Erotische Kunst

Florentiner Uffizien empört über Sex-Diva in Venus-Pose

Das Museum, in dem das Renaissance-Meisterwerk von Sandro Botticelli hängt, geht juristisch gegen eine Porno-Internetseite vor.

04.08.2021

Von Bettina Gabbe

Besucher fotografieren Botticellis Gemälde „Die Geburt der Venus“. Foto: Alexis Sciard/IP3press/Imago

Besucher fotografieren Botticellis Gemälde „Die Geburt der Venus“. Foto: Alexis Sciard/IP3press/Imago

Florenz. Seit der Antike stehen Darstellungen nackter Körper in der Kunst hoch im Kurs, denn Auftraggeber bestellten für ihre persönlichen Sammlungen gern Aktdarstellungen. Bislang galten Museen mit Skulpturen antiker Götter und Gemälde mit Akt-Szenen aus der Bibel als streng getrennt von der Welt der Pornografie. Doch hat ein luxemburgisches Unternehmen Online-Führungen durch erotische Kunst in berühmten Museen als Geschäftsidee entdeckt.

„Einige der besten Pornos aller Zeiten gibt es nur im Museum“, verspricht Ex-Porno-Diva Ilona Staller, besser bekannt als Cicciolina, in einem Werbe-Clip. Die 69-Jährige posiert dabei im hautfarbenen Ganzkörperkostüm als Schönheitsgöttin aus Sandro Botticellis Gemälde „Die Geburt der Venus“. Mit einer Hand an der Brust und der anderen an einem künstlichen blonden Haarschopf vor der Scham scheint sie in der italienischen Rekordhitze den Hauch des Windgottes Zephyr zu genießen, der durch einen knapp 50 Jahre jüngeren Mann dargestellt wird.

Das Werbevideo einer Porno-Internetseite löste in den Florentiner Uffizien, in denen Botticellis Original hängt, Empörung aus. Eike Schmidt, der deutsche Leiter des Musentempels, wies die Rechtsabteilung an, gegen die in Luxemburg ansässige Firma MindGeek vorzugehen, die die Internet-Seite Pornhub betreibt. Diese habe ohne Genehmigung ein Kunstwerk der Uffizien abgebildet, so der Vorwurf.

In dem Werbefilm für eine Reihe von Online-Führungen waren ursprünglich nicht nur der italienische Ex-Porno-Star Cicciolina als Venus, sondern auch eine Venus des Renaissance-Malers Tizian aus den Uffizien zu sehen. In dem Video preist Staller Führungen zu „einigen der heißesten Szenen der Geschichte in den berühmtesten Museen der Welt“ an. „Denn Porno mag nicht als Kunst gelten, aber einige Kunstwerke können sicher als Porno gelten“, sagt sie mit ironischem Augenzwinkern.

Doch beim Versuch, mit Kunstwerken des von ihm geführten Museums ohne Genehmigung Profit zu machen, versteht Schmidt keinen Spaß. Nach dem Einschreiten der Rechtsabteilung der Uffizien gegen die „kommerzielle Nutzung ohne Genehmigung und ohne Zahlung von Gebühren“ entfernten die Urheber des Videos die auf weiche Kissen gebettete Tizian-Venus, die ihren nackten Körper dem Betrachter halb zuwendet, aus dem Film.

„Ein Besucher der Uffizien käme niemals auf den Gedanken, er sei ein Voyeur“, betont die Kunsthistorikerin Eva Clausen. Er glaube vielmehr an die Erhöhung durch den Geist. In der Kunst werde auch der Sexualakt zu etwas Erhabenem. „Die Gratwanderung ist, dabei dennoch verführerisch zu sein“, sagt die Wahlrömerin, die deutschen Besuchern die Kunstwerke ihrer Stadt erklärt.

Um gegen Missbrauch mit und Kommerzialisierung von berühmten Kunstwerken vorzugehen, verschärfte Italien die Regeln für deren Nutzung durch private Firmen. Touristen erwarben in der Vergangenheit gern etwa Schürzen, auf denen die Vorderansicht von Michelangelos David-Statue mit prominentem Geschlechtsteil gedruckt war. So wurde die berühmte Florentiner Statue gegen den Willen ihres Schöpfers und ihrer heutigen Hüter auf ihr Geschlechtsteil reduziert.

Die Verwendung für Werbezwecke der über fünf Meter großen Monumentalstatue sorgte vor Kurzem ebenfalls für Ärger. Die Florentiner Müllabfuhr empfahl den Bürgern in einer Internet-Kampagne, ihre Stadt durch verstärkte Mülltrennung sauberer zu halten. Zur Illustration verwendete sie eine Foto-Montage von Michelangelos monumentalem David in gelber Weste mit weißen Leuchtstreifen und Besen mit roten Borsten.

Werber entschuldigen sich

Eine Werbeagentur hatte die Kampagne im Auftrag der städtischen Entsorgungsgesellschaft Alia erstellt, ohne um Erlaubnis für die Verwendung des Kunstwerks zu bitten. „Ich habe persönlich um Entschuldigung gebeten“, erklärte daraufhin der Sprecher der Behörde, Giuseppe Meduri, kleinlaut.

Die Ex-Porno-Diva Ilona Staller hat sich noch nie für ihre provokanten Auftritte entschuldigt. Zum Streit um die Werbekampagne, in der sie als Botticelli-Venus mit himbeerrotem Kussmund auftritt, möchte sie sich nicht äußern. Als Ehefrau des US-Künstlers Jeff Koons war sie Anfang der 90er Jahre selbst Teil seiner Bilder. Koons inszenierte den Geschlechtsakt mit seiner damaligen Frau auf großformatigen Fotos zugleich als Porno und als Kunstwerk.

Die Porno-Darstellerin Ilona Staller, bekannt als „Cicciolina“. Foto: Alessandro Di Meo/dpa

Die Porno-Darstellerin Ilona Staller, bekannt als „Cicciolina“. Foto: Alessandro Di Meo/dpa

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Erstellt:
04.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 56sec
zuletzt aktualisiert: 04.08.2021, 06:00 Uhr

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