Tübingen · Kino

Burhan Qurbani: Erst Zimmertheater, dann Berlin Alexanderplatz

Erfolgsregisseur Burhan Qurbani, dessen bejubelte Verfilmung von Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ in Tübingen anläuft, entdeckte seine kreative Lust in Tübingen – und zwar im Theater. Wir sprachen mit ihm.

23.07.2020

Von Dieter Oßwald

Burhan Qurbani (Mitte) hier am Set bei den Dreharbeiten. Aus Franz hat er kurzerhand Francis gemacht – oder vielleicht eher umgekehrt: Eine Klassikerverfilmung erhält mehr Aufmerksamkeit, mehr Geld. Bild: Agentur

Burhan Qurbani (Mitte) hier am Set bei den Dreharbeiten. Aus Franz hat er kurzerhand Francis gemacht – oder vielleicht eher umgekehrt: Eine Klassikerverfilmung erhält mehr Aufmerksamkeit, mehr Geld. Bild: Agentur

Und wieder das kleine Zimmertheater als Kick für die große Karriere. Ulrich Tukur hat hier einst seine Lust auf die Schauspielerei bei einer Aufführung der „Dreigroschenoper“ entdeckt. Und auch der in Stuttgart aufgewachsene Regisseur Burhan Qurbani, 39, verdankt der Tübinger Bühne seinen Beruf. Als 16-Jähriger besucht er ein Tschechow-Stück, nach der Vorstellung lernt er die Schauspieler kennen und ist begeistert von deren Leidenschaft: „Mir war klar: Das möchte ich auch als Beruf machen!“, erzählt Qurbani dem TAGBLATT. Dem ersten Praktikum beim Staatstheater Stuttgart folgt das Studium an der Filmakademie Ludwigsburg. Mit seinem erst dritten Spielfilm stemmt der Regisseur die Verfilmung des 1929 erschienenen Jahrhundertromans von Alfred Döblin. Er verlegt den Klassiker in das heutige Berlin. Aus Franz Biberkopf wird Francis (Welket Bungué), ein Flüchtling aus Westafrika. Er möchte ein guter Mensch sein. Doch die Verhältnisse, die sind nicht so.

Realisiert wurde das dreistündige Mammutwerk vom Ludwigsburger Produzenten Jochen Laube, mit dem Qurbani an der Filmakademie studierte. Und mit dem er vor sechs Jahren mit dem Neonazi-Drama „Wir sind jung. Wir sind stark“ bereits für viel Furore sorgte. Auch auf der Berlinale kam die moderne Romanverfilmung bei Presse und Publikum gleichermaßen glänzend an. Trotz Favoritenrolle ging man bei der Bären-Verleihung leer aus. „Natürlich bin ich traurig, dass wir nichts gewonnen haben. Aber es war eine wunderbare Erfahrung, wie wir mit unserem Film durch das Festival regelrecht getragen worden sind“, zieht der Regisseur Festivalbilanz. Ursprünglich wollte der Sohn afghanischer Flüchtlinge einen Film über Migranten in einem Berliner Drogenpark drehen. Weil er dafür wenig Interesse befürchtete, kam er auf die Idee mit der Klassiker-Verfilmung. Eine Mogelpackung? Qurbani winkt lachend ab: „Als Schwabe würde ich den Ausdruck ‚Gottesbscheißerle‘ vorziehen: Wie in den Maultaschen ist bei uns das Fleisch im Teig versteckt.“ An den Deutschunterricht hat der Filmemacher nicht nur gute Erinnerungen. „Döblin hat mir damals tatsächlich meine Abitur-Note versaut“, erinnert er sich. Mit der alten Heimat verbindet der Wahl-Berliner gute Erinnerungen. „Stuttgart ist für mich immer zu Hause, das ist ein warmes Gefühl von Heimat.“ Auch den Dialekt muss er dann nicht mehr verstecken. „Sobald ich am Bahnhof in Stuttgart aussteige, kommt das Schwäbische sofort wieder hoch. Der Schwabe ist vielleicht etwas grob, dafür aber herzlich.“

Info

Der Film (ab 12 Jahren) läuft am Donnerstag um 19.30 Uhr im Tübinger Kino Museum an.

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Erstellt:
23.07.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 15sec
zuletzt aktualisiert: 23.07.2020, 01:00 Uhr

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