Genugtuung nach dem Machtverlust

SC Freiburg DFB-Präsidentschaftskandidat Fritz Keller hatte beim Sportclub zuletzt vor allem repräsentative Aufgaben. Nun soll der Winzer vom Kaiserstuhl das Verbandsimage aufpolieren.

21.08.2019

Von DANIELA FRAHM

Fußballverrückter Winzer: Fritz Keller. Foto: Patrick Seeger/dpa Foto: Patrick Seeger/dpa

Fußballverrückter Winzer: Fritz Keller. Foto: Patrick Seeger/dpa Foto: Patrick Seeger/dpa

Eigentlich hatten sich der SC Freiburg und sein Präsident Fritz Keller eine Art Schweigegelübde auferlegt. Sie wollten die überraschende Nominierung des 62-jährigen Winzers und Sterne-Gastronoms aus dem Kaiserstuhl nicht kommentieren, der von der DFB-Findungskommission als neuer DFB-Präsident vorgeschlagen wurde. So ganz geklappt hat es dann doch nicht, obwohl Keller über die Presseabteilung seines Vereins verkünden ließ, dass er sich erst dann öffentlich äußert, wenn er sich am 21. August in Berlin den Regional- und Landesverbänden des DFB vorgestellt und der DFL-Generalversammlung Rede und Antwort gestanden hat.

Dazwischen kam jedoch der Bundesligaauftakt der Profis gegen den FSV Mainz und der Frauen gegen Bayern München. Keller pendelte ganz Freiburg-typisch mit dem Fahrrad zwischen beiden Stadien und ehrte nach einer Halbzeit bei den Frauen vor dem Anpfiff im Schwarzwald-Stadion das 20?000. Mitglied des SC Freiburg. „Ich hatte schlaflose Nächte und habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht“, erklärte er den Fans, aber der Sport-Club werde immer der Verein seines Herzens bleiben.

2010 wurde Keller zum Nachfolger des 2009 verstorbenen langjährigen Vorsitzenden Achim Stocker gewählt, seit 2014 ist er Präsident. Seit vergangenem Jahr beschränkt sich dieses Amt vor allem auf repräsentative Aufgaben. Eine vom Aufsichtsrat angeschobene Satzungsänderung sorgte dafür, dass der Präsident nicht mehr dem Vorstand angehört. Dass der Verein erstmals die 100-Millionen-Euro-Marke beim Umsatz knackte, war die Begründung, denn dafür könne ein ehrenamtlicher Präsident nicht mehr haften.

„Wir haben uns manchmal gezofft, stehen jetzt aber alle dahinter“, sagte Keller in der Mitgliederversammlung im Oktober 2018. Auch wenn er es nur andeutete, der Machtverlust im Club hat an ihm genagt. Dass er nun von der DFB-Findungskommission als einziger und bester Kandidat auserkoren wurde, muss für ihn eine Genugtuung sein, obwohl er auch das sicherlich nicht so sagen würde. Beim erfolgreichen Bundesligaauftakt des SC gegen Mainz 05 musste er viele Hände schütteln und genoss das sichtlich. „Glückwünsche nehme ich keine entgegen“, sagte er zwar jedes Mal, schließlich sei er noch nicht gewählt, „aber gute Wünsche nehme ich gerne an.“

Wissen um die Basis

Keller weiß auch, dass eine Aufgabe auf ihn wartet, bei der die Vorgänger das Image des größten Sportverbands der Welt beschädigt haben. Er soll es nun aufpolieren und dazu Profi- und Amateurlager vereinen. Für Letzteres sei Keller nahezu die „ideale Person“, glaubt SC-Trainer Christian Streich, „denn der Fritz kommt von einem Dorf und kennt sich aus im Amateurfußball, weil er fußballverrückt ist und immer überall auf den Kickplätzen war und ist – auch in Kiechlinsbergen und in Bahlingen“. Die beiden Orte sind nicht zufällig gewählt, sie liegen im Kaiserstuhl, wo der 62-Jährige aufgewachsen ist und wo er seine erfolgreichen Geschäfte betreibt.

Von seinem Vater Franz Keller hat der Patensohn von Fritz Walter, nach dem er auch benannt wurde, ein Weingut und das Restaurant „Schwarzer Adler“ in Oberbergen übernommen. Das trägt einen Michelin-Stern, den schon seine Mutter als erste Frau überhaupt erkocht hat, wie Fritz Keller stets stolz betont. Inzwischen sind zwei weitere Restaurants dazu gekommen, und Keller vertreibt eine Linie seiner Weine auch im Discounter Aldi.

Die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Winzers, der eine geschenkte Uhr nicht nötig hat, dürfte ein Grund dafür sein, dass er von den DFB-Funktionären ausgewählt wurde. Zum anderen sprach für ihn sicherlich die seit vielen Jahren skandalfreie und finanziell solide Arbeit des SC Freiburg. Und der Präsident setzt sich wie der SC für soziale Gerechtigkeit ein. „Der Verein wird sich immer der sozialen Verantwortung stellen und offen sein für alle Menschen, egal welchen Alters, welcher Hautfarbe und welcher Herkunft“, sagte Keller am vergangenen Wochenende bei seiner kurzen Rede im Stadion.

Wenn er im September zum DFB-Präsidenten gewählt wird, will er seinem Sohn Friedrich, mit dem er gemeinsam 2018 zum Winzer des Jahres vom Gault Millau ausgezeichnet wurde, noch mehr Verantwortung übergeben. Die technische Leitung des Weinguts und den Vertrieb hat er bereits übernommen. „Wenn jemand für etwas brennt, muss man ihn laufen lassen“, sagte Keller. Und so sieht es auch der Sport-Club in Bezug auf seinen Präsidenten. Der nahende Abschied tut Sportvorstand Saier „ein Stück weit weh, aber wir haben großes Verständnis, dass er zupacken möchte, und wir freuen uns für Fritz“.

Kritik an Auswahl

Präsidentschaftsbewerberin Ute Groth hat nach der Nominierung von Fritz Keller zum offiziellen Kandidaten der Verbandsführung ihre Kritik am Deutschen Fußball-Bund erneuert. Sie halte Keller für eine „sympathische Person“, sagte Groth. Aber: „Der Frust ist groß und wird nicht durch Fritz Keller beseitigt“, beschrieb die Präsidentin des Breitensportvereins DJK TuSA 06 Düsseldorf ihre Sicht zur Stimmung an der Fußball-Basis. Die Auswahl von Keller sei „wieder im Hinterzimmer ausgekaspert“ worden, monierte die 60-Jährige.?dpa

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Erstellt:
21.08.2019, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 27sec
zuletzt aktualisiert: 21.08.2019, 06:00 Uhr

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