Glosse
Gefahr der Schwüre
Schwüre sind etwas, das man sich genau überlegen sollte. Man weiß ja, wohin das führen kann. Ins Ehebett zum Beispiel. Das ist dann noch die angenehme Variante.
Oder ins Gefängnis, wenn man einen Meineid geleistet hat. Und das wäre noch milde, wenn man an vergangene Jahrhunderte denkt. Wer im Mittelalter einen Schwur brach, dem wurde zuweilen als Strafe gleich die Hand abgehackt. Was besonders für Rechtshänder misslich war, denn Schwüre wurden zumeist mit der rechten Hand ausgeführt.
Erhalten haben sich im europäischen Raum immerhin die drei nach oben gereckten Schwurfinger, die für die göttliche Dreifaltigkeit stehen – auch wenn Amtseide heute gern mal mit der kompletten erhobenen Hand abgelegt werden.
Das alles sind Dinge, die der Inder Anil Sharma nicht ohne Weiteres tun könnte. Denn er hat inzwischen seinen vierten Finger einer indischen Gottheit geopfert – weil er sich über die Wiederwahl des Chefministers Nitish Kumar freute, also des Ministerpräsidenten seines Bundesstaates Bihar. Sharma hat das vorher schon dreimal gemacht, bei jeder Wahl, seit Kumar 2005 die Macht übernahm.
Sein Idol Kumar ist inzwischen 69 Jahre alt. Also besteht Hoffnung, dass der Politiker nicht mehr allzu oft bei Wahlen gewinnt. Denn als Gärtner braucht Sharma die verbliebenen Finger noch. Vielleicht reicht der Gottheit bei der nächsten Wahl ja auch ein Treueschwur.