Wissenschaft

Fragwürdige Zahlungen

Die Affäre um dubiose Besoldungszulagen für Professoren der Hochschule Ludwigsburg schwelt schon lange. Nun werden weitere Fälle benannt. Besonders krasse gibt es in Konstanz.

27.01.2018

Von AXEL HABERMEHL

Im Zwielicht: Auf der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung liegt ein schwerer Verdacht. Foto: Felix Kästle/dpa

Im Zwielicht: Auf der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung liegt ein schwerer Verdacht. Foto: Felix Kästle/dpa

Stuttgart. Bei der Besoldung baden-württembergischer Professoren gibt es umfangreichere Unregelmäßigkeiten als bisher bekannt war. Das ist das Ergebnis einer Prüfung des Wissenschaftsministeriums. „Die betroffenen Hochschulen sind nun angehalten, die jeweiligen Einzelfälle zu bearbeiten und Rechtskonformität herzustellen“, teilte das Ministerium mit. Man werde sich die Ergebnisse vorlegen lassen.

Wie Ressortchefin Theresia Bauer (Grüne) betonte, seien besonders an der Hochschule Technik, Wirtschaft, Gestaltung in Konstanz (HTWG) eine Reihe fragwürdiger Zahlungen geflossen. Sie seien in mehreren Komplexen aufgedeckt worden und reichten teils bis ins Jahr 2005 zurück. Es gebe „erheblichen Handlungsbedarf“. Erste Medienberichte über Unregelmäßigkeiten hatte es im Juli 2017 gegeben.

70 von 123 Professoren betroffen

Vor allem seien an der HTWG „bei 70 Professoren rechtswidrig getroffene Entscheidungen bei der Vergabe von Leistungsbezügen aus dem Jahr 2015 festgestellt“ worden, meldete das Ministerium. Das wären mehr als die Hälfte der in Frage kommenden 123 Professoren, die nach Besoldungsgruppe W bezahlt werden. Es gehe sowohl um Einmal-Zahlungen als auch um regelmäßige Bezüge. Die Hochschule müsse nun jeden Fall prüfen und über eventuelle Rückforderungen entscheiden. Das Volumen der Zahlungen, die Gegenstand hochschulinterner Prüfungen seien, liege bei rund 679?000 Euro.

Außerdem hätten in acht Fällen Professoren die Besoldungsgruppe gewechselt, ohne dass es urkundliche Ernennungen gab. „Diese Fälle sind gemäß der Rechtsauffassung des Ministeriums nichtig“, teilt Bauers Haus mit. „Sie werden damit so behandelt, als hätte es einen Wechsel in die W-Besoldung nie gegeben. Die in diesem Zusammenhang vergebenen Leistungsbezüge sind rechtswidrig und sind daher in jedem Einzelfall von der Hochschule zu korrigieren.“

Einen weiteren Komplex problematischer Zahlungen an der HTWG habe das Rechnungsamt Freiburg aufgedeckt: Laut Ministerium seien in rund 40 Fällen „unzulässiger Weise Lehraufträge an eigene Beschäftigte“ vergeben worden. Auch bei geflossenen Forschungszulagen gebe es Fragwürdigkeiten. Hier seien Vergaben an 20 Professoren zu beanstanden. All diese Dinge müsse die Hochschule nun in „engen Bearbeitungsfristen“ aufarbeiten. In dieser Angelegenheit auch die Staatsanwaltschaft.

Das Ministerium bezeichnete Konstanz als „Sonderfall“. Er erinnert sehr an die „Zulagenaffäre“ an der Verwaltungshochschule Ludwigsburg, die seit einem Jahr ein Untersuchungsausschuss des Landtags prüft. Um mögliche weitere Fälle aufzudecken, habe Bauer alle 44 staatlichen Hochschulen im Land abgefragt. 40 hätten keine Fehler gemeldet, Konstanz die beschriebenen und drei weitere insgesamt 17 Fälle, „in denen Berufungsleistungsbezüge fehlerhaft vergeben wurden“. Welche das sind, wurde nicht genannt. Die Hochschulen müssten nun prüfen „und Rechtskonformität herstellen“.

Insgesamt funktioniere das 2005 eingeführte System der leistungsbezogenen Besoldung aber: „Die Vergabe von Leistungsbezügen wird von den Hochschulen in Baden-Württemberg insgesamt sehr verantwortungsbewusst und mit großer Sorgfalt wahrgenommen“, sagte Bauer.

Die Opposition will nun den Untersuchungsausschuss zur Ludwigsburger Affäre erweitern. Sascha Binder (SPD) nannte die Geschehnisse in Konstanz eine „Ungeheuerlichkeit“. Er sei „weiter der Meinung, dass wir im Untersuchungsausschuss diese Vorgänge an der Konstanzer Hochschule hinterfragen müssen“. Nico Weinmann (FDP) pflichtete ihm bei: „Wir wollten und wollen die dortigen Vorfälle im Untersuchungsausschuss prüfen lassen.“ Er vermutet, dass es weitere Fälle gibt. Denn das Ministerium hat noch nicht die Zulagen-Richtlinien aller Hochschule fertig geprüft. 75 seien noch in Bearbeitung. Weinmann fände es „interessant zu wissen, an welchen Hochschulen noch im vergangenen Jahr eilig die Richtlinien verändert wurden, nachdem das Ministerium die Vorlage forderte“.

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Erstellt:
27.01.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 40sec
zuletzt aktualisiert: 27.01.2018, 06:00 Uhr

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