Bad Wurzach

Dem Goldschakal gefällt's im Ried

Auf leisen Pfoten sind zwei Exemplare des kleinen Wolfsbruders eingewandert. Ganz frisch ist ein Nachweis im Neckar-Odenwald-Kreis.

14.11.2020

Von Alfred Wiedemann

Ein bisschen der kleine Bruder des Wolfs: Ein Goldschakal im Gehege. In freier Wildbahn sind zwei der Tiere in Baden-Württemberg nachgewiesen worden. Foto: FVA/Felix Böcker

Ein bisschen der kleine Bruder des Wolfs: Ein Goldschakal im Gehege. In freier Wildbahn sind zwei der Tiere in Baden-Württemberg nachgewiesen worden. Foto: FVA/Felix Böcker

Entdeckt worden ist der Goldschakal im vergangenen Mai. Ganz zufällig im Wurzacher Ried im Kreis Ravensburg. Ein Ornithologe hatte riesiges Glück. Zuerst dachte er an einen zu groß geratenen Fuchs. Der Vogelkundler war auf Zack und hat ein Foto machen können. Das zeigte: ein Goldschakal schnürt durchs Ried.

„Die Entdeckung war wie ein Sechser im Lotto“, sagt Horst Weisser, Leiter des Naturschutzzentrums in Bad Wurzach im Kreis Ravensburg. „Wenn diese Zufallsbegegnung nicht gewesen wäre, wüssten wir vielleicht bis heute nicht, was für einen seltenen Gast wir hier haben.“ Bis heute habe kein Mitarbeiter, auch er selbst nicht, das scheue Tier gesehen. Der Goldschakal ist aber da, hat sich eines der größten Moorgebiete Süddeutschlands als Revier ausgesucht. Der Schakal läuft seit Monaten immer wieder vor Fotofallen, die seinetwegen aufgestellt worden sind.

Der Goldschakal bleibt bisher dem Ried treu, bestätigt Felix Böcker von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg. „Das Tier verhält sich territorial. Ob es aber auf Dauer bleibt oder irgendwann weiterwandert, das wissen wir natürlich nicht.“ Böcker ist mit seinem Team bei der Forschungsanstalt für das Wolfs- und Luchsmonitoring zuständig. Und für den Goldschakal.

Die Fachleute bleiben dem Neuzugang in der heimischen Natur nicht nur mit Fotofallen auf der Fährte, sondern auch mit einer besonders ausgebildeten Hündin. Die konnte Schakal-Kot finden. Nach einer Untersuchung war klar: durchs Ried schnürt ein einzelner Rüde.

Nicht mehr der einzige Goldschakal im Südwesten: Am 1. November sei im Neckar-Odenwald-Kreis auch ein Goldschakal vor eine Fotofalle gelaufen, sagt Böcker. Mit dem Foto aus der Nähe von Mosbach gibt es seit 2018 vier Nachweise in Baden-Württemberg. Die Kameras im Neckar-Odenwald-Kreis waren für den männlichen Wolf gedacht, der dort im Oktober nachgewiesen worden ist und bei dem unklar ist, ob es derselbe ist, der vor Wochen Schafe in der Region gerissen hat. „Jetzt versuchen wir, auch über den Goldschakal im Neckar-Odenwald-Kreis mehr zu erfahren“, sagt Böcker. Noch ist völlig offen, ob das Tier durchwandert oder bleibt.

Eurasische Goldschakale kommen von Asien bis zum Balkan vor. Seit Jahren breiten sie sich weiter Richtung West- und Nordeuropa aus. Folge des Klimawandels? „Es gibt Theorien, die in diese Richtung gehen“, sagt Böcker. Er sei da aber skeptisch. „Dass es wärmer wird, könnte ein Faktor sein“, aber allein erkläre das die Expansion der anpassungsfähigen Tiere wohl nicht.

„Wir freuen uns, dass er da ist“, sagt Horst Weisser über den Goldschakal im Wurzacher Ried. Das zeige, dass die Struktur stimme in einem der größten Moorgebiete Süddeutschlands, dass der Lebensraum naturnah und geeignet sei für den Neuzuzügler.

„Natürlich haben wir auch ein Auge darauf, wie sich seine Anwesenheit auswirkt“, sagt Weisser. Vor allem langfristig müsse man das verfolgen. „Der Goldschakal ist ein Prädator, ein Raubwild.“ Im Ried gebe es seltene Arten wie das Tüpfelsumpfhuhn, die auf seiner Speisekarte landen können. Aber bei einem einzelnen Goldschakal müsse man sich wohl kaum Sorgen machen. „Die Freude überwiegt, ganz eindeutig“, sagt Weisser.

Menschen müssten keine Angst vor dem Goldschakal haben, versichert Böcker. Ein gesundes Tier sei nicht gefährlich, es bleibe auf Distanz, vermeide Begegnungen mit Menschen, wie Wölfe auch.

Der Rüde im Wurzacher Ried läuft immer wieder vor Fotofallen. Foto: FVA/Felix Böcker

Der Rüde im Wurzacher Ried läuft immer wieder vor Fotofallen. Foto: FVA/Felix Böcker

Seit 2018 gibt es Nachweise im Südwesten

Der Goldschakal (Canis aureus) zählt zu den Hundeartigen und steht größenmäßig zwischen Fuchs und Wolf mit 50 Zentimeter Schulterhöhe und bis zu 90 Zentimeter Länge (plus Lunte). Vom Balkan aus breitet er sich immer weiter aus, so der Deutsche Jagdverband. 1997 wurde das erste Exemplar in Deutschland gesichtet, in Brandenburg. Insgesamt gab es seither aber nur knapp über 20 weitere Nachweise.

In Baden-Württemberg gab es 2018 im Kreis Ravensburg den ersten Nachweis. 2019 tappte ein Goldschakal in Römerstein (Kreis Reutlingen) in eine Fotofalle. Goldschakale knurren und bellen wie Hunde und können auch heulen. Sie fressen Insekten, Vögel, Nagetiere, Hasen, Rehkitze, Obst, Aas und Abfall.

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Erstellt:
14.11.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 14.11.2020, 06:00 Uhr

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