottenburg das Thema auf. Aber auch die Grünen verlangten über Jahre hinweg, dass die Kreissparkasse einen Teil ihres Gewinns an ihren kommunalen Träger abführt: „Die Schere zwischen der wohlbestellten Kreissparkasse und der katastrophalen Finanznot des Landkreises und seiner Städte und Gemeinden geht so weit auf, dass diese Frage jetzt auf den Tisch muss“, sagte Gerd Hickmann, damals Vorsitzender der Kreistagsfraktion der Grünen, etwa bei den Haushaltsberatungen 2004.

Die Fraktion forderte, dass die Sparkasse bei einem erwarteten Bilanzgewinn von 7,5 Millionen Euro im Jahr 2004 ein bis zwei Millionen Euro für den Kreis abzwackt. Denn obwohl sie unter den „Fittichen“ des Landkreises so gut gediehen sei, dass sie „hervorragend“ dastehe, habe sie – anders als ihre Schwester in Reutlingen – den Landkreis „noch nie an ihrem Reichtum teilhaben lassen“. Nun sei „Solidarität in der kommunalen Familie“ gefragt.

Allerdings waren die Voraussetzungen damals deutlich andere als heute. Der Kreis und seine Städte und Gemeinden waren in echter Finanznot. Nach dem Sparkassengesetz konnte eine Sparkasse bis zu 25 Prozent ihres Bilanzgewinns an ihren Gewährträger ausschütten, sofern das Eigenkapital mehr als 4 Prozent der Bilanzsumme betrug. Tatsächlich hatte die Kreissparkasse Tübingen 2003 eine Quote von 4,39 Prozent.

Nach der Finanzmarktkrise sind die Anforderungen jedoch deutlich gestiegen. Ohnehin, sagt Gerd Hickmann heute, leiden die Sparkassen in der heutigen Niedrigzinsphase unter einer viel schwierigeren Marktsituation – während der Landkreis finanziell besser gestellt ist. So ist die früher stets erfolglos erhobene Forderung nach einer Gewinnausschüttung auch für die Tübinger Kreistags-Grünen schon lange kein Thema mehr.

„Tübingen hat noch nie ausgeschüttet und gesagt, wir brauchen Eigenkapitalbildung“, sagt Direktor Klaus Rein von der Kreissparkasse. Als Anstalt des öffentlichen Rechts sei es nicht deren Aufgabe, Gewinnmaximierung zu betreiben und Ausschüttungen für kommunale Träger zu erwirtschaften. Wenn man das Kreditvolumen in der prosperierenden Region ausweiten wolle, müsse man auch das Eigenkapital aufstocken. Das wiederum ist für eine Sparkasse weder durch die Ausgabe von Aktien möglich noch durch Genossenschaftsanteile. „Wenn die Aufsicht ihre Eigenkapitalanforderungen anhebt, können wir dem immer nur aus eigener Kraft nachkommen.“

Früher musste die Eigenkapitalquote bei 8 Prozent liegen. Dann wurde zusätzlich ein Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 Prozent gefordert. Hinzu kam ein „antizyklischer Kapitalpuffer“ von bis zu 2,5 Prozent, der zwar derzeit wegen Corona ausgesetzt sei, von der Aufsicht aber jederzeit aktiviert werden könne: „Das müssen wir mit berücksichtigen.“ Insgesamt komme man so auf eine Eigenkapitalanforderung von bis zu 13 Prozent.

„Mir ist am wichtigsten, dass die Kreissparkasse in der Lage ist, Kredite für die Wirtschaft auszugeben“, begründet Tübingens Landrat Joachim Walter, gleichzeitig Präsident des baden-württembergischen Landkreistags und Vorsitzender des Verwaltungsrats der örtlichen Kreissparkasse, weshalb der Kreis Tübingen auf solche Ausschüttungen verzichtet.

„Wir sind uns einig, dass der Gewinn ins Eigenkapital fließt“, sagt Walter. Ihm sei vor allem eine wirtschaftlich stabile Kreissparkasse wichtig. Das sehe man auch im Kreistag so. Die Kreissparkasse komme ihrer Gemeinwohlverpflichtung über Stiftungen nach. Ihre Eigenkapitalquote liege derzeit bei 17 Prozent. Doch man brauche die Sicherheit, weil sich die Zinskrise gerade bei den Sparkassen niederschlägt. Auch rechnet der Landrat damit, dass der Anforderungsdruck, die Eigenkapitalquote zu erhöhen, anhält.

Das Problem seien die Negativzinsen der Sparkassen gegenüber der Europäischen Zentralbank EZB. Man baue Personal ab, versuche aber, ohne Kündigungen auszukommen. Auch wurde das Filialnetz verkleinert – zum einen, weil wegen der Möglichkeit des Online-Bankings weniger Kunden in die Filialen kommen, und zum anderen um zu sparen.

Gemeinwohlverpflichtung

Überdies: „Wir haben als Träger kein Geld reingesteckt, das verzinst werden müsste‘“, führt Walter als weiteres Argument gegen eine Gewinnausschüttung an. Könnte die Kreissparkasse keine Kredite mehr ausgeben, wäre der Schaden größer, als auf eine Ausschüttung zu verzichten. Zumal sich der Landkreis nicht in finanzieller Not befinde: „Es ist nicht so, dass wir soziale Initiativen nicht unterstützten könnten.“ Wenn der Kreis Zuschussanträge ablehne, habe das konzeptionelle, keine finanziellen Gründe.

Um zu unterstreichen, wie weit sie ihrer Gemeinwohlverpflichtung nachkommen, führen die Kreissparkassen auch ihre Rolle als Arbeitgeber, Ausbilder und Steuerzahler an. „Wir sind ein bedeutender Steuerzahler in der Region. Allein im Jahr 2020 betrug die Gewerbesteuer fast 6 Millionen Euro. Dieser Betrag fließt direkt in den Haushalt der Kommunen im Landkreis“, betont Klaus Rein. Im Jahr 2016 führte die Kreissparkasse Tübingen 7,6 Millionen Euro Gewerbesteuer und 7,5 Millionen Euro (2020: 6,8 Millionen Euro) Körperschaftssteuer ab. Überdies kaufe man bei Händlern in der Region und beauftrage heimische Handwerker und Dienstleister, wo immer es möglich sei.

Der Sparkassenverband Baden-Württemberg verweist darauf, dass seine Mitglieder jedes Jahr über 50 Millionen Euro für soziale Belange aufwendeten. Die 101 Stiftungen der 50 Sparkassen in Baden-Württemberg verfügten über ein Vermögen von 319 Millionen Euro.

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Erstellt:
17.12.2021, 07:55 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 09sec
zuletzt aktualisiert: 17.12.2021, 07:55 Uhr

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