Wahl im Gemeinderat

Gundula Schäfer-Vogel wird neue Tübinger Sozialbürgermeisterin

Gundula Schäfer-Vogel wird Tübingens neue Bürgermeisterin für Soziales, Ordnung und Kultur. Der Gemeinderat stimmte am Donnerstag mit 22 zu 18 Stimmen für sie.

07.12.2023

Von Eike Freese

„Ich will der Stadtgesellschaft etwas zurückgeben“: Gundula Schäfer-Vogel nach der Wahl zur Tübinger Sozialbürgermeisterin mit OB Boris Palmer. Bild: Carolin Albers

„Ich will der Stadtgesellschaft etwas zurückgeben“: Gundula Schäfer-Vogel nach der Wahl zur Tübinger Sozialbürgermeisterin mit OB Boris Palmer. Bild: Carolin Albers

Das Duell zweier lokaler Kontrahentinnen um den Chefinnensessel im Tübinger Dezernat 1 ist entschieden: Gundula Schäfer-Vogel wird neue Bürgermeisterin für Soziales, Ordnung und Kultur. Mit 22 Stimmen setzte sich die Richterin und SPD-Stadträtin bei der geheimen Abstimmung am Donnerstagnachmittag gegen ihre Mitbewerberin Claudia Patzwahl durch (18 Stimmen). Schäfer-Vogel, die aktuell am Landgericht in Rottweil als Richterin beschäftigt ist, tritt ihr Amt im Laufe des Januars an. Die Amtszeit beträgt acht Jahre.

Im Ratssaal am Donnerstag stellten sich sowohl Patzwahl als auch Schäfer-Vogel noch einmal den Gemeinderäten vor. Kinderbetreuung, Senioren, Soziales, Integration und das Ausländeramt, Räume für Kultur, Sportstätten, Feuerwehr: Das zu besetzende Dezernat ist vielfältig und groß. Dementsprechend umfangreich war auch das Themenspektrum der beiden knapp 15-minütigen Referate. Tiefergehende Gespräche hatten beide Kandidatinnen in den Wochen zuvor mit den Fraktionen geführt.

Gundula Schäfer-Vogel, 52, hatte in ihrer Bewerbung mit dem städtischen Personalreservoir (vor allem bei der Kinderbetreuung) und dem aktuell überforderten Ausländeramt klare Schwerpunkte gesetzt. Langfristig müsse die Stadt als Arbeitgeberin viel attraktiver werden und mehr junge Leute begeistern, um den Notstand zu bewältigen. Kurzfristig könne etwa bei den Kitas ein pragmatisches Baukastensystem mit haupt- und ehrenamtlich Aktiven aus Personal, Elternschaft, Vereinen und Verwaltung für etwas Entlastung sorgen. Fürs überforderte Ausländeramt möchte sie etwa eine neue Ermutigungskultur für die Mitarbeiter initiieren und einen juristischen Optimierungsprozess. „Im Sozialdezernat“, fasste Schäfer-Vogel ihr Credo zusammen, „muss die Politik gemacht werden, die den sozialen Zusammenhalt stärkt.“

Claudia Patzwahl, 59, war lange Stadträtin für die Alternative Liste und ist seit 2013 Chefin der Sporthallen-Betriebsgesellschaft. Auch sie hatte den Schwerpunkt auf Kinderbetreuung und Ausländeramt gelegt und „direkte Gespräche mit den Kindertageseinrichtungen und dem Ausländeramt sofort und direkt im Januar“ versprochen. Als jüngsten Erfolg hatte sie etwa ihre Arbeit als Projektleiterin der prominenten Tübinger Verpackungssteuer erwähnt.

Beide Kandidatinnen zeigten sich gegenüber dem TAGBLATT nach der Wahl nicht überrascht vom Ergebnis. „Vorsichtig optimistisch“ sei sie in die Abstimmung gegangen, so Schäfer-Vogel – sie habe aus der Stadtgesellschaft einigen Zuspruch im Vorfeld erhalten. Juristische und Verwaltungs-Expertise, Führungskraft, Kommunikationsstärke und eine auch emotionale Verbundenheit zu Tübingen sieht sie als einige ihrer Argumente: „Ich will der Stadtgesellschaft etwas zurückgeben“, sagte Schäfer-Vogel. Was das verbliebene Führungsduo aus Boris Palmer und Baubürgermeister Cord Soehlke angehe, „traue ich mir zu, mit ihnen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten“, so die Richterin lächelnd: „Ich kenne die Stärken und auch die Schwächen der beiden.“

Claudia Patzwahl gratulierte ihrer Konkurrentin gegenüber dem TAGBLATT und sah „zwei wirklich gute Bewerberinnen“ im Feld, die „auch im Namen der Frauensolidarität“ künftig sicher gut zusammenarbeiten würden. Die Sporthallen-Gesellschaft ist in der Tübinger Stadtverwaltung dem Dezernat 1 zugeteilt. Patzwahl blickte positiv auf die kurzen Wahlkampf-Wochen bei den Fraktionen zurück, ordnete ihre eigene Bewerbung im Nachhinein aber klar als „Außenseiterchance“ ein: Auf einer rein politischen Ebene etwa hätten Stadträte ihre thematische Nähe zum (ex-grünen) OB möglicherweise mit einer Stimme für die Gegenkandidatin konterkarieren wollen, analysierte sie.

Abzugeben waren bei der Wahl 40 Stimmen, davon 14 Stimmen aus der Fraktion AL/Grüne, fünf aus der SPD. Schäfer-Vogel war nicht ausdrücklich für die SPD angetreten, wurde aber von ihr unterstützt. Enthaltungen gab es bei der Wahl nicht, der anschließende Beschluss zur Berufung von Schäfer-Vogel kam einstimmig aus dem Gemeinderat. Als erster einer großen Schar von Gratulanten beglückwünsche OB Boris Palmer („Auf eine gute Zusammenarbeit!“) seine künftige Büro-Nachbarin im Tübinger Rathaus.

Seit vergangener Woche war klar, dass die Wahl ein rein Tübinger Duell bleiben wird. Nachdem das Universitätsklinikum bestätigt hatte, dass Vorgängerin Daniela Harsch ab 2024 als Kaufmännische Direktorin beginnen wird, warf zunächst Schäfer-Vogel, später Claudia Patzwahl ihren Hut in den Ring. Insgesamt waren 18 Bewerbungen bei der Stadt eingegangen. Als geeignet ließ der Gemeinderat in einer nichtöffentlichen Sitzung Ende November aber nur zwei zu.

Vom Gericht ins Rathaus

Gundula Schäfer-Vogel wurde 1971 in Osnabrück geboren und wuchs in Vechta auf. Sie studierte Jura in Freiburg und London und schloss die akademische Karriere mit Promotion ab. Aktuell ist sie noch Vorsitzende Richterin am Landgericht in Rottweil: eine Lebenszeitstelle, für die es sogar ein Rückkehrmöglichkeit gibt. Gundula Schäfer-Vogel hat drei Kinder und ist seit 2013 verwitwet. Seit 2000 ist sie SPD-Mitglied, seit 2019 Stadträtin. Bei der künftigen Kommunalwahl will sie wie OB Palmer für den Kreistag kandidieren.

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Erstellt:
07.12.2023, 17:57 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 15sec
zuletzt aktualisiert: 07.12.2023, 17:57 Uhr

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