Landesregierung

Häuslebauer in der Pflicht: Solardächer auf Neubauten

Die Eckpunkte des neuen Klimaschutzgesetzes stehen: Noch vor der Sommerpause will die Koalition das Vorhaben in den Landtag einbringen.

14.07.2021

Von Jens Schmitz

Die Solarpflicht für Häuslebauer kommt. Foto: © Diyana Dimitrova/Shutterstock.com

Die Solarpflicht für Häuslebauer kommt. Foto: © Diyana Dimitrova/Shutterstock.com

Es ist das wohl wichtigste Versprechen der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg: Mit der ersten Beratung eines erneuerten Klimaschutzgesetzes will die Regierung ihr neues Klimaschutzgesetz noch vor der Sommerpause angehen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) stellten die Eckpunkte am Dienstag zusammen mit Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) und den Fraktionsspitzen beider Parteien vor.

Der Klimaschutz sei eine Menschheitsaufgabe für das 21. Jahrhundert, erklärte Kretschmann. Baden-Württemberg sei zwar zu klein, um das Weltklima zu retten. Als Hightech-Region müsse es aber ein „kopierfähiges Modell“ für andere Gegenden entwickeln. „Die Koalition ist sich gänzlich einig, bei diesem Thema ganz entschieden voranzugehen.“ Vize-Regierungschef Strobl bestätigte ihn: „Wir halten Wort!“

Der Koalitionsvertrag will spätestens 2040 im Land Klimaneutralität erreicht haben. Der Entwurf zur Novelle des geltenden Klimaschutzgesetzes (KSG) schreibt diese Marke nun fest. Sie soll das bisherige Treibhausgas-Reduktionsziel von 90 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 1990 ablösen. „Im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundes-Klimaschutzgesetz“, heißt es in dem Papier, „wird das Zwischenziel des Landes für das Jahr 2030 ebenfalls deutlich angehoben auf nunmehr minus mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990.“ Die Landesverwaltung selbst soll dann schon klimaneutral sein.

„Auf diese Dekade kommt es an, auf die nächsten fünf Jahre kommt es an“, sagte Umweltministerin Walker. Das bisherige KSG definiert vor allem Rahmenbedingungen. Konkrete Maßnahmen zur Emissionsminderung regelt das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK), das ebenfalls der Überarbeitung harrt. Die Regierung will auch das KSG stärker auf praktische Umsetzung ausrichten. Deshalb soll die bereits eingeführte Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen auf Dachflächen neben Nichtwohngebäuden ab Mai 2022 auch auf Neubauten von Wohngebäuden ausgeweitet werden.

Das KSG von 2013 war im vergangenen Jahr erstmals umfassend novelliert worden. Damals hatte die CDU eine Ausweitung der Solarpflicht noch blockiert. Ab Januar 2023 soll sie nun auch bei grundlegenden Dachsanierungen greifen. Die PV-Pflicht auf Parkplätzen soll nicht erst für Anlagen ab 75, sondern schon ab 35 Stellplätzen gelten. Außerdem schreibt der Entwurf vor, dass in Regionalplänen mindestens zwei Prozent der Landesfläche für die Nutzung von Windenergie und Photovoltaik festgelegt werden.

Die meisten KSG-Ziele aus dem Koalitionsvertrag wären damit berücksichtigt. Lediglich eine dort angestrebte Ermächtigung für Kommunen, weitergehende Anforderungen im Bereich Energie und Klimaschutz zu bestimmen, findet in dem Gesetzentwurf keinen Niederschlag. Walker erklärte allerdings, es werde weitere Novellierungen geben. Auch so müssen noch viele Details geklärt werden. „Sämtliche der vorgesehenen Änderungen bedürfen der weiteren Umsetzung und näheren Ausgestaltung“, heißt es im Begleittext. „Die potentiellen haushaltsmäßigen Belastungen entziehen sich an dieser Stelle einer konkreten Bezifferung.“ Höheren Bauausgaben von Privaten stünden Einnahmen aus der Stromerzeugung und gegebenenfalls Pachterträge gegenüber.

Weil der Klimawandel insbesondere die politische Ebene unterhalb der Nationalstaaten vor komplexe wissenschaftliche Fragen stelle, soll der bestehende Klimaschutz-Beirat durch einen Klima-Sachverständigenrat ersetzt werden, der Landtag und Landesregierung unterstützt. Er soll aus sechs Mitgliedern bestehen, die durch wissenschaftliche Fachkenntnis ausgewiesen sind und unabhängig arbeiten.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz betonte, dass die Klimaschutz-Novelle das erste Gesetzesvorhaben der erneuerten grün-schwarzen Koalition sei. Um Zeit zu sparen, soll es von den Regierungsfraktionen eingebracht werden; am 22. Juli wird sich der Landtag damit befassen. CDU-Fraktionschef Manuel Hagel betonte, seine Partei gehe die Aufgabe Klimaschutz „nicht gebückt oder gezwungen“ an, sondern das Thema habe im Wahlprogramm an erster Stelle gestanden. Klimaschutz sei etwas Positives; es gehe auch um neue Arbeitsplätze und Technologien. „Die Aufgabe ist groß, aber die Chancen sind gewaltig.“

Reaktionen der Opposition

SPD-FraktionschefAndreas Stoch erklärt, den Überschriften werde sehr viel Arbeit im Kleingedruckten folgen müssen, damit das Gesetz kein Papiertiger bleibe. Der klimaschutzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Karrais, hingegen erklärte, die Regierung verzettele sich in regulatorischem Kleinklein auf Kosten von Häuslebauern. Der umweltpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Uwe Hellstern, kritisierte den Entwurf grundsätzlich als unsozial. - jsz

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Erstellt:
14.07.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 14.07.2021, 06:00 Uhr

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