Prostitution

Getestet und für gut befunden? Bordell-Siegel löst Debatte aus

Gibt es gute Puffs? Ein Vorstoß der Diakonie Karlsruhe hat viele empört. Die Idee von Qualitätsstandards wurde inzwischen fallen gelassen. Hilfe für Sexarbeiterinnen ist aber nötig.

08.11.2021

Von Susanne Kupka/dpa

Die Sexdienstleisterin Isabell, aufgenommen in einem Karlsruher Etablissement, begrüßt festgelegte Standards in Bordellen. Foto: Uli Deck/dpa

Die Sexdienstleisterin Isabell, aufgenommen in einem Karlsruher Etablissement, begrüßt festgelegte Standards in Bordellen. Foto: Uli Deck/dpa

Karlsruhe. Isabell spricht sanft, aber bestimmt: „Ich tue das, weil ich es will.“ Die Mittdreißigerin arbeitet als Prostituierte in einem Karlsruher Bordell. Ein ganz normaler Job, sagt sie. Weil das nicht jeder so sieht, will sie lieber nicht erkannt werden. Isabell heißt daher nicht wirklich so. Prostitution ist ein Tabu. Für die einen gehört sie verboten. Die anderen warnen vor einem Verbot, weil das Frauen noch mehr in Not bringen könnte. Die Karlsruher Diakonie gehört zu letzteren.

Sie bietet als Anlaufpunkt die Beratungsstelle „Luise“, eine mobile Sprechstunde für Prostituierte ohne Krankenversicherung sowie Appartements für Frauen, die aussteigen wollen. Vor einem Jahr entwarf der soziale Dienst der evangelischen Kirche ein gemeinsames Positionspapier mit Bordellbetreibern – und erntete einen Sturm der Entrüstung. Stein des Anstoßes: Die Vergabe eines „Qualitätssiegels für Prostitutionsbetriebe, die sich zur Einhaltung von Standards im Hinblick auf den Schutz und das Wohl der Frauen verpflichten“.

Fünf Kronen für gute Betriebe

Die Diakonie Württemberg distanzierte sich. Der Landesfrauenrat sprach von einem „frauenverachtenden Vorhaben“. Die Initiative „Karlsruhe gegen Sexkauf“, ein Zusammenschluss von 150 Prostitutionsgegnern – darunter Ärzte, Traumatologen, Sozialarbeiter, Kirchenleute und Politiker – warf der Diakonie vor, Teil eines menschenverachtenden Unterdrückungssystems zu werden.

Das als „Puff-Siegel“ geschmähte Vorhaben hat die Karlsruher Diakonie inzwischen still beerdigt. „Uns ist bewusst geworden, dass der Begriff sehr ungünstig ausgewählt war“, so eine Sprecherin. Im neuen Papier werden nun begleitende Seminare für Prostitutionsbetriebe vorgeschlagen, „die sich zur Einhaltung von besonderen Standards im Hinblick auf den Schutz und das Wohl der Frauen verpflichten“.

Statt eines Siegels wird nun die Begleitung besserer Bordelle angestrebt. Doch gibt es bessere Bordelle? Ja, sagt Stephanie Klee vom Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD). Von über 2100 zugelassenen Bordellen hat ihr Verband 35 auditiert. Fünf Kronen signalisieren Kunden und Sexarbeiterinnen: „Es handelt sich um ordentliche Betriebe, die alle Gesetze einhalten.“

Isabell begrüßt solche Siegel. Sie kommt viel rum und wüsste gerne vorher, was sie in einem Haus erwartet. Sauberkeit, ein schönes Ambiente, Betreuung durch eine Empfangsdame, Hilfe bei Behördengängen und notfalls ein Alarmknopf, wenn es ein Problem mit einem Gast gibt. Das sind einige Punkte, auf die sie Wert legt.

„Aus unserer Sicht gibt es weder gute noch faire Bordelle“, heißt es hingegen aus dem Landeskriminalamt. Selbst wenn es Betriebe mit erträglicheren Arbeitsbedingungen gebe, ändere dies nicht die Grundausrichtung. „In aller Regel geht es um Gewinnmaximierung und nicht um das Schicksal der dort arbeitenden Frauen.“

Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen verweist darauf, dass die Polizei zumeist nur mit Straftaten im Milieu in Kontakt komme. „Sexarbeitsplätze können auch sehr gute Arbeitsplätze sein.“ Wirkliche Zwangsprostitution gebe es nicht oft. „Häufig gibt es aber eine schwierige Gemengelage, dass Sexarbeitende den Job nicht machen wollen, aber keine Alternativen haben.“ Was Zwang angeht: „Wir arbeiten alle, weil wir Geld verdienen müssen.“ Stephanie Klee vom BSD ist selbst Sexarbeiterin. Sie kennt viele Frauen, die sagen: „Ich will nicht putzen oder bei Aldi an der Kasse sitzen.“ Aber sie räumt ein: „Natürlich ist die Situation einer armen Rumänin von größeren Zwängen geprägt.“ Diejenigen, die unter falschen Versprechungen hierher geschleust oder von Loverboys und Zuhältern zur Prostitution gezwungen werden, seien aber in der Minderzahl. Und in der Regel nicht in Bordellen, sondern in geheimen Wohnungen. „Das ist Menschenhandel pur.“ Für die Arbeit im Verborgenen habe Corona nochmals neue Strukturen geschaffen.

Prostitution war während der Pandemie lange verboten. Bordelle hatten zu. Viele Frauen arbeiteten nach Beobachtung der Verbände illegal in Wohnungen, Hotels und im Internet weiter. Simone Heneka von der Freiburger Diakonie-Beratung „P.I.N.K.“ registriert seit Corona mehr Gewalt, eben weil Prostitution sich ins Dunkelfeld verlagert habe. Vor dem Hintergrund war das umstrittene Positionspapier entstanden. Susanne Kupka

Rechte für Prostituierte und Bordellbetreiber

Im am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen Prostituiertenschutzgesetz sind erstmals umfassende Rechte und Pflichten für Prostituierte und für Bordellbetreiber geregelt. Das Gesetz sieht unter anderem eine Anmeldepflicht für Prostituierte und ihre Registrierung mit einem entsprechenden Ausweis vor. Ab kommenden Sommer soll das Gesetz vom Bundesfamilienministerium evaluiert werden. dpa

Zum Artikel

Erstellt:
08.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 07sec
zuletzt aktualisiert: 08.11.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!