Tübingen/Ravensburg

Tübinger Forscher fürchtet Spaltung der Gesellschaft wegen Bildungsdefiziten

Der Tübinger Forscher Ulrich Trautwein warnt: Das Absinken der Schülerleistungen könne schwerwiegende Folgen haben.

07.11.2022

Von lsw

Prof. Ulrich Trautwein. Archivbild: Thomas Müller/UKT

Prof. Ulrich Trautwein. Archivbild: Thomas Müller/UKT

Ravensburg. Der Tübinger Bildungsforscher Ulrich Trautwein hat vor einer Spaltung der Gesellschaft wegen abgehängter Schüler und Schülerinnen gewarnt. Wer in der vierten Klasse nicht richtig lesen, schreiben und rechnen könne, werde danach wohl weiter abgehängt und lande langfristig in prekären Arbeitsverhältnissen, sagte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Kultusministeriums zur Neuordnung der Qualitätsentwicklung des baden-württembergischen Schulsystems der „Schwäbischen Zeitung“ (Samstag). „Das gefährdet wiederum unsere offene, demokratische Gesellschaft: Wer beobachten möchte, wie es zu einer gefährlichen Spaltung der Gesellschaft kommt, kann das – quasi in Zeitlupe – anhand der Schulkarrieren der Kinder in Baden-Württemberg beobachten.“

Mit Blick auf das mäßige Abschneiden baden-württembergischer Kinder bei Bildungstests sagte Trautwein: „Der vielleicht größte Fehler der vergangenen 15 Jahre war es, nicht konsequent auf die veränderte Schülerschaft zu reagieren.“

Der Anteil der Schüler mit Zuwanderungshintergrund sei in zehn Jahren von rund 30 auf rund 50 Prozent gestiegen – das sei nach Bremen der höchste Wert aller Bundesländer. Ihre Lernvoraussetzungen seien schlechter, „und die mittlere Leistung sinkt quasi automatisch, wenn diese Kinder nicht besonders gute Lerngelegenheiten bekommen. Leider hat Baden-Württemberg hier sträflich versagt“, sagte er. Anders sehe es in Hamburg aus.

„Manche Probleme kann man mit den Experten lösen, die wir schon haben, bei anderen Dingen müssen wir kurz-, mittel- und langfristig mehr Geld investieren, das ist überhaupt keine Frage“, erklärte Trautwein. Den aktuellen Lehrkräftemangel bezeichnete er dem Zeitungsbericht zufolge als „Hypothek der Vergangenheit“ und als Schande. „Es wird uns auf Jahre hin massiv erschweren, den Kindern und Jugendlichen das zu bieten, worauf sie ein Recht haben: die bestmögliche Unterstützung für ihr Lernen.“

Richtige Ansätze wie Förderprogramme für Mathe und Deutsch gebe es. Dass Schulen mit besonderen Herausforderungen mehr Geld als andere bekommen sollen, sei ebenfalls gut. Zudem sollten aus Sicht des Experten Kitas in den Blick genommen werden. „Hier muss der spielerische, aber systematische Erwerb der deutschen Sprache bei allen Kindern gelingen. Leider sind wir davon weit entfernt.“ dpa

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Erstellt:
07.11.2022, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 02sec
zuletzt aktualisiert: 07.11.2022, 06:00 Uhr

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